
Ein bisschen Napoleon, ein bisschen Berlusconi – wenn Luigi Brugnaro einmal in Fahrt kommt, dann kann ihn kaum jemand stoppen. Neulich war das zu sehen, als der Bürgermeister Venedigs der internationalen Presse die neue Zugangsgebühr erläuterte, die ab diesem Donnerstag in der Lagunenstadt zu entrichten ist. Tagestouristen müssen sie an insgesamt 29 ausgewählten Tagen des Jahres 2024 bezahlen und sich für einen Stadtbesuch anmelden. Es ist ein großes Experiment, das den Ansturm auf die Stadt bremsen soll, in der sich an manchen Tagen 100.000 Besucher gleichzeitig drängeln. Brugnaro, 62 Jahre alt, gelernter Architekt, ist der Leiter dieses Feldversuchs.
Die Sache mit der Zugangsgebühr ist nicht nur für Venedig-Besucher relevant. Bürgermeister aus der ganzen Welt haben sich in den vergangenen Wochen bei Brugnaro gemeldet, um zu erfahren, wie Venedig den Massentourismus in den Griff bekommen will. Den gibt es schließlich nicht nur in der Lagunenstadt. Den Vorwurf, Venedig wolle vor allem Kasse machen, versucht er zu entkräften. „In den ersten beiden Jahren zahlen wir drauf“, behauptet er und verweist auf den vergleichsweise günstigen Ticketpreis von fünf Euro. Zwei Jahre soll auch die Experimentierphase dauern. Anschließend könnte der Preis steigen oder variieren.
Auch Hotelgäste oder Pendler in Venedig brauchen ein Ticket, das aber kostenlos ist
Stand heute müssen nur Tagestouristen über 14 Jahre bezahlen und sich dafür auf einem speziellen Portal registrieren (www.cda.ve.it). Auch Hotelgäste oder Pendler brauchen ein Ticket, das aber kostenlos ist. „Wir wollen die Stadt nicht absperren, sondern verhindern, dass sie explodiert“, sagt der 62 Jahre alte Unternehmer und Eigentümer des lokalen Basketball-Profivereins. Seit 2015 ist er als Bürgermeister im Amt, damals startete er noch im Namen der Berlusconi-Partei Forza Italia, von der er sich inzwischen losgesagt hat. 2020 wurde Brugnaro mit 54 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
Der Bürgermeister steht nicht nur wegen des Zugangstickets im Fokus der Weltöffentlichkeit. Als die Unesco Venedig wegen der Folgen des Massentourismus auf die Liste der gefährdeten Weltkulturerbe-Stätten zu setzen drohte, reiste Brugnaro zur Anhörung nach Paris. Jenes „Verhör“ sei „schlimmer als im Gefängnis“ gewesen, berichtet er. Bei der Durchfahrt der Kreuzfahrtschiffe vor dem weltberühmten Markusplatz hatte schließlich auch der tourismusfreundliche Bürgermeister ein Einsehen. Die Zufahrt erfolgt nun immerhin auf einer anderen Route.