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Tierfutter: Katzen würden Mäuse kaufen
Tierfutter Haustierhalter wollen für ihre Vierbeiner nur das Beste. Doch was in dem Fertigfutter drin ist, ist oft das Gegenteil davon. Warum, weiß Hans-Ulrich Grimm.
Katze sitzt vor toter Maus Katzenfutter Deutschland Europa Copyright imageBROKER BodoxSchieren i       -  Viele Hauskatzen haben keine Gelegenheit, Mäuse zu fangen und zu fressen. Stattdessen bekommen sie Fertigfutter.
Foto: imago | Viele Hauskatzen haben keine Gelegenheit, Mäuse zu fangen und zu fressen. Stattdessen bekommen sie Fertigfutter.
Angelika Becker
Angelika Becker-Völker
 |  aktualisiert: 24.11.2016 03:36 Uhr

Als „Wildwestbranche“, die sich mit fragwürdigen Mitteln vor allem um den schnellen Profit kümmert und Haustiere krank macht, beschreibt der Autor Hans-Ulrich Grimm weite Teile der Tierfutterindustrie in seinem Buch „Katzen würden Mäuse kaufen“. Was alles im Tierfutter drin ist, erzählt er im Interview.

Frage: Herr Grimm, haben Sie eigentlich ein Haustier?

Hans-Ulrich Grimm: Heute nicht mehr, früher hatte ich mal drei Siamkatzen.

Woher kommt dann jetzt Ihr starkes Engagement beim Thema Tierfutter? Ihr Buch wirkt mit Leidenschaft geschrieben . . .

Grimm: Ich habe schon lange befürchtet, dass Menschen mehr für die Ernährung ihrer Haustiere ausgeben als für ihre eigene. Und es regt mich auf, wenn die Leute beschissen werden. Die Reaktionen zeigen, dass es den Lesern genauso geht. Das Tierfutterbuch hat im Vergleich zu meinen anderen Ernährungsbüchern die meisten Rezensionen bei Amazon.

Vielleicht deshalb, weil es bewusst macht, dass Menschenfutter mehr mit Tierfutter zu tun hat als wir glauben?

Grimm: Ja, es ist ein einziger Kosmos: Die Menschen kriegen das Billigfleisch im Supermarkt und aus den Schlachtabfällen wird das Tierfutter gemacht. Es werden bei der Herstellung von Menschen- und Tiernahrung die gleichen Methoden angewandt, die gleichen Konservierungsmittel und Zusatzstoffe verwendet. Die Zivilisationskrankheiten sind bei Mensch und Tier auch gleich. Das lässt sich beim Tierfutter schön nachweisen.

Gleich mal meine drängendste Frage: Was soll ich tun – mein Tier noch mehr vermenschlichen und ihm täglich ein Menü kochen, anstatt Fertigfutter in den Napf zu schütten?

Grimm: Ich sage den Leuten nur, was stattfindet. Ich will aufklären. Aber es gibt viele Wege aus dem Schlamassel. Manche Menschen kochen für ihre Tiere, manche barfen (beispielsweise Hunde und Katzen vor allem mit rohem Fleisch füttern, d. Red.). Ich beschreibe nur die dunkle Seite der Sache. Konsequenzen – egal ob politisch, rechtlich oder praktisch – müssen andere ziehen.

Zu Anfang Ihres Buches kritisieren Sie das Geschäft mit der Liebe zum Tier. Was finden Sie daran verwerflich, dass es auf eine Nachfrage ein Angebot gibt und damit Geld verdient wird?

Grimm: Da ist die Frage: Was ist zuerst da, die Nachfrage oder das Angebot? Vor Jahrhunderten beispielsweise ist niemand auf die Idee gekommen, Haustiere anders als mit Speiseresten zu füttern. Und ist es wirklich so, dass die Nahrungsmittelindustrie auf einen Bedarf antwortet, wenn sie Fleisch mit Textilfarben auf den Markt bringt? Die Industrie suchte in den 1950er Jahren Entsorgungswege und kam schließlich auf die Idee, Abfälle als Tierfutter aufzubereiten und nach dem Modell der Zahnpastawerbung die Wissenschaft in die Vermarktung einzubinden.

Welche Abfälle?

Grimm: In der Regel Schlachtabfälle, Gemüsereste, neuerdings auch – ganz bizarr – Erdgas, das mit Hilfe von Bakterien essbar gemacht wird. Alles ganz legal, von der EU zugelassen. Illegal kommt bisweilen hinzu: Klärschlamm, Plastikreste, es mehren sich auch Hinweise auf Tierkadaver.

(Laut EU-Verordnung dürfen Schlachtabfälle, die für Menschen genusstauglich, aber nicht zu vermarkten wären, zu Tierfutter verarbeitet werden, nicht jedoch die Kadaver der in freier Wildbahn, im Straßenverkehr oder im Zoo gestorbenen oder aus Seuchenschutzgründen getöteten Tiere, d. Red.)

Und Wissenschaft und Tierärzte machen bei der Vermarktung solcher Cocktails mit?

