
Das südspanische Andalusien gilt als besonders fromm. Und so war es vorhersehbar, dass das offizielle Plakat für die berühmte "Semana Santa", die heilige Osterwoche, in der andalusischen Hauptstadt Sevilla Anstoß erregen würde. Inzwischen wird weit über die Region hinaus darüber berichtet – und über die Frage diskutiert: Wie sexy darf eine Christusdarstellung sein?
Auf dem Plakat sieht man einen leicht bekleideten und athletischen Jesus, der nicht mit leidendem, sondern mit sinnlichem Gesichtsausdruck in die Welt blickt. Konservative Katholiken laufen Sturm gegen diese "Sexualisierung" und sprechen von "Gotteslästerung". "Wir fordern den sofortigen Rückzug des Plakats", heißt es in einem Aufruf für eine Unterschriftenkampagne auf der Plattform Change. Tausende unterschrieben binnen weniger Tage. Auch in sozialen Netzwerken kocht die Empörung über die "Verweiblichung" und "homosexuelle" Darstellung von Jesus hoch: Das Plakat sei "eine Schande" und gleiche einer Werbung für eine Gay-Pride-Veranstaltung.
Sexy Jesus: "Das Bild ist eine Botschaft der Spiritualität, der Liebe und des Respekts", sagt der Künstler
Der geballte Volkszorn richtet sich gegen die örtliche Vereinigung der Laienbruderschaften, die für die Organisation der religiösen Osterprozessionen in Sevilla zuständig ist. Er trifft auch den international bekannten Künstler Salustiano García, der dieses Jahr von den Bruderschaften beauftragt worden war, das Werbeplakat zu entwerfen.
Der 59-Jährige sagt: "Das ist ein Christus des 21. Jahrhunderts. Das Bild ist eine Botschaft der Spiritualität, der Liebe und des Respekts." Über die heftigen Beschimpfungen wundert er sich: "Das ist nicht sehr christlich." Als Inspiration für seine Jesusdarstellung diente dem Künstler nach eigenem Bekunden sein 27 Jahre alter Sohn Horacio, der ihm Modell gestanden habe – auch wenn das Ergebnis des religiösen Porträts vor Lippenstift-rotem Hintergrund eher an frühere Fotos des österreichischen Travestiekünstlers Conchita Wurst erinnert. Wurst – Galakleid, lange Haare, Vollbart – wurde 2014 international bekannt durch seinen Sieg beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen.
In einer Onlineumfrage der spanischen Tageszeitung Abc zeigten sich die Menschen gespalten: 54 Prozent gefiel das Plakat demnach überhaupt nicht, 46 Prozent waren davon angetan. Wenn auch nicht unbedingt als Aushängeschild für die "Heilige Woche". José Luis Sanz, der konservative Bürgermeister Sevillas, gehört zu den Verteidigern des umstrittenen Werks: "Ich finde es gut", sagt er. "Es ist mal etwas anderes."
Erzbischof José Ángel Sáiz Meneses versucht, die Wogen zu glätten
Sevillas Erzbischof José Ángel Sáiz Meneses, der von den Plakatgegnern zu einem Machtwort aufgefordert wurde, versucht derweil, die Wogen zu glätten. Im Kurznachrichtendienst X schrieb er: "Lasst uns schlicht Christus betrachten, der mächtig ist in Taten und Worten." Weil der Shitstorm gegen das Plakat ihn ebenfalls traf, ließ er zugleich die Kommentarfunktion abschalten.
Unbestreitbar ist der Werbeeffekt des Plakates, das im deutschsprachigen Raum als "Sexy Jesus" Schlagzeilen macht: Sevillas Semana Santa, die vom 24. bis zum 31. März dauert, ist in aller Munde. In der "Heiligen Woche" werden mehr als 70 Prozessionen durch die Stadt ziehen. Viele Teilnehmer werden dann wieder schwere Holzkreuze und große Marienfiguren durch die Gassen schleppen. Trommelschläge begleiten stets die Umzüge, und in der Nacht beleuchten Fackeln die Straßen – ein Spektakel, das Hunderttausende Besucherinnen und Besucher anziehen dürfte.