
Ein Drittel der jungen Männer in Deutschland findet Gewalt in der Beziehung laut einer neuen Studie „akzeptabel“ und hat demnach kein Problem damit, wenn einem im Streit mit der eigenen Freundin „mal die Hand ausrutscht“. Das ergibt eine bundesweit repräsentative Umfrage der Organisation Plan International Deutschland. Das Hilfswerk hatte 1000 Männer zwischen 18 und 35 Jahren in einer schriftlichen Online-Umfrage mit standardisierten Antwortmöglichkeiten befragt. 34 Prozent der Befragten geben außerdem an, dass sie Frauen gegenüber schon einmal handgreiflich geworden sind oder sich vorstellen könnten, das zu tun, um sich „Respekt zu verschaffen“.
Die Ergebnisse der Umfrage lösen bundesweit Erschütterung aus. Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, schrieb dazu auf Twitter: "Gewalt gegen Frauen ist niemals akzeptabel. Wir müssen sie besser schützen und falsche Rollenbilder aufbrechen." Die gehörlose bayerische Grünen-Politikerin und Landtagskandidatin Julia Probst aus Weißenhorn schrieb, "dass Frauen mit Behinderung dieser Gewalt nochmal überdurchschnittlich öfters ausgesetzt sind als Nichtbehinderte".
Männer glauben, Probleme allein lösen zu müssen
Den Autorinnen und Autoren der Studie zufolge legen die Ergebnisse nahe, "dass wir in Deutschland in der jungen Generation von wahrer Gleichberechtigung deutlich entfernt sind und viele junge Männer ein traditionelles Rollenverständnis leben – auch mit negativen Folgen für sich selbst." 71 Prozent der befragten jungen Männer glauben, persönliche Probleme allein lösen zu müssen. Die Hälfte hält sich für schwach und angreifbar, wenn sie Gefühle zeigt und fast zwei Drittel geben an, sich manchmal einsam, traurig und isoliert zu fühlen. Einzelne Stimmen im Internet wiesen darauf hin, dass man auch diese Seite der Umfrage berücksichtigen und Maßnahmen ergreifen müsse.
Die Einstellung der jüngeren Generation gegenüber Gewalt ist nicht das einzig Bedenkliche an der Umfrage: Fast jeder zweite Befragte in der betreffenden Altersklasse fühlt sich davon gestört, wenn Menschen ihre Homosexualität in der Öffentlichkeit zeigen.
Plan International sieht Handlungsbedarf in der Politik
Alexandra Tschacher, Sprecherin von Plan International, sieht in der Studie den Beweis dafür, dass "die klassischen Rollenbilder eben doch noch in den Köpfen der Gesellschaft verankert sind". Das gilt auch bei der Kindererziehung: Nur 41 Prozent der Männer würde länger als ein paar Wochen in Elternzeit gehen. Tschacher sagte der Funke-Mediengruppe, es liege auch an der Politik, die Rahmenbedingungen zu verändern. Ein gutes Beispiel sei die von der Bundesregierung geplante bezahlte Freistellung nach der Geburt für Väter.