„Die Gefahr ist real und so hoch wie seit Langem nicht mehr.“ Als hätte Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, es geahnt, warnte er am Mittwochmorgen mit deutlichen Worten vor der wachsenden Bedrohung in Deutschland im Gefolge des Gaza-Krieges. Wenige Stunden später wurde aus seiner noch eher abstrakten Aussage dann ein sehr konkreter Fall. In Nordrhein-Westfalen und Brandenburg hat die Polizei zwei Teenager festgenommen, die einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt geplant haben sollen.
Jugendliche sollen Anschlag auf Weihnachtsmarkt geplant haben
„Ein junger Mann hat in einer Chat-Gruppe über Anschlagspläne geschrieben. Am Ende hat man sich auf einen ganz konkreten Anschlagsplan auf einen Weihnachtsmarkt verständigt“, bestätigte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwochabend. Und betonte noch einmal: „Es wirkte sehr konkret.“
Wie es in Sicherheitskreisen hieß, waren die Behörden sich zunächst im Unklaren, wie ernst die Informationen zu nehmen seien. Da der 15-Jährige jedoch ein bestimmtes Datum, nämlich diesen Freitag, und einen öffentlichen Platz nannte, griff die Polizei sicherheitshalber zu. Nach Reuls Worten ist der Verdächtige Deutsch-Afghane. Er wurde in Burscheid bei Leverkusen festgenommen. Bei dem zweiten Teenager, einem 16-Jährigen aus Brandenburg, handelt es sich nach Angaben des Landesinnenministeriums um einen Jugendlichen russischer Staatsangehörigkeit, der in der Kleinstadt Wittstock im Nordwesten Brandenburgs festgenommen wurde. Wie der Berliner Tagesspiegel berichtet, gilt er als waffenaffin. Er und sein Bruder seien als extrem gewaltbereit einzuschätzen. Bei der Festnahme soll er ein Messer bei sich gehabt haben.
Nach Informationen des Westdeutschen Rundfunks soll der in Nordrhein-Westfalen Festgenommene in einem auf der Plattform Telegram verbreiteten Video einen Terroranschlag angekündigt haben. Mit dem 16-Jährigen habe er sich darüber ausgetauscht, diesen entweder mit Brandsätzen oder mit einem Kleinlaster zu verüben, und als mögliche Ziele einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen und eine Synagoge in Köln genannt. Beide Jugendliche gelten laut WDR als Sympathisanten der Terrormiliz Islamischer Staat.
Nach Hamas-Angriff auf Israel steigt Terrorgefahr in Deutschland
Dies würde genau in das Bild passen, das der Verfassungsschutz zwei Monate nach den Massakern in Israel zeichnet. Die größte Gefahr in Deutschland geht demnach nicht von Anhängern der Hamas oder der pro-iranischen Hisbollah aus, die sich mit öffentlichen Äußerungen im Moment eher zurückhalten. Dafür gelinge es offenbar Terrorgruppen wie der Al-Kaida oder dem Islamischen Staat wieder vermehrt, vorwiegend junge Menschen anzustacheln, indem sie die Opfer israelischer Bombardierung im Gazastreifen und die humanitäre Notlage dort als Teil einer vermeintlichen anti-muslimischen westlichen Strategie darstellten. „Das Gefahrenpotenzial für mögliche Terroranschläge gegen jüdische und israelische Personen und Einrichtungen sowie gegen „den Westen“ insgesamt ist in der Folge deutlich angestiegen“, heißt es in einer aktuellen Einschätzung des Bundesamtes. Unter Dschihadisten beobachtet der Nachrichtendienst vermehrt Aufrufe zu Attentaten und ein „Andocken“ von Al-Kaida und Islamischem Staat an den Nahost-Konflikt. Haldenwang sieht hier unter anderem das Risiko einer Radikalisierung von allein handelnden Tätern.
Dass die beiden Jugendlichen einen Weihnachtsmarkt ins Auge gefasst haben sollen, erinnert an den Anschlag am 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin. Damals war der Islamist Anis Amri in einem entführten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt gerast. Durch die Tat starben 13 Menschen. (mit dpa)