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Neuhausen
Bundesweit bekannter Fahrrad-Aktivist "Natenom" stirbt bei Fahrradunfall
Jahrelang kämpfte Andreas Mandalka für mehr Sicherheit von Fahrradfahrern. Sein Blog war bundesweit bekannt. Das Leben des Mannes endete tragisch.
Ulrike Bäuerlein
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:12 Uhr

Er hatte an seinem Fahrrad eine Schaumstoff-Schwimmnudel als Abstandshalter. Das machte Andreas Mandalka im Raum Pforzheim bekannt. Bundesweit machte er sich aber einen Namen, weil er Aktivist für mehr Sicherheit von Radlern im Straßenverkehr war. Auf seinem Blog unter dem Namen „Natenom“ dokumentierte er regelmäßig Informationen, Erlebnisse, Fotos und Videos mit gefährlichen Szenen auf der Straße. Er meldete den Behörden Gefahrenstellen, beseitigte sie auch selbst. Er fuhr mit dem Rad mitten auf der Fahrbahn, wenn er nicht gefährlich überholt werden wollte, forderte vehement die Abstandsregel ein. Und er zeigte andere Verkehrsteilnehmer immer wieder bei der Polizei an.

Am letzten Dienstag im Januar starb der 43-Jährige abends auf einer Landstraße im Enzkreis zwischen den Ortschaften Neuhausen und Schellbronn, nur ein paar Kilometer von seinem Pforzheimer Wohnort entfernt. Das Fahrzeug eines von hinten kommenden 77-jährigen Autofahrers war mit Mandalka, der auf dem Fahrrad die unbeleuchtete, nasse Landstraße befuhr und laut Polizei Warnweste und Helm trug, kollidiert. Mandalka starb noch an der Unfallstelle, die Umstände des Unfalls werden noch untersucht. Bilder des zerbeulten Fahrrads und des Autos mit beschädigter Front und zersplitterter Windschutzscheibe kursieren im Netz. Seitdem tobt ein Deutungskrieg darüber, wer „Natenom“ war.

War "Natenom" ein unerschrockener Held oder ein Rechthaber, der andere provozierte?

Es gibt kein Foto von Andreas Mandalka im Netz, er achtete streng auf Daten- und Persönlichkeitsschutz, bei sich und anderen. Bekannte beschreiben ihn als großen, kräftigen Mann mit blondem Zopf, ein Mann, der Fremden gegenüber sehr zurückhaltend, ja verschlossen gewesen sei. War „Natenom“ ein stiller und unerschrockener Held, der sich gewissenhaft für das Gemeinwesen einsetzte und nebenher noch Berge von Müll aus der Landschaft sammelte – oder ein Rechthaber, der sich und andere Verkehrsteilnehmer durch seine Art gefährdete, provozierte und aggressiv auf Ansprache reagierte? Beide Versionen kursieren eine gute Woche nach seinem tragischen Tod.

Die erste vor allem im Netz und bei seinen Weggefährten vom Fahrrad-Verkehrsclub ADFC. Beim Landesverband und bei der Ortsgruppe Pforzheim/Enzkreis ist der Schock groß. „Er hat sich sehr viel eingebracht, war ein lieber Mensch, der sich sehr gewissenhaft für die Gesellschaft und für andere engagiert hat, kannte alle Regeln und Gesetze sehr gut“, sagt Marthe Soncour, im Vorstand des örtlichen ADFC für Radverkehrspolitik zuständig. „Jeder hier hat ihn gekannt. Viele haben gesagt: Er hat provoziert. Das hat er aber nicht. Er hat nur den Platz in Anspruch genommen, der ihm zustand im Verkehr. Das hat viele Leute gestört.“ Der ADFC sammelt jetzt Spenden für die Beerdigung, das Geld soll „Natenoms“ Angehörigen zukommen, auch für einen möglichen Rechtsstreit. „Die Beteiligung hat uns überwältigt, wir haben seine Bekanntheit im Netz völlig unterschätzt“, sagt Soncour. 

Auch für Katharina Mittmann, eine Radfahr-Bekannte aus Pforzheim, war der Unfall ein Schock. „Er lebte für das Fahrradfahren und das Bloggen, das war sein Beruf und seine Berufung“, sagt sie. Sie berichtet aber auch, dass sie vor Ort direkte Anfeindungen gegen ihn mitbekommen habe – aus ihrer Ortsgruppe des Schwarzwaldvereins sei sie deshalb ausgetreten, weil über Mandalka und seine Präsenz auf den Straßen mit dem Fahrrad samt quer befestigter Schaumstoff-Schwimmnudel böse hergezogen worden sei. „Für mich war er ein Vorbild, weil er kein Mitläufer war. Er war einfach er selbst“, sagt Mittmann. 

Wer die Schuld trägt an "Natenoms" Unfall, ist noch nicht geklärt

Die andere Version über „Natenom“ kursiert vor allem rund um Mandalkas Wohnort in Pforzheim und Neuhausen. Auch dort ist man schockiert, aber auch über den Tenor der Netzkommentare und Berichterstattung. Wer herumfragt, bekommt mehrfach die gleiche Antwort – aber findet niemanden, der sich damit namentlich zitieren lassen will. „Alle haben ihn gekannt, alle haben ihn gehasst, alle hat er provoziert, alle hat er angezeigt“, sagt ein Rentner, der am Ortseingang von Schellbronn wohnt. Mandalka sei kein Märtyrer, sondern ein Provokateur gewesen. Deshalb sei er auch aus Prinzip nicht auf dem Radweg parallel zur Straße gefahren, sondern habe den Verkehr auf der Landstraße ausgebremst. Auch den 77-jährigen Unfallverursacher und dessen Familie kenne jeder im Ort, einen Mann, der im Ehrenamt engagiert sei und schwer am tragischen Geschehen leide. Und der Ort mit ihm. 

„Es war ein ganz tragischer Unfall“, sagt Bürgermeisterin Sabine Wagner. Mehr sagt sie nicht. Sie appelliert nur daran, die Klärung der Schuldfrage den Behörden zu überlassen und nicht aus der Entfernung Urteile zu fällen. Denn sie weiß, was bei den Bürgern im Ort kursiert, und was bei den Aktivisten im Netz. Und dass beides nicht zusammenpasst.

 
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