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Jena
„Mediterrane Kost kann das Krebsrisiko reduzieren“
Wer sich gesund ernährt, lebt meist auch gesünder, sagt die Medizinerin Jutta Hübner – und erklärt, worauf Verbraucher achten sollten.
Sandra Liermann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:04 Uhr

Dass es einen Zusammenhang zwischen richtiger Ernährung und der Vermeidung von Krebs gibt, gilt unter Medizinern als unbestritten. Wie weit dieser Zusammenhang geht und wo es ihn wohl weniger gibt, darüber sprachen wir mit einer ausgewiesenen Expertin: Jutta Hübner vom Universitätsklinik Jena.

Vollkornbrot tötet Krebszellen, Hering schützt vor Brustkrebs, Kurkuma vor Darmkrebs. Immer wieder liest man solche Schlagzeilen. Aber gibt es wirklich Lebensmittel, die vor Krebs schützen können?

Dr. Jutta Hübner: Wir haben Daten zu solchen Fragestellungen aus zwei Arten von Forschungen. Die einen sind sogenannte epidemiologische Daten, die wir erhalten, wenn wir große Bevölkerungsgruppen untersuchen. Damit können wir statistische Zusammenhänge erstellen: Wer kriegt welche Krankheit? Wer hat sich wie ernährt? Aber: Je mehr ich rechne, desto mehr Zusammenhänge werde ich herausfinden. Das ist statistisches Gesetz. Zum Teil werden da kausale Beziehungen erfasst, zum Teil sind diese aber nur zufällig. Um das eingangs genannte Beispiel „Hering schützt vor Brustkrebs“ aufzugreifen: Eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, wirkt nicht nur bei Brustkrebs vorbeugend, sondern bei allen Krebsarten. Die Schlagzeile ist also nicht falsch, aber übertrieben richtig. Wissenschaftler würden das wohl anders formulieren.

 

Sie sprachen von zwei Arten von Daten, die Wissenschaftler heranziehen, um das Zusammenspiel von Ernährung und Erkrankungen zu untersuchen.

 

Hübner: Genau, dazu als Beispiel die Schlagzeile „Kurkuma schützt vor Darmkrebs“. Wo es um den einzelnen Inhaltsstoff eines pflanzlichen Lebensmittels geht, in diesem Falle Curcumin, einen sogenannten sekundären Pflanzenstoff, beruhen die Ergebnisse fast immer auf laborexperimentellen Untersuchungen. Da wird eine Tumorzelle im Reagenzglas gezüchtet, anschließend der sekundäre Pflanzenstoff darauf geträufelt und dann schaut man, was passiert. Mit ein bisschen Glück werden Sie beobachten, dass die Zellen nicht weiterwachsen. Im Reagenzglas können Sie das mit fast jeder Substanz erzeugen. Meiner Meinung nach gehört so etwas aber in ein Fachjournal und nicht in die Öffentlichkeit hinausposaunt.

 

Warum?

 

Hübner: Es gibt hunderte sekundäre Pflanzenstoffe. Im Reagenzglas haben alle Einfluss auf das Tumorwachstum. Meistens wird in Berichten darüber aber nicht offengelegt, dass es sich um Laborexperimente handelt. Ein Beispiel ist der Stoff Resveratrol, der im Rotwein enthalten ist. Im Reagenzglas funktioniert diese Substanz zur Tumorbekämpfung. Um diese Mengen aber im echten Leben zu sich zu nehmen, müssten Sie Unmengen Rotwein trinken - Sie wären sehr betrunken. Hinzu kommt, dass die Wirkung mancher Substanzen sich abhängig von der Dosis ins Gegenteil umkehren kann. Das sind alles Dinge, die wir noch nicht verstehen. Patienten aber lesen die Schlagzeilen und kaufen sich entsprechende Präparate.

Das klingt ja alles ziemlich kompliziert. Können Sie denn dann überhaupt Lebensmittel empfehlen?

