BERLIN
Online-Basisdemokratie: Liquid Feedback
Auch bei steigenden Mitgliederzahlen möchte die Piratenpartei basisdemokratische Entscheidungen möglich machen. Ihre Wunderwaffe: Liquid Feedback.

Mit Hilfe dieser Software können Parteimitglieder zu jedem Thema und zu jeder Zeit ihre Meinung abgeben. Doch auch unter den Piraten selbst ist die Methode nicht unumstritten. Wir haben die wichtigsten Fragen zusammengefasst.
Was genau ist Liquid Feedback?
Liquid Feedback ist eine Software, die auf zwei Servern der Piratenpartei läuft. Über einen Webbrowser können die Parteimitglieder jederzeit auf die Software zugreifen; eine Programm-Installation ist nicht notwendig. Die Funktionsweise von LiquidFeedback ähnelt einem Forum. Es gibt 15 verschiedene Themenbereiche, wie zum Beispiel "Wirtschaft und Soziales", "Umwelt, Verkehr, Energie" oder "Innen, Recht, Demokratie, Sicherheit". Darin erarbeiten die Parteimitglieder gemeinsam Positionen und stimmen darüber ab.
Derzeit hat LiquidFeedback rund 6800 Mitglieder. Eine Registrierung ist nur für Mitglieder der Piratenpartei möglich. Sie können sich aktiv an den Diskussionen beteiligen. Es gibt allerdings auch einen Zugang für Gäste, die sich die verschiedenen Initiativen anschauen wollen.
Was ist das Ziel?
Auch bei steigenden Mitgliederzahlen will die Piratenpartei mit Liquid Feedback basisdemokratische Entscheidungen ermöglichen, die nicht auf Vertreterversammlungen angewiesen sind. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Lobbygruppen wenige Parteimitglieder (z.B. Vorstände) manipulieren. Mit der Software sollen laut Piratenwiki mehrheitsfähige Positionen konstruktiv und gemeinsam erarbeitet und abgestimmt werden. Die Meinungsbilder sollen als Vorlage für Parteitage und dem Parteivorstand als direktes Feedback dienen.
Wie funktioniert's?
Jedes Parteimitglied kann in Liquid Feedback so genannte "Initiativen" starten, die verschiedene Phasen durchlaufen. Ist eine Initiative "neu", muss sie innerhalb eines besetzten Zeitraums mindestens zehn Prozent der angemeldeten Nutzer als "Unterstützer" gewinnen (1. Quorum). Wird dieses Quorum erreicht, springt das Thema in die "Diskussion".
Innerhalb und außerhalb der Plattform kann dann über den jeweiligen Antrag debattiert werden. Bei LiquidFeedback gibt es zwei Möglichkeiten, auf eine Initiative zu reagieren. Als Unterstützer können die User "Anregungen" geben. Der Autor kann entscheiden, ob er sie in seinen Vorschlag einarbeitet, um noch mehr Unterstützung zu finden. Gegner einer Initiative müssen bei Ablehnung eine "Gegeninitiative" veröffentlichen. Damit soll gewährleistet werden, dass Kritik immer konstruktiv ist.
Nach der Diskussion wird die Initiative "eingefroren", das heißt die Texte können nicht mehr geändert werden. Alle Interessierten können in dieser Zeit entscheiden, ob sie den Antrag wirklich unterstützen wollen. Unterstützen weiterhin mindestens zehn Prozent der angemeldeten Nutzer den Vorschlag, kommt es schließlich zur Abstimmung (2. Quorum). Dabei werden keine Zwischenergebnisse angezeigt, um taktisches Wählen zu vermeiden.
Die Dauer der einzelnen Phasen unterscheidet sich je nach Antragsform.
Derzeit stehen im Liquid Feedback der Piratenpartei rund 3000 solcher Initiativen zu knapp 1700 Themen online. Dazu kommen etwa 5200 Anregungen. Besonderen Wert legen die Piraten darauf, dass im Liquid Feedback keine inhaltliche Moderation stattfindet und jedes Mitglied die gleichen Beteiligungsmöglichkeiten hat. Die Administration soll transparent sein. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Texte von einzelnen Nutzern eingestellt werden und keine offiziellen Aussagen der Partei sind.
Welche Idee steckt dahinter?
Die Piratenpartei nutzt Liquid Feedback als eine Möglichkeit, Liquid Democracy ("flüssige Demokratie") herzustellen. Dahinter verbirgt sich eine Art Mischform zwischen indirekter und direkter Demokratie. Jedes Parteimitglied kann sein Stimmrecht selbst wahrnehmen oder auf eine andere Person übertragen (Delegation).
