Härtere Strafen, bessere Angebote – die Meinung des Schweinfurter Filmproduzenten Matthias Triebel zu Datenklau und Raubkopien im Internet klingt einfach. Von den Vorschlägen der Piratenpartei zur Reform des Urheberrechts hält er gar nichts. „Nicht praktikabel!“, lautet das klare Urteil des Geschäftsführers der 3-D-Boutique, der mit seinem Dokumentarfilm „Janes Journey“ knapp eine Oscar-Nominierung verpasste.
Worum geht es? Spätestens seit den Wahlerfolgen der Piraten im Saarland, in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Berlin tobt eine erbitterte Diskussion um eine mögliche Reform des Urheberrechts. Auf der einen Seite Piraten und Netzaktivisten wie der Chaos Computerclub, auf der anderen Seite Musiker, Autoren, Filmproduzenten und Verbände wie etwa die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU). Im Kern steht die Frage im Raum, wie im Zeitalter der digitalen Vervielfältigungen und der massenhaften Downloads von Musik- und Filmdateien ein vernünftiger (finanzieller) Ausgleich zwischen Urhebern von geistigen Werken, den Künstlern, und den Konsumenten geschaffen werden kann.
Um zwei Antworten wird gestritten. Die einen fordern, dass all jene zur Kasse gebeten werden müssen, die im Internet Bücher, Filme oder Musik illegal herunterladen. Wer nicht zahlt, hat keinen Anspruch auf kostenlose Downloads, lautet das Credo. Undurchführbar, sagen die anderen. Außerdem kriminalisiere man damit Millionen von Menschen. Sinnvoller wäre es, eine generelle Kulturabgabe zu erheben und diese an die Künstler auszuzahlen oder neue Vergütungsmodelle zu entwickeln, wie auch immer die aussähen. Die Künstler bekämen ihr Geld, und die Konsumenten dürften Musik, Filme und Bücher herunterladen, soviel sie wollten.
Klingt wunderbar. Doch der Teufel steckt im Detail. Wer bestimmt, wie viel Geld welcher Künstler erhält? Macht man es erfolgsabhängig, kassiert die Pornoindustrie den Löwenanteil. Wie bewertet man etwa kostenintensive Dokumentarfilme, die sich nur an einen kleinen Interessentenkreis wenden? Warum dürfen Künstler dann mit ihrer Ware keinen Handel mehr treiben? Die Vorschläge zu neuen Vergütungsmodellen für geistiges Eigentum sind auch bei den Piraten hoch umstritten.
Zeitgleich arbeiten die Verbände der Film- und Musikbranche an Möglichkeiten, den digitalen Kopierern auf die Schliche zu kommen. Das ACTA-Abkommen etwa ist so ein Versuch. Ziemlich gut versteckt wird darin der Anspruch formuliert, dass die Internet-Provider in Haftung für Urheberrechtsverstöße genommen werden können. Doch was hätte das zur Folge? Um nicht selbst zu haften, müsste etwa die Telekom als Internet-Provider den Datenstrom im Internet überwachen. Das wäre ein massiver Eingriff in die Privatsphäre und käme einem verdachtslosen großen Lauschangriff gleich. Und wozu? Um Urheberrechtsverstöße zu ahnden? Absurd.
„Ich habe keine abschließende Meinung dazu“, sagt Max Kidd, Schauspieler aus Schweinfurt. Sein erster Reflex sei, digitales Kopieren natürlich zu verbieten. Bei näherem Hinsehen sei ihm aber klar, dass dies keine Lösung sein könne. Und er bringt ein interessantes Beispiel. „Hangtime“, ein Kinofilm, in dem Max Kidd selbst die Hauptrolle spielt, sahen in den Kinos 50 000 Zuschauer. „Auf kino.to wurde der Film 200 000-mal heruntergeladen und 600 000-mal angeklickt“, erzählt Kidd. Gleichzeitig sei der Film, bei dem Sönke Wortmann Regie führte, von der Filmförderung und damit von Steuergeldern finanziert worden. „Die Menschen hatten bereits dafür gezahlt“, so Kidd. Zudem bezweifelt er, dass die Online-Zuschauer ins Kino gegangen wären, wäre der Film im Netz nicht zu sehen gewesen. „Und dann ist es mir lieber, der Film erreicht sein Publikum!“
Kidd hält es in der ganzen Diskussion für wichtiger, ein Bewusstsein für den Wert der künstlerischen Arbeit zu schaffen. „Bevor man gegen die Konsumenten und Fans gerichtlich vorgeht, sollte die Film- und Musikbranche Öffentlichkeitsarbeit betreiben und zeigen, dass bei einem Film ganz viele Menschen beschäftigt sind, nicht nur Schauspieler und Regisseure.“
„Das Urheberrecht versucht das Spannungsfeld zwischen dem Kulturschaffenden und dem Interessenten auszugleichen“, betont Werner Nied, Experte für Urheberrecht aus Würzburg. Aus seiner Sicht hat sich das geltende Urheberrecht bewährt, weil es insbesondere das geistige Eigentum des Urhebers schützt. Eine Reform hält er für wenig sinnvoll. „Die politische Debatte dazu verfolge ich nur am Rande, werden hier letztlich doch nur populistische Parteieninteressen wie die der Piraten oder Interessen von Lobbyisten verfolgt, die immer zulasten der Urheber gehen.“
Gleichwohl kritisiert er die Abmahnwut mancher seiner Kollegen, auch bei geringen Vergehen. 2008 habe der Gesetzgeber zwar eine Deckelung von Abmahnkosten auf 100 Euro bei geringen Vergehen ins Gesetz eingebaut. Die Frage, was ein geringes Vergehen sei, werde aber von den Gerichten unterschiedlich bewertet.
