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Madrid
"Herr, schick uns Wasser": Spanien betet für Regen
Leere Talsperren, trockene Felder: Spanien hofft auf Niederschläge – und das seit Monaten. Die Dürre treibt die Lebensmittelpreise in ganz Europa nach oben.
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Foto: Emilio Morenatti, dpa (Symbolbild) | In mehreren Gemeinden Spaniens – wie hier in Perelada in der Provinz Girona – oder in Jaén beten die Menschen um Regen.
Ralph Schulze
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:53 Uhr

"Herr, schick uns Wasser!" Die Bitte von Sebastián Chico, Bischof in der südspanischen Provinzhauptstadt Jaén, bleibt bisher ungehört. Chico führt eine Prozession an, die sich von der Kathedrale durch Jaén bewegt. Viele Olivenbauern aus der Region nehmen an diesem religiösen Umzug teil, in dem die Menschen den Himmel um Regen anflehen. Auch an diesem Tag der Prozession brennt die Sonne auf die Olivenhaine der Umgebung. Seit Monaten gibt es in der Provinz Jaén keine Niederschläge. Wenn nicht bald das erhoffte Wasserwunder eintritt, drohen schon im zweiten Jahr in Folge riesige Ernteausfälle. Eine Katastrophe, die auch die Verbraucherinnen und Verbraucher zu spüren bekommen: Die ohnehin schon hohen Preise für das Olivenöl werden weiter steigen. 

"Ohne Wasser gibt es keine Oliven. Und ohne Oliven leidet die Provinz", predigt Bischof Chico. "Unsere Wirtschaft hängt von der Olivenproduktion ab." 66 Millionen Olivenbäume stehen im Hügelland Jaéns. In der Provinz leben 630.000 Menschen. Die Region ist das wichtigste Olivenanbaugebiet der Welt. Hier wird das Öl für weite Teile Europas produziert. 

Die Menschen in 43 Gemeinden in Spanien werden mit Tankwagen mit Wasser versorgt

Jaéns Wasserdrama spiegelt sich in den Talsperren im andalusischen Hinterland: Die Stauseen sind, jetzt im Frühjahr, nur noch zu 25 Prozent gefüllt. Das reicht zwar, um die Bevölkerung und die Urlaubsgäste mit Trinkwasser zu versorgen. Aber für die Bauern wurde das Wasser zur Bewässerung ihrer Olivenfelder rationiert – sie bekommen lediglich ein Viertel der normalen Menge. Doch mancherorts in Andalusien sieht es noch schlimmer aus: in Jaéns Nachbarprovinz Córdoba zum Beispiel. Dort kommt in 43 Ortschaften kein Tropfen Wasser mehr aus dem Hahn. Die nahe gelegene Talsperre Sierra Boyera ist absolut leer. Das Seebett verwandelte sich in eine knochentrockene Stein- und Lehmwüste.

Bereits seit mehr als drei Wochen müssen die 72.000 Einwohner dieser Gemeinden mit Tankwagen versorgt werden. Mit Flaschen und Kanistern stehen die Menschen auf den Dorfplätzen Schlange, um sich ihre Wasserration abzuholen. Fünf Liter gibt es für jeden und jede pro Tag. Auch Francisco Luna hat sich in die Schlange der Wartenden eingereiht. Er betreibt ein Restaurant im Ort Pozoblanco und hat in seinem Leben schon viel gesehen. "Aber dass wir kein Trinkwasser mehr haben, das ist das erste Mal", sagt er. Immerhin stehen ihm als Küchenchef mehr als fünf Liter Wasser zu. Schließlich müsse er für seine Gäste kochen, Gemüse waschen und das Geschirr spülen. "Den Restaurants wurde erlaubt, so viel Wasser vom Tankwagen abzuzapfen, wie sie brauchen", erzählt er im lokalen Rundfunk. 

Aber nicht nur Spaniens Süden durchleidet gerade eine der schlimmsten Dürreperioden der Geschichte. Auch in der nordostspanischen Region Katalonien lechzen die Menschen nach Wasser – und der Sommer hat noch nicht einmal begonnen. In der touristischen Mittelmeerregion, zu der die Costa Brava, die Costa Dorada und die Metropole Barcelona gehören, gelten inzwischen ebenfalls Einschränkungen. Zum Symbol für die dramatische Lage dort wurde die Talsperre Pantà de Sau, die gerade noch zu neun Prozent gefüllt ist und den Großraum Barcelona versorgt. In besseren Zeiten, als der Stausee noch voll war, schaute nur die Spitze des Glockenturms der Sant-Romà-Kirche aus dem Wasser. Jetzt ist die ganze Kirche, die aus dem Mittelalter stammt und mit dem Bau der Talsperre vor 50 Jahren in den Fluten versank, wieder komplett aufgetaucht

Dürre in Spanien: Gärten dürfen nicht gegossen, Autos nicht gewaschen werden

"Die Dürre ist schlimm", erklärt Kataloniens Präsident Pere Aragonès. "Deswegen müssen wir handeln, um die Wasserversorgung in der Region zu sichern." Alle Bürger müssten sich solidarisch zeigen: "Es ist unverzichtbar, vernünftig mit dem Wasser umzugehen, damit sich die Lage nicht verschlechtert." Inzwischen hat die katalanische Regionalregierung in 495 Gemeinden, darunter in mehreren großen Städten, das Wasser rationiert: Gärten und öffentliche Parks dürfen nicht mehr bewässert werden. Die öffentlichen Springbrunnen liegen trocken. Es ist verboten, Autos zu waschen und die Bürgersteige mit Wasser zu säubern.