Die zentrale These der Entwickler von Liquid Feedback lautet: "Wir gehen davon aus, dass viele konkrete Vorschläge auch in Zukunft durch vergleichsweise kleine Teams und visionäre Einzelpersonen erarbeitet und weiterentwickelt werden." Das heißt, es müssen nicht immer alle Parteimitglieder über einen Vorschlag abstimmen. Es besteht aber auf jeden Fall immer die Möglichkeit, bei Interesse die Diskussion und die Abstimmung zu beeinflussen.
Üblicherweise legen Parteien ihre Delegierte für ein Jahr fest. Im Liquid Feedback ist die Delegation schneller und flexibler möglich: Die Parteimitglieder können jederzeit neu über ihre Delegationen entscheiden. Sie können ihr Stimmrecht entweder komplett übertragen oder für einzelne Abstimmungen und Themenbereiche.
Wo ist die Software bereits im Einsatz?
Das bundesweite Portal dient der Partei bereits für aktuell Stimmungsbilder. Der Landesverband Berlin hat den Absatz "Liquid Democracy" als erster offiziell in seine Satzung aufgenommen. Er nutzt die Software seit Anfang 2010 für die innerparteiliche Entscheidungsfindung. Andere Landesverbände sind laut Piratenwiki dazu eingeladen, die Software ebenfalls zu testen. So erprobt zurzeit zum Beispiel auch der Landesverband Nordrhein-Westfalen die neue Technik.
Welche Einwände gibt es?
Selbst innerhalb der Piratenpartei gibt es noch Diskussionen um Liquid Feedback. "Es gibt beim Einsatz von Liquid Feedback zwei, drei Konfliktlinien, die noch nicht geklärt sind", sagte der neue Parteichef Bernd Schlömer. "Da ist erstens die Frage, ob man dort mit Klarnamen agieren soll oder ob es auch ein Recht auf anonyme Meinungsäußerung geben soll."
Zweitens werde das Delegationsprinzip von Liquid Feedback in Frage gestellt - hier können Mitglieder ihre Stimme einem anderen übergeben, dem sie bei einem bestimmten Thema besondere Kompetenz zutrauen. Schließlich gebe es auch eine Reihe von Einzelfragen wie die Sorge, dass das System von Lobbyisten beeinflusst werden könnte, erklärt Schlömer. Er tritt dafür ein, zunächst weiter Erfahrungen zu sammeln und schließlich eine grundlegende Bewertung mit Hilfe eines externen Gutachtens vorzunehmen.
Zum Weiterlesen: Die Grundprinzipien hinter Liquid Feedback - Eine Art "lange Anleitung"
Was genau ist Liquid Feedback?
Liquid Feedback ist eine Software, die auf zwei Servern der Piratenpartei läuft. Über einen Webbrowser können die Parteimitglieder jederzeit auf die Software zugreifen; eine Programm-Installation ist nicht notwendig. Die Funktionsweise von LiquidFeedback ähnelt einem Forum. Es gibt 15 verschiedene Themenbereiche, wie zum Beispiel "Wirtschaft und Soziales", "Umwelt, Verkehr, Energie" oder "Innen, Recht, Demokratie, Sicherheit". Darin erarbeiten die Parteimitglieder gemeinsam Positionen und stimmen darüber ab.
Derzeit hat LiquidFeedback rund 6800 Mitglieder. Eine Registrierung ist nur für Mitglieder der Piratenpartei möglich. Sie können sich aktiv an den Diskussionen beteiligen. Es gibt allerdings auch einen Zugang für Gäste, die sich die verschiedenen Initiativen anschauen wollen.
Was ist das Ziel?
Auch bei steigenden Mitgliederzahlen will die Piratenpartei mit Liquid Feedback basisdemokratische Entscheidungen ermöglichen, die nicht auf Vertreterversammlungen angewiesen sind. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Lobbygruppen wenige Parteimitglieder (z.B. Vorstände) manipulieren. Mit der Software sollen laut Piratenwiki mehrheitsfähige Positionen konstruktiv und gemeinsam erarbeitet und abgestimmt werden. Die Meinungsbilder sollen als Vorlage für Parteitage und dem Parteivorstand als direktes Feedback dienen.
Wie funktioniert's?
Jedes Parteimitglied kann in Liquid Feedback so genannte "Initiativen" starten, die verschiedene Phasen durchlaufen. Ist eine Initiative "neu", muss sie innerhalb eines besetzten Zeitraums mindestens zehn Prozent der angemeldeten Nutzer als "Unterstützer" gewinnen (1. Quorum). Wird dieses Quorum erreicht, springt das Thema in die "Diskussion".