„Die Menschen müssten rechtlich mehr informiert sein, und eine eindeutige Rechtsprechung würde viele Probleme lösen“, betont Nied. „Wir warten sehnsüchtig auf ein BGH-Urteil, das Klarheit in Fällen schafft, ob zum Beispiel ein Vater als PC-Anschlussinhaber für illegale Down- und Uploads von Filmen, Musiktitel seiner Kinder haftet.“
Völlig anderes sieht dies Jürgen Neuwirth, Bezirksvorsitzender der Piratenpartei in Unterfranken. Er machte sich unlängst in einem Interview mit dieser Zeitung stark für eine Haushaltsabgabe auf Kulturgüter, die sogenannte Kulturflatrate. Trotz aller Bedenken auch innerhalb seiner Partei zur Realisierbarkeit des Modells sagte er: „Es ist kein optimales Modell, und wir sind offen für Kritik. Die Kulturflatrate würde die Situation aber allemal verbessern.“
Dass mit Filmen, Musik und Büchern im digitalen Markt auch erfolgreich und legal gehandelt werden kann, beweise gerade der Computerriese Apple mit seinem virtuellen Multimedia-Geschäft „iTunes“, betont Matthias Triebel. „Ein angemessener Preis, ein gutes Angebot und komfortable Bezahlmodelle wie eine private Film- oder Musik-Flatrate sind die besten Methoden, um den Markt der Raubkopien erfolgreich zu bekämpfen“, glaubt der 45-Jährige. Gleichzeitig müsse das Kino ein Erlebnis werden, das man eben nur im Kino und nicht zu Hause vor dem Flatscreen haben kann. Der Unternehmer aus Garstadt im Landkreis Schweinfurt setzt aber auch auf härtere Strafen, auch für jene, die im Internet Filme kostenlos ansehen. „Mir kann keiner erzählen, dass die nicht wüssten, dass ihr Tun illegal ist!“, betont er.
Parteien zum Urheberrecht
Um einen möglichst umfassenden Überblick über die Meinungen der Parteien zu gewährleisten, haben wir hier einige Aussagen aus den Parteiprogrammen und verschiedenen Positionspapieren der offiziellen Partei-Webseiten zusammengestellt.
CDU: „Das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft soll auch im Internet gelten. Deswegen lehnt der Arbeitskreis Netzpolitik die Einführung (...) einer pauschale Vergütung von Urhebern durch eine sogenannte Kulturflatrate oder einer Kulturwertmark ab. Die Rechtsdurchsetzung bei Urheberrechtsverstößen muss verhältnismäßig sein. Internetsperren sind dafür kein geeignetes Mittel. Anstelle einer kostenträchtigen Abmahnung könnten auch automatisierte und datenschutzneutrale Warnhinweise Nutzer auf ihr illegales Verhalten aufmerksam machen.“ Quelle: www.cdu.de
CSU: „Der Gesetzgeber muss ein Urheberrecht schaffen, das die kreativen Leistungen der Filmproduzenten anerkennt und die langfristige Verwertung von Filmen und Filmrechten in allen Verwertungsstufen ermöglicht. Nur so kann eine ausreichende Eigenkapitalisierung der Filmwirtschaft erzielt werden.“ Quelle: www.csu.de
Grüne: Bei den Grünen hält man eine „Kulturflatrate“ für einen erfolgversprechenden Ansatz. Diese könne als „Breitband-Abgabe“ über den Internet-Anschluss erhoben werden, findet Sepp Dürr, kulturpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen. Wie eine möglichst gerechte Verteilung der Zwangsabgabe aussehen könnte, ohne die von den Grünen eingeforderte Freiheit im Internet einzuschränken, soll nun eine Machbarkeitsstudie auf Bundesebene klären. Solche Ideen seien auch nicht perfekt, gibt Dürr zu: „Aber alles ist besser als der derzeitige Zustand.“ Die Landtags-Grünen versuchen derzeit Künstler, Vermarkter, Internet-Provider und Nutzer an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
SPD: Mit einem Kreativpakt, der Anbieter und Verwerter kreativer Dienstleistungen einbezieht, will die SPD Urheberrechte stärken, Entlohnung verbessern und soziale Sicherheit in einem von Flexibilität und Offenheit geprägten Berufsfeld ermöglichen. Quelle: www.spd.de
Piratenpartei: Die einzige einheitliche Position der Piraten zum Urheberrecht lautet: Freies Herunterladen für alle. Wie Künstler dann an ihren Verdienst gelangen sollen, ist unklar. Diskutiert werden verschiedene Modelle – von der Kulturflatrate, die einer Pauschalabgabe gleichkäme, über Crowdfunding, was Künstler zu Spendensammlern machen würde. Infos der Piraten zur Kulturflatrate: wiki.piratenpartei.de/Kulturflatrate
Die Linke: Die Linke will, dass für möglichst alle Gruppen von Urheberinnen und Urhebern verbindliche Vergütungsregeln vereinbart werden; dass die Leistungen professionell schöpferisch Tätiger angemessen vergütet werden und zugleich einen Ausgleich finden, damit nichtkommerzielle Nutzung und kreative Weiterverarbeitung möglichst wenig eingeschränkt werden. Sie fordert eine Anpassung des Urheberrechts.
FDP: Die Liberalen sagen, „das Urheberrecht hat in der digitalen Welt eine Schlüsselfunktion. Die FDP fordert deshalb die konsequente Weiterentwicklung des Urheberrechts zur weiteren Verbesserung des urheberrechtlichen Schutzes.“ Die Einführung einer „Kulturflatrate“ lehnt die FDP ab. Eine besondere Herausforderung bleibe die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen vor allem im Internet, denn die „Internetpiraterie“ ist eine existenzielle Bedrohung für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Quelle: www.fdp.de
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