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STANDPUNKT
Ende der Netzneutralität
Wen will Neelie Kroes eigentlich vergackeiern? Sie plant das Ende der Netzneutralität und verkauft die Pläne als deren Verteidigung.
Glasfaserverbindungen
Foto: THINKSTOCK
Roland Schmitt-Raiser
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:32 Uhr
Die EU-Internetkommissarin sagt,sie wolle mit ihrer Richtlinie das offene und freie Internet verteidigen und gleichzeitig den Firmen erlauben, für schnelleres Internet mehr Geld zu verlangen. Das ist, als wolle man die Demokratie stärken und gleichzeitig das Recht auf freie Meinungsäußerung nur bestimmten Personengruppen gewähren.

Gut, der Wunsch der Telekommunikationskonzerne, mit ihren Angeboten mehr Geld zu verdienen, ist verständlich. Der Online-Markt und die Online-Anwendungen auch jenseits von Internet und E-Mail wachsen rasant. Gerade werden auf der IAA Autos vorgestellt, die zum Teil über die gleichen Leitungen kommunizieren wie Menschen via Facebook. Haustechnik, Waren-Logistik, Fuhrparkorganisation, Telefonie, TV- und Film-Angebote - alles läuft auf den gleichen Leitungen wie Youtube, Facebook oder mainpost.de. Und ein Verlag, der seine Druckdaten von München in die Druckerei nach Hamburg schicken möchte, würde es sich unter Umständen etwas kosten lassen, wenn die Bits und Bytes auf der Überholspur nur noch ein Zehntel der Zeit bräuchten.

Und schließlich verdienen Unternehmen, die die schnellen Leitungen nutzen Geld, von dem auch die Netzbetreiber etwas abhaben möchten. Nur dann muss man es auch klar sagen, was man da tut und die absehbaren Konsequenzen erklären. Sollten das EU-Parlament und die EU-Staaten dem Vorschlag von Neelie Kroes zustimmen, wäre dies das Ende der Netzneutralität und nicht dessen Verteidigung. Übertragen auf den Straßenverkehr würde es bedeuten, dass nurmehr jene Autos und LKW auf der Überholspur fahren dürften, die dafür bezahlt hätten.

Das, und damit sind wir bei den Konsequenzen, bevorzugt eher große Unternehmen, weil die sich die Zusatzgebühren schlichtweg eher leisten könnten. Kleine und mittelständische Firmen würden benachteiligt. Neu gegründeten Unternehmen erschwert man den Start, was zwangsläufig zu weniger Innovation und weniger Wettbewerb führt.

Noch offensichtlicher ist der Wettbewerbsvorteil, den die EU-Richtlinie den großen Telekommunikationskonzernen einräumt. Längst ist beispielsweise die Telekom ja kein reiner Netzanbieter mehr. Mit ihren Angeboten Entertain oder Musicload vertreibt der Bonner Konzern Inhalte wie sie auch etwa auf Youtube oder itunes angeboten werden. Während nun die Telekom ihre Inhalte quasi für Inhouse-Kosten auf die Überholspur schickt, müssen Apple, Google, Youtube oder auch kleine Anbieter von Filmen, Musik oder Nachrichten für ihre Vorfahrt zahlen.

Gewinner werden so oder so die Netzbetreiber sein, die ihren Markt weiter ausbauen und sich zum eigenen Inhalteanbieter weiterentwickeln. Einerlei wie man dies nun beurteilt, es als Verteidigung der Netzneutralität zu verkaufen, ist kokolores.
 
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