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Finanz-Ratgeber
Krankenkasse fordert hohe Nachzahlung: Muss ich wirklich zahlen?
Wer freiwillig gesetzlich versichert ist, muss oft Nachzahlungen an die Krankenkasse leisten – monatlich bis zu 900 Euro. Diese Beiträge können zu hoch sein. Was kann man dann tun?
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Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbol) | Bei freiwillig gesetzlich Versicherten können die Nachforderungen für Beiträge zu hoch sein, erklärt unser Autor.
Sascha Straub
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:30 Uhr

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist gesetzlich krankenversichert. Auch wenn über die Nachteile als Kassenpatientin und Kassenpatient oder die Beschränkungen des gesetzlichen Systems geschimpft wird, bietet es doch besondere Vorteile. Kleinselbstständigen und freiberuflich Tätigen wie zum Beispiel Fußpflegerinnen, Friseurinnen oder Kioskbesitzern, die oft geringere Einkünfte haben, bieten die gesetzlichen Kassen attraktive Stabilität. So gibt es circa sechs Millionen freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung, wovon viele der vorgenannten Berufsgruppen angehören. Gerade diese erhalten seit Jahresbeginn vermehrt Post von ihrer Krankenkasse mit ungewöhnlich hohen Beitragsnachforderungen.

So sollen sie den Höchstbeitrag von monatlich bis zu 900 Euro für die letzten drei Jahre nachzahlen, weil sie es versäumt haben, ihre Steuerbescheide rechtzeitig bei der Krankenkasse einzureichen. 

Kann die Krankenkasse Nachzahlung verlangen? Liegt kein Steuerbescheid vor, wird geschätzt

Tatsächlich kann der Beitrag für freiwillig Versicherte, die keinen Gehalts- oder Rentennachweis haben, nur über den Steuerbescheid berechnet werden. Liegt dieser der Krankenkasse nicht vor, dürfen die Beiträge auf der Basis eines Einkommens in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze, also dem Höchstbeitrag, festgesetzt werden. Je nachdem, wie hoch ihre vorläufige Vorauszahlung war, drohen den Versicherten hohe Nachzahlungen.

Faktisch zahlen die Betroffenen also Beiträge auf fiktive Einnahmen, die sogar höher sein können als deren tatsächliche monatlichen Einkünfte. Die Krankenkassen berufen sich aufs Sozialgesetzbuch, wonach freiwillig gesetzlich Versicherte drei Jahre Zeit haben, ihre Einkommensteuerbescheide zur Beitragsberechnung einzureichen.

Krankenversicherung: Nachträgliche Korrektur der Beitragshöhe ist schwierig

Wo aber ist das Problem? Drei Jahre sind schon eine lange Zeit und nach dem ersten Schreck kann man die Unterlagen ja bestimmt noch nachreichen, um alles richtigzustellen.

Leider weit gefehlt. Die Krankenkassen ignorieren im Widerspruchsverfahren nachgereichte Steuerunterlagen und beharren darauf, dass die Beitragsnachforderung faktisch unveränderlich ist. Somit berechnen gesetzliche Krankenkassen wissentlich Tausenden Versicherten rechnerisch falsche und völlig überhöhte Beiträge. Gedeckt wird diese krude Praxis sowohl durch den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen als auch das Bundesamt für Soziale Sicherung als Aufsichtsbehörde.

Zu hohe Nachforderung der Krankenkasse? Im Notfall bleibt nur der Klageweg

Die Verbraucherzentralen kritisieren dieses Vorgehen als gesetzlich nicht gedeckt. Auch und besonders im Sozialrecht gelte, dass, wenn neue Tatsachen bekannt werden, dann auch falsche Entscheidungen korrigiert werden müssen. Anderslautende Rechtsfolgen hätte der Gesetzgeber expliziert bestimmen müssen, was nicht der Fall ist.

Den Betroffenen bleibt nur der Klageweg. Jedoch geht bis zu einer letztinstanzlichen Entscheidung durch die Sozialgerichte viel Zeit ins Land. Zeit, in der Kleinselbstständige weiter mit absurd hohen Beitragsnachforderungen konfrontiert werden und häufig überfordert sind.

Bei derartigen Ungerechtigkeiten ist die Politik gefragt. Nur eine gesetzliche Klarstellung kann diesen Missstand im Gesundheitssystem beseitigen.

Zum Autor: Sascha Straub ist Fachmann für Finanzfragen und Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Bayern.

 
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