Hübner: Ja, das ist die positive Botschaft: Mediterrane Kost, also viel Gemüse, Fisch, Olivenöl und Nüsse, kann das Krebsrisiko reduzieren. Gesunde Fette, Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten sowie die Regel „fünf am Tag“, also fünf Portionen Obst und Gemüse - das ist die Art, wie Menschen sich ernähren sollten.

 

Und in welchen Mengen muss ich diese Lebensmittel zu mir nehmen, damit sie wirken?

 

Hübner: Genau das wissen wir nicht. Das kann man aus Reagenzglas-Versuchen nicht herausrechnen. Es ist auch schwierig zu sagen. Der positive Effekt gesunder Ernährung tritt ja nicht ein, wenn Sie das mal ein halbes Jahr machen. Sie müssen sich schon über Jahrzehnte so ernähren. Gruppenstudien dazu sind allerdings schwierig: Angenommen, in einer Studiengruppe ernähren sich die Probanden gesund. Das funktioniert vielleicht eine Weile. Man kennt ja die menschliche Schwerfälligkeit, nach einem halben Jahr fallen viele wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Wieder andere sind in der Kontrollgruppe, die sich ungesünder ernähren soll - und essen dennoch gesund. Damit sind solche Studien unbrauchbar.

Bekommen Krebspatienten durch solche Schlagzeilen den Eindruck, sich falsch ernährt zu haben und selbst schuld zu sein an ihrer Erkrankung?

Hübner: Ich würde sagen ja, durchaus. In meinen Patientensprechstunden sehe ich, dass gerade diese Patienten gefährdet sind, die sowieso schon mit dieser „Wieso ich?“-Frage kommen. Die vergleichen ihre Verhaltensweise mit solchen Schlagzeilen. Kommunikativ ist das sehr schwer aufzulösen, denn oft stehen ja berühmte Forschungseinrichtungen dahinter. Ich versuche dann, diese Zusammenhänge auch für Laien verständlich zu erklären. Denn sonst kann das wirklich richtig Schaden auslösen.

 

Ist der Kampf gegen den Krebs denn tatsächlich so einfach, dass es reicht, bestimmte Lebensmittel verstärkt zu essen?

 

Hübner: Ich glaube, wenn wir rein über den Faktor Ernährung reden, dann ist es tatsächlich so einfach. Wenn sie sich aber die meisten Menschen anschauen, sieht es anders aus. Krebs ist eine schicksalhafte Geschichte. Man kann zwar das Risiko zu erkranken beeinflussen. Aber man kann es nicht absolut verhindern. Hinzu kommt: Wir sprechen ja nicht über die Ernährung alleine. Mindestens so wichtig ist körperliche Betätigung. Unsere Gesellschaft täte gut daran, darauf mehr Wert zu legen.

Wir haben bisher nur über die „guten“ Lebensmittel gesprochen. Gibt es denn im Gegenzug Lebensmittel, von denen bekannt ist, dass sie die Entstehung von Krebs begünstigen?

Hübner: Alkohol ist ein eindeutiger Risikofaktor. Wir wissen auch, dass tierische Fette das Risiko, an Krebs zu erkranken, erhöhen. Auch Nitritpökelsalze sind nicht gut. Damit ist alles, was in Richtung Wurstwaren geht, nicht ohne. Auch Schimmelpilzgifte sind eindeutig krebserregend. Die finden sich in verschimmelten Lebensmitteln und kommen manchmal in so kleinen Mengen vor, dass Sie sie mit bloßem Auge nicht sehen können. Bei Nüssen kommt das zum Beispiel vor, häufig bei unbehandelten Bio-Nüssen. Paradox, denn Nüsse sind ja eigentlich gut

Interview: Sandra Liermann

Zur Person
Jutta Hübner vom Universitätsklinikum Jena leitet die Arbeitsgemeinschaft Prävention bei der Deutschen Krebsgesellschaft. (az)
 
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