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Schwäbisch Gmünd
Greisin zündete ihren Ex-Mann an, will aber keine Mörderin sein
Edith S. soll ihren Ex-Mann mit einem Fleischklopfer attackiert und dann angezündet haben, während er den Notruf wählte. Nun wird der Fall neu verhandelt.
dpa_5FAC82003919CA74.jpg       -  Edith S. wird in Schwäbisch Gmünd in den Gerichtssaal geführt. Die 86-Jährige ist unter anderem wegen Mordes angeklagt.
Foto: Bernd Weißbrod, dpa | Edith S. wird in Schwäbisch Gmünd in den Gerichtssaal geführt. Die 86-Jährige ist unter anderem wegen Mordes angeklagt.
Ulrike Bäuerlein
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:26 Uhr

„Sie ist eine Greisin“, sagt der psychiatrische Gutachter Peter Winckler. „Sie ist sensorisch eingeschränkt, hört und sieht schlecht, was die Kommunikation schwierig macht.“ Sie, das ist Edith S., 86, schlohweißes schulterlanges Haar, kaum 1,50 Meter groß und schmal wie ein Strich. Angeklagt des Mordes und der Brandstiftung mit Todesfolge an ihrem Ex-Mann, den sie im Januar 2020 in dem gemeinsam bewohnten Haus in Owingen (Bodenseekreis) mit einem Fleischklopfer attackiert, dann mit Benzin übergossen und angezündet hatte, während er den Notruf absetzte. 

Der Gutachter attestierte, die Frau ist verhandlungsfähig

Wegen der Tat war Edith S. bereits 2020 vom Landgericht Konstanz zu elf Jahren Haft verurteilt worden, der Bundesgerichtshof hatte das Urteil 2021 aufgehoben wegen zweier Verfahrensbedenken, nun muss der Fall erneut verhandelt werden. Am Mittwoch startete der auf drei Tage angesetzte Prozess in den Räumen des AmtsgerichtsSchwäbisch Gmünd. Um der Angeklagten eine Anreise ans Konstanzer Landgericht zu ersparen, kam die gesamte dritte Schwurgerichtsstrafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Joachim Dospil nach Schwäbisch Gmünd. Sie sei verhandlungsfähig, hatte ihr Gerichtsgutachter Winckler im Vorfeld attestiert – allerdings lag das zugrunde liegende Gespräch sechs Monate zurück. 

Die gebrechliche alte Frau, den schmalen Leib gehüllt in eine bunte Strickjacke, macht nicht diesen Eindruck. Auch ihr Verteidigungsteam, das zu Beginn eine Einlassung der Angeklagten zur Tat verliest, erweckt den Eindruck, dass sie nicht vor Gericht gehört. Das Zusammenleben mit dem Ex-Mann wird als Martyrium geschildert, sie habe aus Existenzängsten das Haus nicht verlassen können, sei verbal und auch körperlich von ihrem Ex-Mann, der sie seit Jahren loswerden wollte, schikaniert worden. Sie bereue die Tat, könne sie aber nicht mehr ungeschehen machen und sich an Details nicht erinnern und sei für weitere Auskünfte nicht ansprechbar. 

„Wer ist der Mann da, ist das ein Anwalt?“, nuschelt Edith S. ihrer Verteidigerin zu, nachdem der Vorsitzender Richter das Wort an sie richtet. Es bleibt ihr einziger lauter Satz im Gericht. Kaum ein an sie gerichtetes Wort scheint anzukommen.

Sei sei keine Mörderin, sagt die Frau

Der Richter unterbricht und bittet den psychiatrischen Gutachter, noch einmal ein Gespräch mit Edith S. zu führen. Edit S. war mehrmals in Behandlung, im Sommer 2022 auch kurz im Krankenhaus gewesen. Sie ist chronisch krank, hat Schlafstörungen. Aber als Winckler nach der Pause von dem 40-minütigen Gespräch berichtet, sagt er nicht nur: „Sie ist eine Greisin.“ Winckler sagt auch völlig überraschend: „Es war ein ausgesprochen nettes Gespräch, sie begrüßte, kannte, erkannte mich.“

Sie habe eingeräumt, sich schuldig gemacht zu haben, aber sie sei keine Mörderin. Das Gefängnis, die Pflege, die sie dort erhalte, habe ihr gutgetan. „Sie würde gerne im Gefängnis bleiben, die Aussicht, sonst in ein Pflegeheim zu müssen, ist ihr unangenehm.“ Winckler konstatiert der 86-Jährigen ein gutes Gedächtnis. „Ja, sie ist eingeschränkt. Aber weit unterhalb der Schwelle einer Verhandlungsunfähigkeit“, sagt Winckler. 

Im weiteren Verlauf ergibt sich ein anderes Bild der Edith S.: das einer Frau, die von zweien ihrer Kinder als „egozentrisch, narzisstisch und boshaft“ geschildert wurde, die „gemein“ zu ihrem Ex-Mann gewesen sei, der als „liebevoll, gutartig und warmherzig“ geschildert wurde. Noch bei der Alarmierung des Notrufs, als Edith S. ihren Ex-Mann mit einem Fleischklopfer mindestens einmal am Kopf getroffen und ihm eine blutende Wunde beigebracht hatte, klingt die Stimme des 73-Jährigen klar und keinesfalls panisch oder in Sorge um sein Leben.

Die Schwurgerichtskammer und die Anwesenden im Gerichtssaal hören dem Opfer dann minutenlang beim Sterben zu, als die Aufnahme des Notrufs im Gerichtssaal abgespielt wird. Danach herrscht völlige Stille im Raum. Hat Edith S. die Aufnahme verstanden, hat sie zugehört? Nichts an ihrer Haltung, Mimik und Gestik lässt darauf schließen. Der Prozess wird kommenden Montag fortgesetzt. 

 
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