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Gefährliches Gewitter: Was ist eine Superzelle?
Superzellen gehören zu den größten und gefährlichsten Gewittergebilden, die es gibt. Ein Experte des Deutschen Wetterdienstes erklärt, wie sie zustande kommen.
Gewitter über Melsungen.jpeg       -  Eine Superzelle ist mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Dafür wird ein Wetterradar benötigt, wie Guido Wolz vom Deutschen Wetterdienst erklärt.
Foto: Fabian Stoffers, dpa (Archivbild) | Eine Superzelle ist mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Dafür wird ein Wetterradar benötigt, wie Guido Wolz vom Deutschen Wetterdienst erklärt.
Laura Gastl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:22 Uhr

Sommerzeit ist Gewitterzeit. Da ist häufig auch von der "Superzelle" die Rede, die nicht selten mit schlagartigen Überschwemmungen und zerstörten Baumbeständen einhergeht. Doch was genau bedeutet der Begriff eigentlich? Guido Wolz vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in München erklärt das Phänomen.

Was ist eine Superzelle?

"Superzellen sind die größten und gefährlichsten Gewittergebilde, die man sich vorstellen kann", sagt der DWD-Meteorologe. Sie können massive Auswirkungen haben: Starkregen mit 60 bis 80 Litern in einer Stunde sind keine Seltenheit, genauso wie Hagelkörner, die mitunter bis zu fünf Zentimeter groß sind. Zudem können Orkanböen mit über 140 Kilometern pro Stunde entstehen und auch Tornados sind nicht auszuschließen. Auf horizontaler Ebene kann eine Superzelle 20 bis 50 Kilometer groß sein. Außerdem ist sie sehr langlebig. Es kann mehrere Stunden bis zu einem halben Tag dauern, bis sie zerfällt. "Normale" Gewitter– Einzelzellen- oder Multizellen-Gewitter – hingegen sind deutlich kleiner und "leben kürzer".

Wie entsteht eine so heftige Gewitterform?

Für die Entstehung einer Superzelle sind mehrere "Zutaten" in der Atmosphäre notwendig, wie es Guido Wolz ausdrückt. Zum einen muss die Luft labil geschichtet sein: Das heißt, mit der Höhe nimmt die Temperatur stark ab. Zum anderen muss "der Feuchtegehalt in der Luftmasse sehr hoch sein". Beide Faktoren bestimmen, wie viel Energie und somit Gewitter-Potenzial vorhanden ist. Weiterhin benötigt werden sogenannte "Hebungsprozesse": Wenn zum Beispiel eine Kaltfront eine deutlich wärmere Luftmasse verdrängt, wird diese gehoben und es können sich Schauer und Gewitter bilden. Zusätzlich muss die Atmosphäre "eine hochreichende Windscherung" aufweisen. Hierbei ist auch die Richtungsänderung des Windes mit der Höhe eine wichtige Voraussetzung. "Diese bewirkt dann im Reifestadium einer Gewitterzelle zu einer Superzelle, dass es zu einer Eigenrotation der Gewitterzelle kommt."

Kann mit dem bloßen Auge eine Superzelle von einer "normalen" Gewitterzelle unterschieden werden, wenn sie aufzieht?

"Als Laie ist es kaum möglich, so eine Superzelle zu identifizieren", sagt der DWD-Experte. Dafür werde ein Wetterradar benötigt. Für Nicht-Meteorologinnen und -Meteorologen können erst die schwerwiegenden Folgen auf eine Superzelle hindeuten. Dennoch können auf kleinem Raum enorme Unterschiede bestehen. Heißt: Wenn ein solch massiver Gewitterkomplex über ein Gebiet zieht, bedeutet das noch nicht, dass überall Starkregen, große Hagelkörner und Orkanböen auftreten.

Lässt sich eine Superzelle frühzeitig vorhersagen?

Hoch aufgelöste Modelle zeigen einige Tage im Voraus, ob die Bedingungen für die Entstehung von Superzellen gegeben sind. Doch das tatsächliche Verhalten lasse sich anhand der Radarauswertungen nur kurzfristig prognostizieren. Denn in kürzester Zeit kann sich das Gebilde, das extreme Energien aufweist, wandeln – es kann sich abschwächen, schnell stärker werden oder die Richtung ändern. Guido Wolz fasst es so zusammen: "Das ist ein sehr brodelnder und dynamischer Prozess, der da stattfindet." Trifft es eine Region mit voller Wucht, kann das massive Folgen haben: verletzte Personen, Schäden an Autos, zertrümmerte Dächer.

Ist das ein neues Phänomen?

Das Phänomen selbst, genauso wie seine Bezeichnung als Superzelle, ist nichts Neues. Doch die Instrumente der modernen Radartechnologie, die ein solch extremes Gewittergebilde erkennen können, gebe es noch nicht so lange, "erst seit wenigen Jahrzehnten", erklärt Wolz. Dementsprechend haben sich Superzellen früher genauso entwickelt, doch sie wurden noch nicht als solche identifiziert.

Werden Superzellen mit der Erderwärmung häufiger?

"Das kann man so nicht sagen", antwortet Guido Wolz. Doch die Gefahr sei gegeben, denn das Potenzial mit höheren Luft- und Wassertemperaturen sei vorhanden. "Dadurch wird das Feuchtigkeitsangebot und schließlich das Energieangebot in der Atmosphäre erhöht." Doch um einen tatsächlichen Trend festmachen zu können, müsste eine Zeitspanne von 30 Jahren beobachtet werden. Dann ist von einem "klimatologischen Referenzzeitraum" die Rede. Weil aber die Technologie zur Erkennung einer Superzelle noch nicht so lange besteht, können nach Einschätzung von Wolz noch keine fundierten Aussagen dazu getroffen werden, ob diese heftige Gewitterform mit dem Klimawandel wirklich zunimmt.

Wann und wo gibt es diese extremen Gewittergebilde?

In Deutschland kommen Superzellen genauso wie andere Gewitter vor allem im Frühling und im Sommer vor, deutlich seltener im Herbst und im Winter. Häufig sind sie in Nordamerika oder in den Tropen nahe des Äquators, wo es keine Jahreszeiten gibt. In der Sahara wiederum kämen sie nur sehr selten vor, so Wolz. Denn hier sei es zwar heiß, aber zu trocken.

 
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