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Rom
„Die Villa der Architektin”: Eine Frau schreibt Geschichte
Rom im 17. Jahrhundert war eine harte Stadt zwischen Prunk und Elend - und dominiert von Männern. Da ist Plautilla Bricci eine Ausnahme: Sie wird Europas einzige Barock-Architektin.
dpa
 |  aktualisiert: 25.09.2024 02:39 Uhr

Prachtvolle Kunst, überbordender Prunk und bedrückendes Elend: In ihrem historischen Roman „Die Villa der Architektin” schildert die italienische Autorin Melania G. Mazzucco das Rom des 17. Jahrhunderts in seiner ganzen Widersprüchlichkeit. Die Stadt erlebt in dieser Zeit einen Bau-Boom und wächst im barocken Glanz. Mächtige Männer hofieren andere mächtige Männer und schieben sich prestigeträchtige Aufträge zu.

Frauen führen in dieser Zeit hingegen ein Leben im Verborgenen. Neben dem Gebären von Kindern müssen sie still, unsichtbar und sittsam sein. Diesem archaischen Rollenbild will die Römerin Plautilla Bricci (1616-1705) entkommen, und sie entpuppt sich als absolute Ausnahmeerscheinung: Sie wird die erste Frau, die den Beruf des Architekten praktizierte. Mazzucco widmet sich in ihrem 2019 auf Italienisch erschienenen Buch Briccis Revolution. Nun kommt „Die Villa der Architektin” auf Deutsch übersetzt von Karin Fleischanderl heraus.

Ehrenmitglied in prestigeträchtiger Künstler-Akademie

Als 13-Jährige malte sie ein Altargemälde - die „Madonna mit Kind” - und erlangte als erst vierte Frau, die in Rom um ein solches Bild gebeten wird, in ihrer Heimatstadt Ruhm. Für die Zeit ungewöhnlich lehrte sie ihr Vater, ein Maler und Komödiendichter, und führte sie in die Welt der Kunst ein. Später wird sie sogar Ehrenmitglied der Accademia di San Luca, einer 1577 gegründeten Künstlervereinigung. Ihre wahre Berufung ist jedoch die Architektur.

In der Accademia di San Luca arbeitete sie mit dem Bildhauer Gian Lorenzo Bernini und pflegte mit dem umtriebigen Abt Elpidio Benedetti eine Freund- und Liebschaft. Der Kunstagent des Kardinals Jules Mazarin und später Ludwig XIV. erteilte ihr mehrere Aufträge.

Kapelle in Kirche und pompöse Villa

Mit Benedettis Hilfe konnte sich Bricci als Architektin verwirklichen: In der Kirche San Luigi dei Francesi unweit der Piazza Navona hat sie eine barocke Kapelle gestaltet. Ihr wichtigstes Werk als Architektin ist aber die Villa Benedetta auf dem Gianicolo-Hügel in dem Viertel Trastevere von 1663. Wegen ihrer Form wurde die Villa „Il Vascello” (zu Deutsch: „Das Schiff”) genannt. 1849 wurde sie während der französischen Belagerung Roms zerstört.

Wie beispiellos Briccis Wirken im Bereich der Architektur war, der traditionell Männern vorbehalten war, zeigt ihre selbst gewählte Berufsbezeichnung. Sie lässt sich in einer Urkunde über die Villa Benedetta finden: „architettrice” - eine weibliche Form des normalerweise im Maskulinum benutzten Wortes für Architekt im Italienischen, die es weder damals noch heute gibt. Damals gab es nur den „architetto” und heute auch noch die „architetta”. Briccis Wortneuschöpfung setzte sich über die Jahrhunderte aber nicht durch.

Literarisches Denkmal einer außergewöhnlichen Stadt - und Frau

Mazzucco führt in ihrem lesenswerten Buch durch ein Rom, das man sich heute kaum mehr vorstellen kann: Eine harte Stadt zwischen Glanz, Intrigen, Gewalt und Elend. Man gewinnt Aufschluss über Sehenswürdigkeiten, an denen heute unzählige Touristen Schlange stehen. So etwa über Umbauarbeiten am Petersdom oder die Überlegungen, eine gewaltige Treppe im Zentrum Roms zu bauen, die heute als Spanische Treppe bekannt ist. Gleichzeitig setzt Mazzucco der lange in Vergessenheit geratenen Plautilla Bricci ein literarisches Denkmal.

 
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