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Berlin
re:publica ist erwachsen geworden
Start der 10. Ausgabe der Digitalkonferenz re:publica       -  Whistleblower Edward Snowden sprach am Montag in Berlin auf der re:publica per Live-Schaltung mit dem Publikum.
Foto: Sophia Kembowski, dpa | Whistleblower Edward Snowden sprach am Montag in Berlin auf der re:publica per Live-Schaltung mit dem Publikum.
Andreas Kemper
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:04 Uhr

Gerade mal 700 Blogger und Computer-Nerds waren es, die 2007 in Berlin auf der ersten re:publica zusammenkamen. Soeben hatte Google das noch junge Start up YouTube gekauft, eine damals vielen noch unbekannte Plattform für Internet-Videos. Im Jahr zuvor war der Nachrichtendienst Twitter gegründet worden. Und erst im Jahr darauf ging Facebook mit einer deutschen Version live. Die re:publica, ein kuscheliges Familientreffen. Die Netzbewohner kannten ihre digitalen Nachbarn und man war sich einig in dem Ziel, die Welt ein bisschen besser, zumindest ein wenig transparenter, demokratischer und lebenswerter zu machen. Ein bisschen was von einem Familientreffen hat die re:publica immer noch, auch wenn aus ihr mittlerweile die größte und bedeutendste Digital-Konferenz in Deutschland geworden ist. Die Netzgemeinde feiert Geburtstag und sie feiert sich auch ein Stück weit selbst. 8000 Menschen haben sich für die zehnte re:publica angemeldet, die am Montag auf dem riesigen Areal eines ehemaligen Postbahnhofs in Berlin-Kreuzberg eröffnet wurde und noch bis Mittwoch dieser Woche dauert.

Die Blogger unter den Besuchern dürften mittlerweile klar in der Minderheit sein. Hinzugekommen sind die Medienleute und die Marketingmenschen, die Produktmanager aus Industrie und Handel, Kreative, Designer, Professoren und Studierende, alle, für die die Digitalisierung der Gesellschaft eines der zentralen Themen ist. Und dass diese Entwicklung mittlerweile fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erreicht hat, zeigt, dass 4000 von den 8000 Besuchern zum ersten Mal auf einer re:publica sind.

Neuer Bilderdienst

Die Digitalisierung geht jeden an – und die re:publica ist erwachsen geworden. Die Vielfalt der Themen, die auf den 17 Bühnen und größeren oder kleineren Foren diskutiert werden, ist schier unübersichtlich. 750 Redner aus mehr als 60 Ländern sind eingeladen, ihre Ideen zu präsentieren. Da erklärt ein 14-jähriger Schüler via Skype vor 500 Erwachsenen, wie Snapchat funktioniert, dieser neue Bilderdienst der derzeit in den USA und nun auch in Deutschland rasant wächst, vor allem unter den ganz Jungen.

Und nebenan erklärt Richard Sennett, 73-jähriger Starsoziologe aus den USA, warum er sein Konzept der „Offenen Stadt“ bedroht sieht durch die digitale Standardisierung von Verkehrslenkungssystemen, Systemen der städtischen Grundversorgung und der Überwachung.

Klar, dass auch die Politik diese Plattform nutzt, etwa EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger oder die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die am Dienstag die Diskussion über die Zukunft der Arbeit in der digitalen Gesellschaft suchte. Ein Höhepunkt des ersten Tages war die Live-Schaltung zu Edward Snowden. Der berühmteste Whistleblower der Welt betonte den Schutz der Privatsphäre auch und gerade als Grundlage für die Pressefreiheit. In dem wegen Überfüllung geschlossenen Konferenzraum gab es viel Applaus für Snowden.

Allgemein scheint die Stimmung eher verhalten. „Es ist uns nicht gelungen, die Welt in vollem Umfang zu einer besseren zu machen“, so Tanja Haeusler vom Organisationsteam. Die Hoffnung von 2007 ist der Ernüchterung gewichen. Und Haeuslers Kollege Markus Beckedahl sieht das „offene Netz“ bedroht und zwar nicht nur auf Grund der Überwachung durch NSA & Co.

, sondern vor allem auch durch die großen sozialen Plattformen, die immer weiter wachsen, und „die uns ihre Regeln vorgeben“.

Bei aller Ernüchterung: Ihren Optimismus lassen sich die Netzbewohner nicht nehmen. So rief der große deutsche Internet-Erklärer Sascha Lobo (der mit dem rot gefärbten Irokesenschnitt) vor vollem Haus das „Zeitalter des Trotzdem“ aus. Die Lage sei „eher so Mittel“, erklärte Lobo. Mit der Digitalisierung gehe es in Deutschland nur schleppend voran. Statt Glasfaser Funklöcher allerorten. Die Vorratsdatenspeicherung sei eingeführt. Gleichzeitig würden die großen Internet-Unternehmen versuchen, dass Netz immer weiter zu monetarisieren. Lobo sprach vom „Plattform-Kapitalismus“. „Trotzdem“ dürfe die Netzgemeinde nicht resignieren. Lobo: „Was wir brauchen, ist ein neuer, digitaler Gesellschaftsoptimismus: Das Netz ist die Gesellschaft, und die Gesellschaft ist das Netz.“

 
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