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Schule
"Kann nichts, und wird auch nichts können. Somit Hauptschule."
Das erste Halbjahr ist vorbei, in Schulen werden wieder Zeugnisse ausgehändigt. Wir haben unsere Leser befragt, was ihre damaligen Lehrkräfte über sie schrieben – und was aus ihnen wurde.
Weniger Schüler in Deutschland haben im Schuljahr 2019/20 ihre Klassenstufe wiederholt. Foto: Jonas Güttler/dpa       -  An diesem Freitag gibt es Zwischenzeugnisse.
Foto: Jonas Güttler, dpa (Symbolbild) | An diesem Freitag gibt es Zwischenzeugnisse.
Michael Stelzl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:03 Uhr

An diesem Freitag ist es für Zehntausende Schülerinnen und Schüler wieder so weit: Es gibt Zwischenzeugnisse. Und manchmal überrascht, was dort zu lesen ist. Wenn nämlich statt der erhofften guten Noten und des Lobes der Lehrkraft – samt finanzieller Zuneigung der Großeltern – die Beurteilung nicht sonderlich positiv ausfällt.

So ging es auch Tobias Hermann: Der mittlerweile promovierte Facharzt, der zudem ein Zweitstudium in Ökonomie mit einem Master abgeschlossen hat, wurde von seiner damaligen Grundschullehrerin zum Übertritt ganz anders eingeschätzt. Ihr Urteil lautete: "Kann nichts, und wird auch nichts können. Somit Hauptschule." In Hermanns Leben ist es zwar anders gekommen, dennoch haben vor allem Abschlusszeugnisse oftmals großen Einfluss auf das weitere Leben der Schülerinnen und Schüler. Mit Zeugnissen geht also auch Macht einher – und nicht alles, was in den Beurteilungen steht, dient dem Wohl der Schüler. Hermann selbst sagt dazu: "Wie Sie sehen, gibt es mehrere Wege nach Rom. Aber das Grundproblem ist immer noch das gleiche." 

"Ihr entgeht nichts, was in der Klasse geschieht"

Ähnlich wenig Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Schülers hatte eine Lehrerin von Ulrich Harbig – das kam allerdings erst Jahre später heraus. Als er nach seinem Lehramtsstudium an eine neue Schule versetzt wurde, klopfte es eines Tages an seine Klassentür. Eine ehemalige Lehrerin kam herein und wollte sich über einen seiner Schüler beschweren. Als sie ihn erkannte, rief sie überrascht aus: "Sie? Lehrer hier?" Den Vorfall mit dem Schüler vergaß sie dabei.

Eine bessere Vorstellung, welchen beruflichen Weg ihre Schülerin einschlagen würde, hatte die Lehrerin von Nicole Rodriguez bereits in der ersten Klasse: "Ihr entgeht nichts, was in der Klasse geschieht", steht in ihrem Zeugnis aus dem Jahr 1969. Wenig überraschend wurde Rodriguez selbst Lehrerin an einer Förderschule. Dem Unterricht folge sie ihrer damaligen Lehrkraft zufolge immer aufmerksam – auch das ist eine gute Eigenschaft für spätere Lehrkräfte.

"Sie sind sogar für die Hauptschule zu doof"

Der Verhaltensstil von Angelika Strack, geborene Maier, fiel hingegen negativ auf: "Ihr Temperament ist ziemlich stark und muss etwas gezügelt werden." Ein Satz, den kein Elternteil gerne über sein Kind liest. "Da müsste man sich heute vermutlich vor Gericht verantworten", sagt die Günzburgerin dazu. Der Rest ihres Zeugnisses aus dem Jahr 1969 lieferte, mit Ausnahme einer mangelhaften Leistung in Schrift und einer Vier in Handarbeit, jedoch nur Positives. Und auch in diesen Bereichen konnte sie sich nach Eigenaussage verbessern: Mittlerweile häkelt Strack Mützen für ihre Enkel.

"Sie sind sogar für die Hauptschule zu doof", erinnert sich Stefan Heins an die Aussage seiner damaligen Klassenleitung. Durch den Einsatz seiner Mutter konnte er damals trotz schlechter Einschätzung seitens der Lehrkraft die Realschule besuchen. Doch nicht nur an Heins Intelligenz, auch an seinem Fleiß hatten die Lehrkräfte einiges zu beanstanden. Dem Zwischenzeugnis der zweiten Klasse zufolge solle er die Wörter aus dem Grundwortschatz eifriger üben. Zudem benötige er für Aufgaben mit Zehnerübergang häufig noch Anschauungsmittel. Das scheint Heins, der heute in Jettingen-Scheppach lebt, jedoch heute keine Probleme mehr zu bereiten: Nach seinem Masterabschluss an der Technischen Universität München arbeitet er mittlerweile als Ingenieur.

Noten sind wichtig für die künftige Berufslaufbahn

Noten, insbesondere in Übertritts- oder Abschlusszeugnissen, sind wichtig, um später die gewünschte Berufslaufbahn zu ergreifen. Doch manchem fällt das erst nach der Schulzeit auf. So auch Günter Schäfer, der heute in Reimlingen (Kreis Donau-Ries) lebt. Seine Lehrkraft schrieb 1972 in sein Zwischenzeugnis: "Ein lebensfroher, heiterer Schüler, der seine schulischen Pflichten in keiner Weise ernst nimmt. Bei größerem Einsatz könnte er weit mehr leisten." So absolvierte er nach seinem Hauptschulabschluss zunächst eine Lehre in einer Kfz-Werkstatt. Mit 38 Jahren ließ er sich zum Fachinformatiker umschulen. Zudem schrieb er mehrere Heimatkrimis. Bei einer Buchvorstellung traf er schließlich auf seinen ehemaligen Klassenleiter. Dieser ließ ihn wissen, dass er stolz darauf sei, wie weit es Schäfer gebracht habe. Über den Wert von Schulnoten sagt Schäfer: "Gute Noten alleine garantieren kein erfolgreiches und vor allem zufriedenes Leben. Allerdings können sie sehr wohl dabei behilflich sein, den Weg dahin leichter zu gestalten."

 
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