Diese Rolle wirkt wie ein Befreiungsschlag für Kristen Stewart. In ihrem neuen Film „Love Lies Bleeding” spielt die 34-Jährige eine queere Antiheldin, die zu viele Zigaretten raucht. Ihre Figur Lou ist bizarr, romantisch, cool - wie der Film selbst. „Love Lies Bleeding” ist ein mitreißender Noir-Thriller über zwei Frauen, die sich ineinander verlieben und dann ungeplant in eine Reihe von Gewalttaten verstrickt werden. Stewart kann darin neue Facetten ihrer Schauspielkunst zeigen - es ist ihre bis dato vielschichtigste Rolle.
Stewart: Habe Charaktere gespielt, an die ich nicht glaube
Ob in „Spencer” als Lady Di, in „Jean Seberg” als idealistische Schauspielerin oder als einer der „3 Engel für Charlie” - bisher verkörperte Stewart oft Figuren, zu denen viele aufschauten. „Ich habe eine Menge strebsame Charaktere gespielt, an die ich eigentlich nicht glaube”, sagte sie der dpa.
Ihre Figur in „Love Lies Bleeding” sei anders. Lou habe eine gewalttätige Familie, eine hasserfüllte Vergangenheit, beschreibt es Stewart - „und damit gute Gründe, Glück anderswo zu suchen - anstatt in sich selbst”. Stewart sagt, sie finde es gut, dass Lou den Blick nicht nach innen richte - weil die Vorstellung, dass das Glück in einem selbst liege, sowieso oft falsch sei.
Bislang spielte Stewart oft Frauen, die introvertiert, irgendwie verhuscht wirkten (etwa schon bei ihrem Durchbruch mit dem Vampirfilm „Twilight”). Auch das ändert sich mit „Love Lies Bleeding”. Die US-Amerikanerin kann nun auch ihre lustigen Seiten zeigen. Und ihre queeren: Der Film wurde bereits für seine erfrischende Darstellung von Sexualität gelobt.
Passend dazu posierte Stewart im „Rolling Stone”-Magazin mit Vokuhila und knappen, queeren Outfits: Zum Beispiel einem „Jockstrap” - einer Unterhose, die den Hintern freilässt und die ursprünglich von Männern beim Sport angezogen wurde. Das Fotoshooting ging viral.
Darum geht es in „Love Lies Bleeding”
In „Love Lies Bleeding” verkörpert Stewart die Managerin eines schäbigen Fitnessstudios. Der Film spielt 1989 in New Mexico. Als Lou trägt Stewart einen nachlässigen Vokuhila, abgeschnittene T-Shirts und lebt komplett zurückgezogen. Ihre Tage verlaufen unspektakulär, bis die wohnungslose Bodybuilderin Jackie (Katy M. O'Brian) auftaucht.
Jackie ist auf dem Weg nach Las Vegas, um an einem Bodybuilding-Wettbewerb teilzunehmen. Die beiden beginnen eine stürmische Beziehung. Lou hat den Kontakt zu ihrem Vater (Ed Harris mit grausig-schöner Perücke) abgebrochen, der in üble Verbrechen verstrickt ist.
Eigentlich will sie mit ihrer Vergangenheit abschließen, doch die Liebe zu ihrer Schwester Beth - die unter einem gewalttätigen Partner leidet - hält das Familienbündnis aufrecht. Als Beth von ihrem Freund krankenhausreif geschlagen wird, greift schließlich Jackie ein - mit schlimmen Folgen.
Nun setzt sich eine Verkettung brutaler Geschehnisse in Gang. Lou ist ab jetzt vor allem damit beschäftigt, die Spuren zu verwischen und ihre Freundin, die inzwischen voller Anabolika ist, zu besänftigen. Das Geschehen kippt ins Groteske, wird immer mitreißender und hat gleichzeitig viele lustige Momente. In einigen Szenen muss Stewart Filmleichen in Teppiche einrollen und vor allem immer wieder viel, viel Blut aufwischen.
Eigelb und aufgepumpte Körper
„Ich finde, dass der Film eine seltsame Kombination von Dingen ist, die normalerweise nicht zusammenpassen”, beschreibt es Stewart. „Lou ist normalerweise nicht der Star des Films. Das ist einfach nie der Fall. Wenn es so jemanden in einem Film gibt, ist sie normalerweise eine seltsame Nebenfigur.”
Auch visuell ist der Film der britischen Regisseurin Rose Glass besonders. Sie hat sich für viele eindrückliche Nahaufnahmen entschieden - von Eigelben, die im Müll zerrinnen (als Bodybuilderin isst Jackie nur das vermeintlich proteinreichere Eiweiß) oder von aufgepumpten Körpern, die sich bis ins Fantastische ausdehnen.
Für ihre Regie-Fähigkeiten wurde die 1990 geborene Glass schon bei ihrem Debüt, dem Horrorfilm „Saint Maud”, gelobt. Stewart hatte den Film gesehen und wollte daraufhin unbedingt mit Glass zusammenarbeiten. Für das Publikum ist es ein Glücksfall, dass die beiden zueinander gefunden haben.