
"Hallo von 1000 Metern unter der Erde", grüßt der amerikanische Höhlenforscher Mark Dickey aus der Tiefe, als er sich nach tagelanger Ungewissheit erstmals melden kann – in einem Video, das internationale Bergretter am Donnerstag in einem vielstündigen Staffellauf an die Erdoberfläche bringen. Dickey war vergangene Woche bei einer Expedition in den Morca-Höhlen unter dem Taurus-Gebirge in der Türkei in 1120 Metern Tiefe mit Magenblutungen zusammengebrochen. Begleiter hatten ihn anschließend in ein knapp 100 Meter höher gelegenes Lager geschafft worden, wo er seither auf seine Rettung wartet.
Der türkische Katastrophenschutz arbeitet mit freiwilligen Bergrettern aus mehreren Ländern daran, ihn im Höhlenlager medizinisch zu stabilisieren und dann durch die engen und gewundenen Tunnel aus der Tiefe emporzuholen, was Tage oder gar Wochen dauern könnte. Nach Angaben des Türkischen Höhlenkletterverbandes ist es eine der größten und schwierigsten Rettungsaktionen, die je unternommen wurden – vergleichbar nur mit der Rettungsaktion 2014 am Untersberg in den Berchtesgadener Alpen.
Die Retter brachten Höhlenforscher Mark Dickey Bluttransfusionen in die Höhle
Zehn bis 15 Stunden braucht ein gesunder und erfahrener Höhlenkletterer nach Angaben des türkischen Verbandes, um das Lager in der Tiefe zu erreichen. Freiwillige haben sich die Strecke untereinander aufgeteilt, um Hilfsgüter und Informationen hinauf und hinab zu schaffen: türkische Helfer an der Oberfläche und bis zur Tiefe von etwa 200 Metern, ungarische Kletterer bis 400 Meter, dann Polen, Italiener, Kroaten und schließlich Bulgaren auf der letzten Etappe von 900 Meter bis zum Lager in 1040 Metern Tiefe. Ein bis zwei Tage dauerte es deshalb anfangs, bis Nachrichten an die Oberfläche gelangten und zurück. Inzwischen schafften es die Retter, eine Telefonleitung von der Oberfläche zu einem Stützpunkt in 700 Meter Tiefe zu legen, den die Melder von Dickeys Lager aus in fünf bis sieben Stunden erreichen können; seither fließen die Informationen schneller.
Zwei Tage nach dem ersten Hilferuf am vergangenen Samstag erreichten Helfer den 40-jährigen Dickey in der Tiefe mit Bluttransfusionen, um seinen offenbar starken Blutverlust zu kompensieren. Die schnelle Reaktion der türkischen Behörden habe ihm das Leben gerettet, sagt der Höhlenforscher in dem Video: "Ich war ganz nah dran am Rand." Inzwischen sei er bei klarem Bewusstsein, aber noch keineswegs genesen; er werde viel Hilfe brauchen, um aus den Höhlen herauszukommen.
Ärzte und Retter berieten am Freitag darüber, ob Dickey den anstrengenden Aufstieg zumindest teilweise selbst bewältigen kann oder komplett mit einer Trage transportiert werden muss. Für die Trage müssten die Höhlentunnel an mehreren Stellen erweitert werden, was jeweils Tage dauern würde und neue Gefahren birgt. Inzwischen ist auch die Versorgung in der Tiefe kompliziert, zumal es dort fast 30 Grad kälter ist als an der Oberfläche im nahen Anamur an der türkischen Mittelmeerküste.
Mark Dickey leitete in der Türkei eine internationale Höhlenexpedition
Dickey, der nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten klettert und selbst als Höhlenretter ausgebildet ist, leitete eine internationale Expedition, um die Tiefen der Morca-Höhlen zu kartografieren und Proben von Bakterien in den Höhlenwänden zu nehmen. Das mehr als fünf Kilometer lange System am Fuß des Taurus-Gebirges ist nach Angaben des Forscherverbandes das dritttiefste in der Türkei.
Aus der Riesending-Schachthöhle am Untersberg in den Berchtesgadener Alpen war der deutsche Forscher Johann Westhauser im Juni 2014 in einer zehntägigen Rettungsaktion von hunderten Helfern aus einer Tiefe von 950 Metern geborgen worden, nachdem er durch einen Steinschlag am Kopf verletzt worden war.