Innerhalb und außerhalb der Plattform kann dann über den jeweiligen Antrag debattiert werden. Bei LiquidFeedback gibt es zwei Möglichkeiten, auf eine Initiative zu reagieren. Als Unterstützer können die User "Anregungen" geben. Der Autor kann entscheiden, ob er sie in seinen Vorschlag einarbeitet, um noch mehr Unterstützung zu finden. Gegner einer Initiative müssen bei Ablehnung eine "Gegeninitiative" veröffentlichen. Damit soll gewährleistet werden, dass Kritik immer konstruktiv ist.
Nach der Diskussion wird die Initiative "eingefroren", das heißt die Texte können nicht mehr geändert werden. Alle Interessierten können in dieser Zeit entscheiden, ob sie den Antrag wirklich unterstützen wollen. Unterstützen weiterhin mindestens zehn Prozent der angemeldeten Nutzer den Vorschlag, kommt es schließlich zur Abstimmung (2. Quorum). Dabei werden keine Zwischenergebnisse angezeigt, um taktisches Wählen zu vermeiden.
Die Dauer der einzelnen Phasen unterscheidet sich je nach Antragsform.
Derzeit stehen im Liquid Feedback der Piratenpartei rund 3000 solcher Initiativen zu knapp 1700 Themen online. Dazu kommen etwa 5200 Anregungen. Besonderen Wert legen die Piraten darauf, dass im Liquid Feedback keine inhaltliche Moderation stattfindet und jedes Mitglied die gleichen Beteiligungsmöglichkeiten hat. Die Administration soll transparent sein. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Texte von einzelnen Nutzern eingestellt werden und keine offiziellen Aussagen der Partei sind.
Welche Idee steckt dahinter?
Die Piratenpartei nutzt Liquid Feedback als eine Möglichkeit, Liquid Democracy ("flüssige Demokratie") herzustellen. Dahinter verbirgt sich eine Art Mischform zwischen indirekter und direkter Demokratie. Jedes Parteimitglied kann sein Stimmrecht selbst wahrnehmen oder auf eine andere Person übertragen (Delegation).
Die zentrale These der Entwickler von Liquid Feedback lautet: "Wir gehen davon aus, dass viele konkrete Vorschläge auch in Zukunft durch vergleichsweise kleine Teams und visionäre Einzelpersonen erarbeitet und weiterentwickelt werden." Das heißt, es müssen nicht immer alle Parteimitglieder über einen Vorschlag abstimmen. Es besteht aber auf jeden Fall immer die Möglichkeit, bei Interesse die Diskussion und die Abstimmung zu beeinflussen.
Üblicherweise legen Parteien ihre Delegierte für ein Jahr fest. Im Liquid Feedback ist die Delegation schneller und flexibler möglich: Die Parteimitglieder können jederzeit neu über ihre Delegationen entscheiden. Sie können ihr Stimmrecht entweder komplett übertragen oder für einzelne Abstimmungen und Themenbereiche.
Wo ist die Software bereits im Einsatz?
Das bundesweite Portal dient der Partei bereits für aktuell Stimmungsbilder. Der Landesverband Berlin hat den Absatz "Liquid Democracy" als erster offiziell in seine Satzung aufgenommen. Er nutzt die Software seit Anfang 2010 für die innerparteiliche Entscheidungsfindung. Andere Landesverbände sind laut Piratenwiki dazu eingeladen, die Software ebenfalls zu testen. So erprobt zurzeit zum Beispiel auch der Landesverband Nordrhein-Westfalen die neue Technik.
Welche Einwände gibt es?
Selbst innerhalb der Piratenpartei gibt es noch Diskussionen um Liquid Feedback. "Es gibt beim Einsatz von Liquid Feedback zwei, drei Konfliktlinien, die noch nicht geklärt sind", sagte der neue Parteichef Bernd Schlömer. "Da ist erstens die Frage, ob man dort mit Klarnamen agieren soll oder ob es auch ein Recht auf anonyme Meinungsäußerung geben soll."
Zweitens werde das Delegationsprinzip von Liquid Feedback in Frage gestellt - hier können Mitglieder ihre Stimme einem anderen übergeben, dem sie bei einem bestimmten Thema besondere Kompetenz zutrauen. Schließlich gebe es auch eine Reihe von Einzelfragen wie die Sorge, dass das System von Lobbyisten beeinflusst werden könnte, erklärt Schlömer. Er tritt dafür ein, zunächst weiter Erfahrungen zu sammeln und schließlich eine grundlegende Bewertung mit Hilfe eines externen Gutachtens vorzunehmen.
Zum Weiterlesen: Die Grundprinzipien hinter Liquid Feedback - Eine Art "lange Anleitung"
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