Burghart Klaußner gilt als einer der wichtigsten Charakterdarsteller der Republik – und ist dabei weltweit renommiert. Er prägte einige Haupt- und Titelrollen nachhaltig, etwa in Filmen wie dem preisgekrönten Kindheitsdrama „Das weiße Band” (2009), in den zeithistorischen Werken „Elser – Er hätte die Welt verändert” und „Der Staat gegen Fritz Bauer” (beide 2015) oder auch der zweiteiligen TV-Biografie „Brecht”. Ebenso wirkte er in Steven Spielbergs „Bridge of Spies” (2015) und der international Furore machenden royalen Fernsehserie „The Crown” mit (2017). Am kommenden Freitag (13. September) wird der in Hamburg lebende Berliner Gastronomen-Sohn 75 Jahre alt.
Dabei ist der vielfach ausgezeichnete Klaußner – auch im Theater ein Star – ein wesentlich facettenreicherer Künstler. Er führt Regie, hat unzählige Hörbücher eingelesen, gastiert samt Band als Sänger mit Charles-Trenet-Chansons sowie mit der musikalischen Reisegaststätte „Zum Klaußner”, in der Songs von Friedrich Hollaender bis Tom Waits erklingen. Dazu schreibt er – nach „Vor dem Anfang” (2018) - am zweiten biografisch inspirierten Roman, der 2025 erscheinen soll. Ein mögliches unterschwelliges Motiv für all das: seine „allgemeine Herzens- und Menschenbildung”, wie Klaußner es im dpa-Gespräch in Hamburg formuliert.
Denn die zählt für den erklärten Melancholiker und „Geschichtsversessenen” mit Neigung zum Philosophieren. Und ergebe sich durch künstlerisches Schaffen per se. „Jeder Mensch, der sich kreativ betätigt, tut etwas für seine seelische Gesundheit. Und damit indirekt auch etwas für andere Menschen”, sagt der früher unter Kollegen manchmal als „anspruchsvoll” verschriene Klaußner. Selbst wenn man mit Kunst nicht gleich die ganze Welt retten könne - dafür seien dann doch andere zuständig. „Kunst ist eben ein menschliches Maß”, sinniert der 74-Jährige. Und erkennt in der Melancholie einen Antrieb dafür: „Das wissen wir schon aus der Renaissance – da war die Melancholie als Quelle von Schöpfertum anerkannt.”
Trotz Melancholie: Liebe zum Heiterem
Dennoch zieht es den seit fast 50 Jahren verheirateten Vater zweier Söhne – Johannes (38) ist ebenfalls Schauspieler – und Großvater zweier Enkel gleichwohl zum Heiteren und Schönen. „Ich möchte als Künstler auch Schönheit schaffen - und Form. Schönheit ist eine Kategorie, die gerade bei uns in Deutschland oft nicht genügend gewürdigt ist. Ich glaube aber, sie wirkt durchaus als Korrektiv – selbst, wenn es ein problematischer Begriff ist, den man sogar missbrauchen kann”, meint Klaußner. Und er erklärt: „Für mich liegt darin eine utopische Qualität, etwas Heilendes - eine Art der Beheimatung und der Geborgenheit.” Und zur Hervorbringung von Schönheit sei eben die klare, einfache Form sehr geeignet.
Nach wie vor ist Klaußner, privat ein leidenschaftlicher Ostsee-Segler, vielfältig beschäftigt. Gerade kehrte er von Lesungen unter anderem mit Rilke-Briefen von den Salzburger Festspielen zurück. Davor standen die Dreharbeiten für den ZDF-Film „Ein Tag im September” des Regisseurs Kai Wessel („Ramstein”) über die historische Begegnung von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und Staatspräsident Charles De Gaulle 1957 in Colombey-Les-Deux-Églises - die Begründung der deutsch-französischen Freundschaft. Klaußner spielt den damals sehr verehrten Alten von Rhöndorf. Derzeit probt er Shakespeares „Lear” im Schauspielhaus Düsseldorf – Premiere am 1. Februar 2025. Und er beendet sein Buch, das die Erlebnisse eines jungen Mannes im Berlin der politischen Umbruchzeit um 1968 schildert. „Die positiven und die negativen Aspekte”, betont der Autor. Und verspricht schon mal „eine scharfe Abrechnung mit vielem, was passiert ist.”
Früher oft „unbotmäßig”
Dass seine mit zunehmendem Alter immer hochkarätiger geratene Karriere erst relativ langsam Fahrt aufgenommen hat, liegt nach Klaußners Ansicht wohl an der „Unbotmäßigkeit”, mit der er sich früher oft unbeliebt gemacht habe. Dadurch habe er aber auch Zeit zum künstlerischen Reifen gewonnen - und das Durchhalten zu lernen. In Berlin hatte er 1969 ein Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft aufgenommen, wechselte aber noch im selben Jahr an die Max-Reinhart-Schule für Schauspiel. Erste Engagements bekam er etwa an der Schaubühne am Halleschen Ufer, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg sowie in Frankfurt/Main, Bochum und Zürich. Frühe Kino-Erfolge waren „Rossini” (1996), „Crazy” (2000) und „Good Bye, Lenin!” (2003).
Und wie steht der Künstler zum Älterwerden? „Hauptwunsch ist natürlich, gesund zu bleiben. Innerlich fühle ich mich sowieso zeitlos”, antwortet Klaußner nach einigem Nachdenken. „Ich beschäftige mich mit dem Thema, wie es nötig ist - nicht mehr. Aber ich versuche zu lernen, wie man stirbt. Das muss man eigentlich jeden Tag lernen. Aber wo? Wo ist die Sterbeschule? Denn es ist ja unvermeidlich, dass es uns erwartet, das große unbekannte Land. Und im Gegensatz zu anderen Dingen ist es zu wenig im Blick.” Doch selbst in diesem Zusammenhang tritt Klaußners lebensfrohe Seite zutage. „Zuvor sollte man möglichst viel genießen - ich bin genusssüchtig”, sagt er. Und ergänzt: „Wichtiger als über Probleme nachzudenken, ist es, Projekte zu schmieden.”