Als Prinz Harry beim Obersten Gericht im Zentrum Londons ankommt, wirkt er entspannt, lächelt sogar. Auf dem Weg zum Gerichtssaal ignoriert er die Zurufe der Reporterinnen und Reporter, lässt sie links liegen. Schließlich will der Prinz die britische Presse zur Verantwortung ziehen. Gemeinsam mit weiteren Klägern wirft er den Boulevardzeitungen The Mirror, Sunday Mirror und Sunday People vor, dass diese sich seit 1999 regelmäßig für Storys über ihn in sein Telefon gehackt, Sprachnachrichten abgehört und ihn beschattet hätten.
Sein Anwalt David Sherborne, der schon Stars wie die US-Schauspieler Johnny Depp und Hugh Grant verteidigt hat, spricht am Montag von einem Netz, das die Journalisten immer enger um ihn gespannt hätten, um an Informationen zu kommen. Hierzu hätten die Mirror Group Newspapers (MGN) unter anderem Privatermittler angeheuert. In diesem Zusammenhang führt er unter anderem Rechnungen an, die an diese ausgestellt worden seien.
Harry hat Probleme, sich in den vielen Unterlagen zurechtzufinden
Der Verteidiger von MGN, Andrew Green, streitet die Vorwürfe, die Sherborne im Namen des Prinzen vorträgt, am Montag in seinem Eröffnungsplädoyer vehement ab. Die Rechnungen allein belegten kein rechtswidriges Handeln von Journalisten. Zudem gebe es keinerlei Beweise dafür, dass "irgendein Mobiltelefon des Herzogs von Sussex auch nur einmal und schon gar nicht 16 Jahre lang regelmäßig gehackt wurde". Um diese Behauptung zu untermauern, verschont GreenHarry im Rahmen der Befragung am Dienstag nicht. Während dieser die Journalisten morgens noch ignorierte, kann er sich den kritischen Nachfragen des Anwalts nicht entziehen. Green geht, über Ordner gefüllt mit Beweismaterial gebeugt, nach und nach jene Zeitungsartikel durch, die auf illegale Weise beschaffte Informationen enthalten sollen.
Während Green stehend seine Fragen stellt und sich mit seinen Akten ausbreiten kann, hat Harry deutlich weniger Platz. Der Prinz tut sich angesichts der Fülle der Beweismittel oft schwer, die richtigen Ordner zu finden. Der Mirror-Anwalt schlägt ihm schließlich vor, ihm einen Gerichtshelfer zur Verfügung zu stellen.
Auf einem Bildschirm vor ihm stehen in großen Lettern jene Schlagzeilen, die Teil seiner Anklage sind und welche der 38-Jährige schon vor Jahren nicht noch einmal sehen wollte, weil sie ihn sehr "gestresst" hätten. Es geht um seinen Drogenkonsum, die Scheidung seiner Eltern, Partys mit Freunden. Green will immer wieder von ihm wissen, ob er sich daran erinnern könne, einige der Artikel damals gelesen zu haben. Der Royal verneint dies meist. Die Summe der Zeitungsberichte habe sein Leben aber in jedem Fall negativ beeinflusst. Im Verlauf der Aussage wirkt er manchmal etwas angestrengt, antwortet aber immer höflich.
Der Anwalt versucht, die Mirror-Group zu entlasten, indem er argumentiert, dass andere Medien die "verdächtigen" Informationen bereits früher, teils Tage zuvor, veröffentlicht hätten. Überdies seien diese oft durch den Palast bestätigt worden. Der 38-Jährige, der mit seiner Familie mittlerweile in Kalifornien lebt, wird an diesem Mittwoch wohl erneut befragt werden.
Mehr als 100 Menschen verklagen die Mirror-Group
Harry begibt sich mit der Klage gegen die Mirror-Group auf einen Kreuzzug gegen jene Medien, die er für den Tod seiner Mutter und sein angespanntes Verhältnis zu seiner Familie verantwortlich macht. Ob der Gerichtsaal dafür der richtige Ort ist? In jedem Fall geht er damit ein hohes Risiko ein. Auch, weil er sich nun wohl bestimmte Zeitungen sowie Boulevard-Journalisten und -Journalistinnen erst recht zu Feinden machen wird.
In dem Fall, der an der Tür des Gerichtssaals in London mit "Various vs. MGN Limited" – also: diverse Kläger gegen MGN – beschrieben wird, ist der Royal zwar der bekannteste, jedoch nicht der einzige Kläger. Mehr als 100 weitere Personen verklagen die Mirror-Group, darunter der ehemalige Fußballer und Fernsehmoderator Ian Wright sowie die britische Pop-Sängerin Cheryl Cole. Die Mirror-Unternehmensgruppe hatte die Vorwürfe der Klägerinnen und Kläger jedoch immer wieder zurückgewiesen und überdies betont, dass diese zu lange damit gewartet hätten, sie zu verklagen.
Harry ist seit mehr als 130 Jahren das erste Mitglied der königlichen Familie, das vor einem Obersten Gericht aussagt. Beim letzten Mal, 1891, noch zu Zeiten Queen Victorias, ging es um gezinkte Kartenspiele. König Charles hält nicht viel von Harrys Weg vor Gericht. Er nannte seine Justizverfahren vor einiger Zeit eine "Selbstmordmission". Bekanntlich stehen sich Harry und seine Familie aber ohnehin nicht mehr allzu nahe. Er und seine Frau, Herzogin Meghan, wetterten unter anderem in ihrer Netflix-Doku über die Royals und die Medien gleichermaßen.