Es sind verstörende Bilder einer blutigen öffentlichen Abrechnung im Boxring. Vor Millionen Zuschauern am Fernsehgerät treffen Muhammad Alis Fäuste mit größter Leichtigkeit immer wieder das Gesicht des sichtlich angeschlagenen Gegners: Ernie Terrell, „der Oktopus” genannt, kann seinen Kopf nur noch mit Mühe schützen.
„Wie heiße ich?”
Der Gigant tänzelt um seinen elenden Widersacher. „Wie heiße ich?”, brüllt Ali und schlägt zu. „Wie heiße ich?” Wieder ein vernichtender Schlag. „Wie heiße ich?” Nie hat Muhammad Ali einen Gegner mit solcher Verachtung gedemütigt wie Ernie Terrell im Februar 1967.
Was hatte „der Oktopus” getan? Er war als schwarzer Kämpfer für das weiße Establishment angetreten, um den Aufstieg eines schwarzen Neulings aufzuhalten. Terrell hatte sich demonstrativ geweigert, den Gegner mit dessen neu angenommenen Namen Ali anzureden.
Er nannte den Boxer wie die weiße Öffentlichkeit beim Geburtsnamen: Cassius Clay. Nach 15 Runden gewinnt Ali brutal seinen 28. Kampf - von 28 Kämpfen. Amerikas schwarze Jugend hat ein neues Idol.
Zu sehen ist das in der vierteiligen US-Doku „Muhammad Ali” auf Arte. Die Teile eins und zwei laufen am Sonntag (4. August) ab 22.45 Uhr. Am Montag (5. August) folgen ab 23.05 Uhr die Teile drei und vier. Die kompletten acht Stunden der Reihe aus dem Jahr 2021 stehen auch in der Arte-Mediathek.
Die Anfänge
Der 1942 geborene Afroamerikaner Cassius Clay hat zum ersten Mal als kleiner Junge ein Boxstudio betreten. Er will damals den Betreiber, einen Polizisten, nur um Hilfe bitten, weil ihm sein Fahrrad gestohlen wurde.
Stattdessen entdeckt Clay ein Lebensziel, das er nie aus den Augen verlieren wird: Er steigt vom Amateurboxer zum Olympiasieger von 1960 auf. Ein Syndikat aus weißen Geschäftsleuten finanziert die ersten Schritte seiner Karriere, um ihn von der Mafia fernzuhalten, die in den 50ern die meisten US-Boxer vereinnahmte.
Dennoch wird Cassius Clay, der großmäulig und fast immer zuverlässig die Runde seines Sieges voraussagt, irgendwann zu groß, um nicht anzuecken. 1964 staunt die Welt, als er gegen den haushohen Favoriten Sonny Liston den Weltmeistertitel im Schwergewichtsboxen erkämpft.
Er ist ein Genie an Selbstvermarktung und gaukelt einem Fotoreporter sogar vor, er trainiere unter Wasser. Doch als er zum Muslim wird, der „Nation of Islam” beitritt, seinen Namen ändert und nicht in den Vietnamkrieg ziehen will, gerät Ali ins Visier.
Der Kriegsgegner
Dabei geht es ihm ums Prinzip, einen Kampfeinsatz hätte ein Star wie er in Südostasien nicht zu fürchten gehabt. Solche Größen mussten in der Regel nicht an die vorderste Front, sondern tingelten zwischen Stützpunkten, um die Moral der Truppe zu heben. Doch er wolle eben nicht auf andere Nicht-Weiße schießen, sagt Ali der Presse. In den USA wird er ausgepfiffen, in Europa verehrt. Und seine illustre Weltkarriere ist noch lange nicht am Ende.
Der brillante amerikanische Dokumentarfilmer Ken Burns, der dem Arte-Publikum in episch langen Mehrteilern schon den amerikanischen Bürgerkrieg, den Vietnamkrieg und die Bedeutung des Bisons erklärt hat, hat sich 2021 die größte Box-Legende des 20. Jahrhunderts vorgenommen und damit ein weiteres TV-Juwel geschaffen.
Noch nicht genug bekommen?
Muhammad Ali wird in vier Runden vorgestellt, die je zwischen eineinhalb und zwei Stunden lang sind und in einer wahren Bilderflut dem 2016 gestorbenen Weltstar, Ausnahmeboxer und Selbstdarsteller ausgesprochen nahekommen. Unterlegt ist das kleine Meisterwerk mit spitzenmäßiger Black Music. Wer von diesem Ausnahmetalent nicht genug bekommt: Am Sonntag um 20.15 Uhr läuft der Spielfilm „Ali” (2001).