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Zugunglück
Umweltkatastrophe in Ohio: Trump wärmt sich am giftigen Feuer
Die Umweltkatastrophe nach einem Zugunglück in Ohio ist zum Politikum geworden. Die Menschen vor Ort seien von der Biden-Regierung vergessen, wettert Trump nun.
Ehemaliger US-Präsident Trump Ohio       -  Ex-US-Präsident Donald Trump bei seinem Besuch der Feuerwehr von East Palestine, wo Anfang Februar ein mit Chemikalien beladener Güterzug entgleiste.
Foto: Matt Freed, AP/dpa | Ex-US-Präsident Donald Trump bei seinem Besuch der Feuerwehr von East Palestine, wo Anfang Februar ein mit Chemikalien beladener Güterzug entgleiste.
Karl Doemens
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:07 Uhr

Unter seiner blauen Anzughose lugten derbe Lederstiefel hervor. Auf dem Kopf thronte ein rotes "Make-America-Great-Again"-Käppi. "Sie haben nichts für Euch getan", rief Donald Trump den Zuhörern in der örtlichen Feuerwache zu: "Aber wir stehen Euch bei!" Dann ließ er ein paar tausend Flaschen Wasser verteilen. Einige hatten ein edles blaues Etikett mit einem Fantasiewappen. "Passt auf, dass Ihr das Trump-Wasser bekommt", riet der Ex-Präsident: Das andere habe "eine sehr viel schlechtere Qualität". 

Der hastig organisierte Kurzbesuch von Trump in dem von einer Umweltkatastrophe heimgesuchten Ort East Palestine in Ohio am Mittwoch hatte alle Merkmale einer politischen Publicity-Show. Stundenlang mussten seine Anhänger im Regen ausharren. Die Schulen blieben geschlossen, um die Straßen für die Wagenkolonne des republikanischen Präsidentschaftskandidaten freizuhalten. 

Für die Hintergründe des desaströsen Unglücks, bei dem vor drei Wochen ein 2,8 Kilometer langer Güterzug mit 150 Waggons voller giftiger Chemikalien entgleist, teilweise in Brand und anschließend kontrolliert abgefackelt worden war, interessierte sich Trump eher wenig. Dafür besuchte er eine McDonald's-Filiale, um sich vor laufenden Kameras für den Rückflug demonstrativ mit Hamburgern einzudecken. "Ich kenne die Speisekarte besser als alle anderen hier", brüstete er sich. Zum Abschied rief er den Wartenden zu: "Habt viel Spaß!" 

Nun will auch der Verkehrsminister an den Ort der Katastrophe kommen

Doch trotz dieser bizarren Szenen bereitet der populistische PR-Gag des Ex-Präsidenten der Biden-Regierung heftige Kopfschmerzen. Kurz nach dessen Bekanntwerden kündigte Verkehrsminister Pete Buttigieg für diesen Donnerstag ebenfalls einen Besuch in dem Katastrophen-Ort an. Präsident Joe Biden versicherte den Einwohnern über Twitter, dass sie seine Unterstützung hätten. Und das Weiße Haus betonte, Biden habe aus Warschau mehrere Telefonate mit den Gouverneuren von Ohio und dem Nachbarstaat Pennsylvania sowie mit dem Chef der Umweltbehörde EPA, Michael Regan, geführt, um über die Situation auf dem Laufenden zu bleiben. 

Ob das reicht, den Unmut vor Ort einzufangen, ist fraglich. Bei der Verbrennung der krebserregenden Chemikalie Vinylchlorid war Anfang des Monats nämlich ein gewaltiger schwarzer Rauchpilz aufgestiegen, und die giftigen Gase Chlorwasserstoff und Phosgen wurden freigesetzt. Seither klagen viele der 5000 Bewohner von East Palestineüber Augenreizungen, Kopfschmerzen und Übelkeit. Im Ohio-River und seinen Zuflüssen wurden tausende tote Fische gefunden. Im Internet kursieren Bilder von verendeten Haustieren und Füchsen, die angeblich seit dem Unfall gestorben sind. 

Die Rede ist von einem "Tschernobyl in Ohio"

Zwar haben Messungen der EPA weder in der Luft, noch im Wasser, noch in einigen hundert Häusern gefährliche Konzentrationen von Giftstoffen festgestellt. Doch in der Bevölkerung herrscht große Verunsicherung über mögliche Langzeitfolgen und eine Vertrauenskrise gegen die Politik, die sich lange nicht um diese ländliche Gegend gekümmert hat. Dazu trug auch bei, dass renommierte US-Medien zwei Wochen lang nicht über die Umweltkatastrophe berichteten. Umso dramatischer wurde der Vorfall in rechten Internetforen und beim rechten Sender Fox News zu einem "Tschernobyl in Ohio" dramatisiert. 

Vor diesem Hintergrund fällt Trumps Botschaft auf fruchtbaren Boden. "Ihr seid vergessen!" rief er den Zuhörern zu. Hinter ihm stand Trent Conaway, der örtliche Bürgermeister, der den derzeitigen Präsidenten Biden vor wenigen Tagen scharf angegriffen hatte: "Wir sind ihm egal", kritisierte er dessen Kiew-Besuch: "Er gibt den Menschen dort drüben Millionen Dollar, nicht uns. Ich bin wütend." Das ist das Narrativ, das seit Tage auch von Fox News bedient wird. 

Tatsächlich hat die Regierung rasch Fachleute an den Unglücksort geschickt, den Vorfall aber extrem technokratisch behandelt. Verkehrsminister Buttigieg erklärte ausdrücklich, er wolle sich aus der Sache heraushalten, solange die Ermittlungen zur Unglücksursache liefen. Auch EPA-Chef Regan ließ sich erst nach zwei Wochen persönlich vor Ort blicken. "Ich hätte früher darüber reden können, wie stark mich dieser Vorgang berührt", gestand Buttigieg nun in einem Fernsehinterview ein. Ansonsten versucht er, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Profitgier des Eisenbahnunternehmens Norfolk Southern und auf die von der Trump-Regierung gelockerten Sicherheitsvorschriften zu lenken. Die um ihre Zukunft bangenden Einwohner von East Palestine dürfte das weniger interessieren.

 
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