Grimm: Diese Abfälle würde niemand wollen, wenn sie nicht eine korrupte Wissenschaft schmackhaft machen würde. Ein weißer Kittel überzeugt. Dann glauben Verbraucher, dass sie ihren Tieren das allergesündeste Futter aus der Dose geben. Ich habe bei meiner Recherche keinen einzigen unabhängigen Denker in Sachen Tierernährung an einer Universität gefunden. Diese Disziplin und die Ernährungsindustrie gehören einfach zusammen. Ein Beispiel ist die Tierärztliche Hochschule in Hannover. Sie wurde in eine Stiftung umgewandelt. Im Stiftungsrat, der die Entscheidungen trifft, sitzen vor allem Lobbyisten und Konzernvertreter.

Sie schildern nicht nur Verflechtungen, sondern Krimis, bringen in weitem Bogen die Futterindustrie mit mafiösen Strukturen in Verbindung.

Grimm: Die Fleischbranche bewegt sich in einer Grauzone, in der es immer wieder entsprechende Skandale gibt. Ein Beispiel ist der Betrug mit als Rindfleisch deklariertem Pferdefleisch in Lasagne 2013.

Warum sollen Haustiere keine Schlachtabfälle fressen? Mein Hund beispielsweise liebt Ekliges wie Pferdeäpfel und Halbverwestes, und Katzen mögen Mäuse mit Haut und Haar ohne Rücksicht auf Würmer.

Grimm: Ich fände es sogar hochunmoralisch, wenn Schlachtabfälle nicht an Tiere verfüttert, sondern auf den Müll geworfen oder, nach Afrika exportiert, die Märkte dort kaputt machen würden. Aber die Industrie soll nicht so tun, als seien das Gourmethäppchen. Die Tierfutterindustrie entstand als Lösung eines Entsorgungsproblems. Die Abfälle werden aufwendig über viele Zwischenschritte mit Transporten zu einem Industrieprodukt mit wenig Nährwert verwandelt.

. . . das auch noch teuer bezahlt wird.

Grimm: Ja. Für unsere Katzen haben wir Schlachtabfälle beim Metzger geholt. So etwas finde ich extrem sinnvoll. Und es war billig. Es ist paradox: Wenn Tierfutter teuer ist, kümmert das viele nicht, aber Biolebensmittel wollen sich dieselben nicht leisten.

Warum macht teures, aber billig hergestelltes Futter Tiere krank? Was kann passieren?

Grimm: Das Gleiche wie beim Menschen: Übergewicht, Diabetes, Krebs, Zivilisationskrankheiten eben. Die kommen ja nicht davon, dass der Mensch zivilisiert mit Messer und Gabel isst, sondern von dem, was er isst. Inhaltsstoffe der Nahrung setzen den Körper unter Stress. Sie senden chemische Signale aus, die Krankheiten auslösen können.

Der Autor und sein Thema

Hans-Ulrich Grimm (Jahrgang 1955) studierte Germanistik, Geschichte, Erziehungswissenschaften. Über ein Volontariat bei der „Schwäbischen Zeitung“ kam er zum Journalismus, arbeitete bei der Zeitung unter anderem in Ravensburg und kam schließlich als Redakteur zum „Spiegel“. Inzwischen ist er Buchautor.

Das Thema „Ernährung“ beschäftige ihn schon seit seiner Zeit als freier Zeitungsmitarbeiter in Ravensburg. Damals habe er Glossen übers Essen geschrieben, erzählt er. Dass in der Ernährungsbranche vieles anders laufe, als er es sich vorgestellt habe, sei ihm erstmals 1986 nach dem Atomunfall in Tschernobyl bewusst geworden. Damals recherchierte er über radioaktiv verseuchte Milch und erlebte einen Gesprächspartner aus der Nahrungsmittelindustrie, für den das gar kein Thema war.

Fleischhaltiges Fertigfutter ist vor allem das Thema seines neuesten Buches „Katzen würden Mäuse kaufen“ (Droemer Knaur Verlag, München). Er recherchierte, dass darin viele Abfälle verarbeitet sein können, die mit Zusatzstoffen appetitlich gemacht werden. Dazu wirft er ein Licht auf ethisch fragwürdige Herstellungs- und Vermarktungsmethoden.

Alternative Möglichkeiten, Tiere mit Futter ohne unklare Inhaltsstoffe zu ernähren, gibt es. Bei der Entscheidung, zu welchem Fertig- oder Frischfutter Tierfreunde greifen oder ob sie selbst die Nahrung für ihre Haustiere zubereiten, helfen Fachliteratur, Tierschutzverbände, Tiermediziner. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat Leitlinien über Mindestanforderungen an die Haltung von Tieren in Auftrag gegeben. Dort gibt es auch Tipps zur Ernährung. Vögel beispielsweise sind je nach Art mit Körnern und Insekten gut versorgt, Hunde- und Katzenartige mit Fleisch, Knochen, Fisch, Eiern, Obst, Gemüse, zusätzlich Vitaminen und Mineralstoffen. Kaninchen, Meerschweinchen und Hamster kommen mit Obst, Gemüse, Kräutern, Heu und Wasser aus.

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Foto: bea/Helmut Henkensiefken/FinePic
 
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