Auch Barcelona, das jedes Jahr von Millionen Touristen und Touristinnen besucht wird, ist betroffen. Fürs Duschen, Kochen und Trinken reicht das Wasser noch. Aber Haushalte und Hotels wurden aufgefordert, sparsam mit dem kostbaren Nass umzugehen. Der Wasserverbrauch pro Privatperson wurde auf 230 Liter pro Tag beschränkt. Den katalanischen Bauern wurde das Wasser um 40 Prozent gekürzt. Derzeit kann die Versorgung in Katalonien nur mithilfe von entsalztem Meerwasser aufrechterhalten werden. Insgesamt sind 6,6 Millionen der 7,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner von den Beschränkungen betroffen. 

Urlaubsgäste müssten sich derzeit noch keine Sorgen machen, versichern die Politiker: "Die Wasserversorgung für die Touristen ist gesichert", verspricht zum Beispiel der andalusische Tourismusminister Arturo Bernal für seine südspanische Region, in der der berühmte Badeort Marbella und die Urlauberhochburg Costa del Sol liegen. Auch auf Mallorca werden die Feriengäste beruhigt. Auf der Insel hat es etwas mehr geregnet als auf dem Festland: Die Trinkwasserspeicher, die aus Grundwasserseen und Talsperren bestehen, seien derzeit zu 63 Prozent gefüllt, heißt es. 

Dafür sehen Spaniens Landwirte, die mit Abstand größten Wasserverbraucher des Landes, so schwarz wie schon lange nicht mehr – vor allem eben in Jaén, wo sie bislang vergeblich um Regen gebetet haben. "Die Situation ist katastrophal", sagt Olivenbauer Juan Luis Ávila. "In diesem Jahr ist nicht nur die Ernte in Gefahr, sondern die Zukunft der Olivenplantagen." Die Hitzewellen in den vergangenen Wochen mit Spitzenwerten von nahezu 40 Grad hätten die weißen Blüten vieler Olivenbäume buchstäblich verbrannt. Ein Großteil der Olivenernte, die normalerweise von November bis Februar eingeholt wird, sei bereits verloren. Immerhin: Die Wettervorhersage für diese Woche verspricht die lang ersehnten Niederschläge, allerdings bei weitem nicht genug. Nur Tropfen auf den heißen Stein. 

Der April war mit hochsommerlichen Temperaturen landesweit der wärmste und trockenste Monat aller Zeiten, meldet Spaniens staatliches Wetteramt. Die gesamte Halbinsel befindet sich seit über einem Jahr in einer ungewöhnlichen Trockenheitsphase. "Der Olivenbaum kann zwar sehr hohe Temperaturen ertragen – aber nur, wenn er genügend Wasser bekommt", erklärt Ávila. Wenn es jedoch extremen Wassermangel gebe, habe der Baum keine Kraft, um gesunde Früchte zu bilden. Schon die vergangene Saison ist schlecht gewesen. Regendefizit und Hitzewellen machten sich bereits 2022 bemerkbar. "Ich habe 70 Prozent weniger geerntet als in früheren Jahren", sagt Ávila.

Kein Regen in Spanien: Klimakrise und Lebensmittelkrise?

So wie Ávila geht es den meisten spanischen Olivenbauern. In der Erntesaison 2021/22 produzierte Spanien noch nahezu 1,5 Millionen Tonnen Olivenöl. Ein Jahr später waren es nur noch 680.000 Tonnen – weniger als die Hälfte. Im Erntejahr 2023/24 könnte es, wenn sich die düsteren Vorhersagen erfüllen, noch schlimmer kommen. Die Ungewissheit bei der Ernte ist bereits in den Supermärkten spürbar: Die vertrocknenden Olivenplantagen lassen die Preise für das goldgrüne Speiseöl in Rekordhöhe steigen. Laut einer EU-Erhebung kostet Olivenöl im europäischen Mittel gut 50 Prozent mehr als vor zwölf Monaten – womit das Öl zum Luxusgut zu werden droht. "Der Kostenschock beim Olivenöl ist ein Beleg dafür, dass die Dürre zum Anstieg der Lebensmittelpreise führt", schreibt Spaniens größte Tageszeitung El País. Nach den letzten vorliegenden Daten vom März stiegen die spanischen Lebensmittelpreise innerhalb von zwölf Monaten um 16,5 Prozent – EU-weit sogar um 19,2 Prozent. Aus der Klimakrise droht eine Lebensmittelkrise hervorzugehen.

Meteorologen und Wetterexpertinnen haben keine guten Nachrichten für Spanien. Und auch nicht für die umliegenden Nachbarstaaten, die ebenfalls unter Wassermangel leiden. Massive Regenfälle sind bis Herbst eher unwahrscheinlich, verkündet Spaniens staatliches Wetteramt Aemet. Klimaforscher warnen, dass sich die Mittelmeerregion langfristig und dauerhaft auf höhere Temperaturen und weniger Niederschläge einstellen muss. 

Mehr Hitze, weniger Wasser – da liegt es auf der Hand, mit dem kostbaren Gut umsichtig umzugehen. "Wir müssen das Wasser effizienter nutzen", ermahnt Teresa Ribera, Spaniens Ministerin für ökologischen Wandel, das Volk. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Doch so lange es genug Wasser gibt, gerät sie gerne in Vergessenheit. Die Bürger allein jedoch können nicht alles notwendige Wasser einsparen, auch die Politik muss sich Versäumnisse vorwerfen lassen. Seit Jahren versickern landesweit annähernd 25 Prozent des bereitgestellten Trinkwassers im löchrigen Leitungsnetz – ohne dass dagegen etwas unternommen worden wäre. Das hat sich nun, auf dem Höhepunkt des spanischen Wasserdramas, geändert. Plötzlich machen sich viele Gemeinden daran, die Lecks zu stopfen – ganz nach dem Motto: Lieber spät als nie.

 
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