
Sie wollten sich Hunderte Waffen besorgen, Feindeslisten entwerfen, den Reichstag stürmen und die Bundesrepublik stürzen – das waren die Pläne der mutmaßlichen "Reichsbürger" um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Das Mammutverfahren gegen 27 Verdächtige hat bereits begonnen. Am Montag ist die Verhandlung in Stuttgart gestartet. Der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, Andreas Singer, bezeichnete den Prozess zuletzt als "eines der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik".
"Reichsbürger" um Prinz Reuß sollen gewaltsamen Umsturz geplant haben
Im Dezember 2022 stürmten Polizisten in mehreren Bundesländern und im Ausland Wohnungen und Häuser. Nach der großangelegten Anti-Terror-Razzia erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen 27 Verdächtige. Die mutmaßlichen "Reichsbürger" um Prinz Reuß sollen einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben. Sie wollten die bestehende staatliche Ordnung gewaltsam beseitigen und sie durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform ersetzen, so der Vorwurf.
Offenbar hatte die Gruppe Zugriff auf ein massives Waffenarsenal und soll bei den Umsturzplänen bewusst Tote in Kauf genommen haben. Heinrich XIII. Prinz Reuß hätte als Staatsoberhaupt fungieren sollen, die ehemalige Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann hätte für das Ressort Justiz zuständig sein sollen. Neben ihnen gehört auch ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr zu den Beschuldigten.
Dem Plan der Gruppe zufolge hätte eine Übergangsregierung mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs eine neue staatliche Ordnung in Deutschland verhandeln sollen. Denn "Reichsbürger" behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Sie erkennen die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht an.
Drei Hauptverfahren gegen angeklagte "Reichsbürger"
Weil der Fall um Prinz Reuß und die "Reichsbürger" so groß ist, reicht ein Oberlandesgericht nicht aus. Deshalb werden die Beschuldigten auf drei Hauptverfahren aufgeteilt. In Stuttgart geht es ab dem 29. April um den sogenannten militärischen Arm, in Frankfurt sind ab 21. Mai die mutmaßlichen Rädelsführer angeklagt, in München ab 18. Juni die übrigen mutmaßlichen Mitglieder.
Die Verhandlungen werden voraussichtlich komplex und aufwendig. Jedes Gericht muss seine eigenen Beweise erheben und zu seinem eigenen Urteil kommen. Am Ende seien grundsätzlich auch sich widersprechende Urteile möglich, sagt Singer. Es wird erwartet, dass die Bundesanwaltschaft als Anklagebehörde den Überblick behält und die Fäden zusammenhält.
"Reichsbürger"-Prozess in Stuttgart startet am 29. April
Allein in Stuttgart nehmen an der Verhandlung ab Montag (29. April) neun Angeklagte, fünf Richter, zwei Ergänzungsrichter als Ersatzspieler, und nicht weniger als 22 Verteidiger teil. Hinzu kommen strengste Sicherheitsvorkehrungen. Die Angeklagten sitzen hinter dicken Glasscheiben und können per Mikrofon mit ihren Verteidigern sprechen. Bis Januar 2025 sind zahlreiche Termine angesetzt.
Die Angeklagten, die in Stuttgart vor Gericht stehen werden, sollen sich im Jahr 2022 der Vereinigung angeschlossen und sich für den "militärischen Arm" engagiert haben. Dieser habe die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen sollen. Er hätte bereits mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Systems von mehr als 280 militärisch organisierten Verbänden, sogenannten Heimatschutzkompanien, begonnen. Die "Heimatschutzkompanie Nr. 221" soll für den Bereich der Gebiete Freudenstadt und Tübingen zuständig gewesen sein.
Unter den Angeklagten ist auch ein Mann, der am 22. März 2023 bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Reutlingen mehrfach mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr auf Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos geschossen haben soll. Dabei seien zwei Beamte verletzt worden. Ihm wird sich das Gericht direkt zu Beginn des Prozesses widmen. (mit dpa)