Das Leben von vielen Menschen wurde in den letzten Jahren zunehmend digitaler und ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen. Doch was geschieht am Ende des Lebens mit all den Daten? Über die Jahre sammeln sich viele Spuren im Netz an: Profile bei sozialen Netzwerken, Registrierungen bei Online-Shops und -Auktionshäusern, Bilder in der Cloud, digitale Musik- und Büchersammlungen – von unzähligen E-Mail-Korrespondenzen ganz zu schweigen.
Nach dem Tod müssen die Angehörigen also unter Umständen nicht nur das weltliche Erbe verwalten, sondern auch das virtuelle. Eine Aufgabe, die sowohl auf juristische als auch auf technische Schwierigkeiten stößt. Falls Menschen überhaupt ihren Nachlass zu Lebzeiten regeln, wird das Digitale oft vergessen oder ausgeblendet. „Da besteht erheblicher Nachholbedarf, dafür Bewusstsein zu schaffen“, sagt Ralf Michal, Vorsitzender des Bestatterverbands Bayern aus Schweinfurt. Die Anzahl derer, die bei ihm nachfragen, wie sie mit dem digitalen Erbe von verstorbenen Angehörigen umgehen sollen, sei zwar noch gering, nimmt aber stetig zu.
Weltliche Werte im digitalen Netz
Es geht beim digitalen Nachlass nicht nur um ideelle Werte, wie persönliche E-Mails oder Bilder auf Fotoplattformen im Netz. Auch die Finanzen des Verstorbenen können betroffen sein. Viele Geschäfte im Internet werden rein virtuell abgewickelt – selten wird eine Registrierung ausgedruckt und abgeheftet. So läuft beispielsweise ein bezahltes Abonnement bei Streaminganbietern für Filme und Serien wie Netflix oder Maxdome ausschließlich über eine Online-Registrierung. Die Hinterbliebenen können ein laufendes Abonnement eventuell über die Kreditkartenabrechnung oder den Kontoauszug bei einem Lastschriftverfahren erkennen. Doch wenn die regelmäßigen Abbuchungen über ein Online-Konto wie Paypal getätigt werden, kann ein Abonnement über lange Zeit von den Erben unbemerkt weiterlaufen.
Wichtig für die Hinterbliebenen ist es also zu wissen, bei welchen Diensten und Plattformen im Internet der Verstorbene überhaupt angemeldet war. In den meisten Fällen hilft ein Blick in dessen E-Mail-Postfach, da solche Registrierungen eigentlich immer eine Mail-Adresse erfordern, an die beispielsweise Anmeldebestätigungen geschickt werden. Oft kann durch eine Zusendung des Erbscheins oder der Sterbeurkunde ein bestehender Vertrag aufgelöst oder das Konto beim Dienstanbieter zumindest stillgelegt werden. Um aber die Mails des Verstorbenen lesen zu können, müssen die Hinterbliebenen wissen, welche Mail-Adressen – es können ja auch mehrere sein – benutzt wurden. Und ohne die Zugangsdaten für die E-Mail-Konten können diese auch nicht genutzt werden. Bei Mail-Anbietern wie GMX oder Web.de kann man gegen Vorlage des Erbscheins Zugriff auf das Postfach bekommen und das Konto gegebenenfalls auch löschen.
Wem die Recherche nach den digitalen Spuren des Verstorbenen zu aufwändig ist oder daran scheitert, kann man ein Bestattungsunternehmen einschalten. „Die im Verband organisierten Bestatter beauftragen dann den Kooperationspartner Columba, zu ermitteln, wo der Verstorbene Nutzerkonten oder Profile im Netz hatte und bestehende Verträge zu kündigen oder zu übertragen“, sagt Ralf Michal. Eventuell gefundene Guthaben auf Online-Konten werden den rechtmäßigen Erben ausgezahlt.
Das digitale Erbe vorbereiten
Es ist ratsam, sich schon zu Lebzeiten mit dem Thema des digitalen Nachlasses zu beschäftigen. Dazu gehört auch die Überlegung, was mit den einzelnen Accounts und Daten nach dem Tod geschehen soll. Das kann man im Testament oder Vorsorgevollmachten regeln. Hier kann man festlegen, wer beispielsweise ein Internet-Forum oder den Youtube-Kanal weiterführen darf – oder wünschen, dass es komplett gelöscht wird. Auch lohnt es sich im Vorfeld, nicht mehr benutzte Nutzerkonten zu löschen, um den Hinterbliebenen nicht unnötig die Arbeit zu erschweren. Will man Nutzerkonten beispielsweise von Online-Spielen Hinterbliebenen gerne übertragen, sollte man vorher überprüfen, ob die allgemeinen Geschäftsbedingungen das überhaupt gestatten.
Zur digitalen Vorsorge gehört auch, den Erben die Zugangsdaten zu den genutzten Online-Diensten zu hinterlassen – so, dass sie auch gefunden und genutzt werden können. Bei Anbietern wie Facebook oder Google kann man mittlerweile festlegen, wem die Accounts dort nach dem Tod übertragen werden und was der Nachfolger damit machen darf.
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Zum digitalen Nachlass gehören nicht nur die Inhalte im Internet – auch Geräte wie der heimische Rechner, das Notebook oder Tablet gehören dazu. Die können wie alle Besitztümer normal vererbt werden, doch wenn die Geräte mit Kennwörtern gesichert sind, können die Erben nicht auf die Inhalte zugreifen. Sind die Rechner mit BIOS-Passwörter geschützt und das Kennwort nicht bekannt, muss man auf teuere Experten zurückgreifen, um den Computer nutzen zu können. Verschlüsselte Festplatte stellen fast unüberwindbare Hindernisse dar, wenn die Zugangsdaten nicht bekannt sind. Diese Sicherheitshürden können allerdings auch bewusst eingesetzt werden, wenn man nicht will, dass die Hinterbliebenen die Informationen auf den Computern sehen sollen.
Der Verbraucherzentralen Bundesverband (VZBV) startete von einem Jahr die Kampagne „Macht's gut“, um für das Thema des digitalen Nachlasses zu sensibilisieren. Auf der Webseite www.machts-gut.de findet man viele Tipps und Checklisten, wie man den eigenen digitalen Nachlass vorbereiten kann und woran Hinterbliebene denken sollten.