Stress im Supermarkt gehört für viele Menschen dazu. Hinfahren, sich an anderen Menschen im Gang vorbeizwängen, an der Kasse anstehen und sich dann beim Einpacken hetzen, weil die Produkte mal wieder gar so schnell über den Scanner fliegen. Laut einer Studie des Instituts myMarktforschung stört es knapp 50 Prozent der Einkaufenden, wenn der oder die Kassiererin zu schnell ist. Fast genauso viele ärgern sich, wenn es zu langsam läuft. Hinter einem raunen schon ungeduldig die nächsten Alltagsbewältiger, während man im Portemonnaie nach verlangtem Kleingeld – "Haben Sie vielleicht zehn Cent?" – sucht. Eine Farce, die sich lange nicht vermeiden ließ. Heute durchdringt die Digitalisierung zunehmend jeden Aspekt des menschlichen Lebens, auch Supermärkte. Immer öfter tauchen sogenannte Selbstbedienungskassen bei Rewe, Aldi und Co. auf. Sie versprechen ein autonomes – und vor allem stressfreies – Einkaufserlebnis. Doch dort hört der technologische Fortschritt längst nicht auf. Wie sieht die Zukunft des Einkaufens aus?
Mit bundesweit 3800 Märkten ist Rewe der zweitgrößte Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland. In mehr als 380 Läden gibt es mittlerweile Selbstbedienungskassen. Also Kassen, an denen man selbst seine Produkte scannt und zahlt, ganz ohne Kassierer oder Kassiererin. Dieses Konzept ist besonders in Städten verbreitet, da dort viele Kundinnen und Kunden oft nur wenige Artikel kaufen und dann schnell bezahlen möchten, wie ein Rewe-Sprecher mitteilt. "Die Installation erfolgt strikt Standort-spezifisch, wo sie Sinn macht. Die Nutzung ist stark von Faktoren wie Kundenstruktur und Lage abhängig", sagt er. So gebe es inzwischen Rewe-Märkte, in denen die Hälfte der Kundschaft ihren Einkauf an diesen Kassen zahlt.
Die Autonomie beim Einkauf schlägt sich übrigens nicht automatisch in einem Personalabbau nieder. Angestellte, die sonst an der Kasse arbeiten, beraten zum Beispiel stattdessen Kunden. Und auch bei den Selbstbedienungskassen muss Personal zur Verfügung stehen, um Kunden bei Bedarf zu helfen und die Vorgänge zu kontrollieren.
Selbstbedienungskassen und Scan&Go sollen den Einkauf erleichtern
Diese Möglichkeit gibt es auch in vielen Läden des größten deutschen Lebensmittelhändlers: Edeka. Neben den Selbstbedienungskassen stellte das Unternehmen 2017 ein neues Konzept vor: der Easy-Shopper – laut Werbespot "der modernste Einkaufswagen der Welt". Das funktioniert so: Zuerst muss eine App auf dem Smartphone installiert werden, die mit dem Einkaufswagen verbunden wird. Auf dessen Display erscheint dann die eigene Einkaufsliste. Produkte können direkt an einem im Wagen eingebauten Sensor gescannt werden. Bezahlt wird entweder an einer Kasse – ohne die Lebensmittel noch mal aus der eigenen Tasche auspacken zu müssen – oder per Abrechnung übers Smartphone. Den Easy-Shopper gibt es bisher in 165 Filialen in Mittel- und Norddeutschland. In Bayern gibt es dieses Angebot bisher nicht.
Ein zusätzlicher Service bei mehreren Supermarktketten ist das sogenannte Scan&Go. Das gibt es in Filialen von Rewe, Penny, Edeka, Netto, Aldi oder Kaufland. Dabei können Kundinnen und Kunden bereits auf ihrem Weg durch den Supermarkt ihre Artikel scannen, entweder mit einem Handscanner aus dem Laden oder mit dem eigenen Smartphone. An der Selbstbedienungskasse muss dann nur noch gezahlt werden, die Einkäufe müssen nicht noch einmal ausgepackt werden. Laut einer Erhebung des Handelsinstituts EHI aus dem Jahr 2022 nutzt jeder 15. Kunde dieses Self-Scanning per Handscanner oder Einkaufswagen. Per Smartphone ist es lediglich jeder 150. Kunde.
Der erste vollautonome Supermarkt steht in München
Noch schneller geht es in sogenannten Pick&Go-Filialen von Rewe. Davon gibt es deutschlandweit vier Stück: zwei in Köln, jeweils eine in Berlin und in München. In der bayerischen Landeshauptstadt gibt es den ersten vollautonomen Testmarkt. Dort entfällt jeglicher Vor-Ort-Zahlungsprozess. Kundinnen und Kunden brauchen lediglich eine App auf dem Smartphone, in der auch Zahlungsinformationen hinterlegt sind und die Volljährigkeit bestätigt ist. Nur mit dieser App kann man den Supermarkt betreten. Gleich am Anfang registrieren Kameras und Sensoren die Skelettmerkmale einer Person, wie Schulterbreite und Armlänge, teilen ihr eine Nummer zu und können so die Kundinnen und Kunden voneinander unterscheiden. Alle Daten werden kurz nach Verlassen des Ladens wieder gelöscht, eine Identifizierung beim nächsten Einkauf ist nicht möglich.
Drinnen nimmt man die Produkte aus den Regalen und darf dann einfach den Laden verlassen. Die Rechnung erscheint nach Verlassen des Supermarktes auf dem Smartphone. Bisher durchlaufen diese Filialen eine Testphase. Ob sich das Konzept langfristig durchsetzen wird, ist noch unklar.
Doch es gibt auch Gegenbewegungen zum Autonomie-Trend rund um Selbstbedienungskassen. In einem Edeka-Markt in Schweinfurt gibt es seit Februar die wohl erste "Plauderkasse" Deutschlands. Also eine Kasse, an der sich Zeit lassen und reden sogar erwünscht ist. Marketing-Managerin Luisa Frank sagt, dass das besonders bei älteren Kundinnen und Kunden gut ankommt. "Sie schätzen, dass da nicht gehetzt wird und sie in Ruhe einpacken und sich dabei noch unterhalten können", erzählt Frank. Autonome Modelle wie Selbstbedienungskassen nutzen laut Frank eher jüngere Menschen. Die Plauderkasse gibt es jeden Dienstag von acht bis zwölf Uhr vormittags, wo dann Ideengeberin und Kassiererin Helga Schöner sitzt. Immer mit einem offenen Ohr und – natürlich – ohne Zeitdruck.