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Saudi-Arabien
Saudischer Kronprinz plant nächstes Riesenprojekt
Nach der Megastadt „Neom“ und der Idee eines Wintersportzentrums schwebt Mohammed bin Salman nun ein vierhundert Meter hohes Gebäude vor. Was er damit bezweckt – und warum sich Kritik regt.
Mohammed bin Salman       -  ARCHIV - 18.11.2022, Thailand, Bangkok: Mohammed bin Salman (l), Kronprinz von Saudi-Arabien, trifft für den informellen Dialog der Apec-Leiter ein, der im Rahmen des Apec-Gipfels stattfindet. Der Kronprinz hat große sportpolitische Ambitionen. (zu dpa: «Fußball-WM der Frauen: Saudische Sponsoren unerwünscht») Foto: Rungroj Yongrit/Pool Photo via AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Foto: Ap / Rungroj Yongrit / Rungroj Yongrit | ARCHIV - 18.11.2022, Thailand, Bangkok: Mohammed bin Salman (l), Kronprinz von Saudi-Arabien, trifft für den informellen Dialog der Apec-Leiter ein, der im Rahmen des Apec-Gipfels stattfindet.
Thomas Seibert
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:59 Uhr

Vierhundert Meter hoch soll das neue Lieblingsprojekt von Saudi-Arabiens Thronfolger Mohammed bin Salman einmal sein. Der Kronprinz plant es in Riad, der Hauptstadt des Wüstenstaates. Dort soll ein futuristisches Unterhaltungszentrum entstehen. Besucherinnen und Besucher erleben mit Holografie und virtueller Realität Unterwasserwelten, Marslandschaften oder Schneegebirge mit fliegenden Drachen. Damit nicht genug: Um den gigantischen Würfelbau mit einer Kantenlänge von 400 Metern herum soll ein 19 Quadratkilometer großes Stadtviertel entstehen. „Die Zukunft ist hier“, heißt der Werbeslogan für den „Mukaab“, auf Deutsch: Würfel. Allerdings: Das Projekt ist umstritten, schon allein weil es an die Kaaba, das muslimische Heiligtum in Mekka, erinnert.

Mohammed bin Salman denkt in ganz großen Maßstäben

MBS, wie der Kronprinz genannt wird, will das konservative Königtum Saudi-Arabien in einen Hightech-Staat verwandeln, der Investoren und Touristen anzieht – und der um die beiden Gruppen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Katar konkurrieren kann. Auf diese Weise möchte der 37-Jährige sein Land mittelfristig unabhängig von Einnahmen aus dem Öl-Export machen und der jungen Bevölkerung Perspektiven bieten. Dabei denkt er in ganz großen Maßstäben, „Mukaab“ ist nur ein Teil einer Reihe weiterer Bauvorhaben – die ebenfalls bereits weltweit Beachtung fanden und auf Kritik stießen. Wie die Stadt „Neom“ am Roten Meer, die aus einem 170 Kilometer langen Gebäude bestehen soll. Oder wie ein Wintersportzentrum, in dem 2029 die Asiatischen Winterspiele stattfinden sollen.

Bereits ein Jahr später soll der „Würfel“ in Riad mit 360-Grad-Kino, Restaurants und Geschäften fertig sein. Das neue Stadtviertel bietet den Planungen zufolge hunderttausenden Einwohnerinnen und Einwohnern Platz. Hinzu kommen Hotels, Büros, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die Neubauten in Riad sollen die saudische Hauptstadt zu einer der zehn lebenswertesten Städten der Erde machen, heißt es. Und eben hunderttausende Arbeitsplätze schaffen für eine Zukunft nach dem Öl-Zeitalter. MBS hat recht konkrete Vorstellungen. Was die Zahl der Touristen angeht, schwebt ihm zum Beispiel eine Verfünffachung von derzeit 20 auf 100 Millionen pro Jahr vor. Das wären mehr als doppelt so viele wie im Urlaubsland Türkei.

20 Empire State Buildings aus Manhattan würden in den „Würfel“ passen

Das Denken im großen Maßstab zeigt sich exemplarisch beim „Würfel“, der eines der größten Gebäude der Welt sein würde: 20 Empire State Buildings aus Manhattan würden hineinpassen. Werbevideos illustrieren das Vorhaben in spektakulären Bildern. Darauf ragt das Gebäude aus einem idyllischen Stadtviertel mit niedrigen Wohnhäusern, Bächen und Sträuchern heraus und in den Himmel hinein. Die Kosten dürften gigantisch sein, sind jedoch nicht bekannt. Der staatliche saudische Investmentfonds unter dem Vorsitz bin Salmans verfügt aber über ein Vermögen von mehr als 600 Milliarden Dollar.

Gleichwohl fragen sich Beobachter, worauf MBS mit dem „Würfel“ wirklich hinaus will. Unternehmensberater Sami Hamdi hat da zumindest eine Vermutung: Kronprinz Mohammed verfolge seit Jahren das Ziel, die Rolle des Islam in Saudi-Arabien herabzustufen, meint er. Den „Würfel“ nennt er die „neue Kaaba der Unterhaltung“. Es ist erst vier Jahre her, als bin Salman auf das Dach der Kaaba in Mekka kletterte und damit den Zorn saudischer Islamisten auf sich zog. Ein weiteres Indiz für Hamdi und dessen These. Andere Kritiker sehen im „Würfel“ schlicht einen Ausdruck für die Jagd des Kronprinzen nach neuen Einnahmequellen. Der Journalist Murtaza Hussein nannte das geplante Riesengebäude daher eine „neue Kaaba des Kapitalismus“. Anhänger von MBS verteidigen die Pläne dagegen mit dem Hinweis, dass würfelartige Gebäude überall in Arabien zu finden seien.

Eine freie Debatte über das gigantische Projekt bin Salmans ist in Saudi-Arabien nicht möglich

Fest steht, dass MBS sich durch islamische Traditionen oder Einflüsse offenbar nicht von seiner Vorstellung eines modernen Staates abbringen lassen will – auch wenn er eines Tages als König über Mekka und Medina, die heiligsten Städte des Islam, herrschen wird. Gegen den Widerstand konservativer religiöser Kräfte hat er ein 30 Jahre währendes Verbot von Kinos aufgehoben, Frauen das Autofahren erlaubt und Befugnisse der Religionspolizei zusammengestrichen. Nach eigenen Worten steht er für einen „gemäßigten“ Islam. Was er damit meint, ist jedoch nicht klar. Denn das Bündnis der saudischen Königsfamilie mit den Geistlichen des streng islamischen Wahabismus ist eine Säule seiner Macht.

Eine freie Debatte darüber und über die Frage, ob der „Würfel“ die Kaaba in den Schatten stellt, ist in Saudi-Arabien nicht möglich. Politische Reformen, Debatten und Widerspruch duldet der Kronprinz bei seinem Reformprogramm nicht. Dissidenten landen in seinem Land im Gefängnis oder vor dem Scharfrichter.

 
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