"Ich bin froh, dass es endlich losgeht", sagt Frank Hanebuth zu Reportern, als er am Montagmorgen das Gerichtsgebäude am Stadtrand von Madrid betritt. Nahezu zehn Jahre brauchte Spaniens Nationaler Gerichtshof, um den früheren Chef des Hannover-Chapters der Hells Angels, der im Sommer 2013 auf Mallorca festgenommen worden war, auf die Anklagebank zu setzen. Dann ging es, wider Erwarten, doch nicht sofort los: Weil einige der knapp 50 Angeklagten nicht zum Auftakt des Makroprozesses erschienen, verzögerte sich der Start des spektakulären Verfahrens zunächst bis zum Montagnachmittag. Als der Prozess schließlich mit stundenlanger Verspätung eröffnet wurde, teilte die Strafkammer aus drei Berufsrichtern mit, dass mehrere nicht anwesende Angeklagte zur Fahndung ausgeschrieben worden seien.
Hanebuth und seine Mitangeklagten werden beschuldigt, auf der Urlaubsinsel einen Hells-Angels-Ableger gegründet zu haben, um dort das Drogen- und Prostitutionsgeschäft zu kontrollieren. Beim Kampf um die Vorherrschaft im Rauschgift- und Rotlichtgeschäft sei es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit anderen Rockerbanden gekommen, heißt es. Es handelt sich um einen der größten Prozesse, der in Europa jemals gegen die internationale Rockerbande angelaufen ist. Die Hells Angels werden in vielen Staaten mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung gebracht. In etlichen deutschen Bundesländern wurden in der Vergangenheit regionale Gruppen der Hells Angels verboten.
Prozess gegen Hells Angels in Spanien: Angeklagte kommen aus Deutschland und Spanien
Hanebuth war zur Gerichtssitzung nicht in seiner ledernen Hells-Angels-Weste erschienen, auf deren Rückseite üblicherweise ein geflügelter Totenkopf prangt. Sondern er kam in einem eleganten schwarzen Wintermantel. Darunter trug er ein dunkelblaues Hemd. Entspannt nahm der muskelbepackte Zwei-Meter-Mann im Gerichtssaal in der ersten Stuhlreihe Platz. Der 58-Jährige ist eine der Hauptfiguren in diesem Mammutprozess, in dem sich mutmaßliche Mitglieder und Komplizen der berüchtigten Rockerbande verantworten müssen. Die meisten stammen aus Deutschland und Spanien. Ihnen wird vorgeworfen, zwischen 2009 und 2013 eine ganze Latte von Delikten auf Mallorca begangen zu haben.
Das Revier der „Höllenengel“ soll vor allem das „Ballermann“-Vergnügungsviertel in Mallorcas Ferienhochburg Playa de Palma gewesen sein. "Eine der wichtigsten kriminellen Aktivitäten und Finanzierungsquellen war die Prostitution", heißt es im Ermittlungsbericht, der dieser Zeitung vorliegt. Mitglieder der Gruppe hätten Frauen aus Osteuropa mit falschen Versprechungen nach Mallorca gelockt und dann zur Prostitution gezwungen. Zu den weiteren Vorwürfen gehören: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Nötigung, Zuhälterei, Drogenhandel, Freiheitsberaubung, Betrug, Geldwäsche und illegaler Waffenbesitz. Insgesamt fordert die Staatsanwaltschaft Haftstrafen in Höhe von nahezu 300 Jahren Gefängnis.
Staatsanwaltschaft fordert 13 Jahre Haft für Hells Angel Frank Hanebuth
"Frank Hanebuth war der Kopf der Organisation auf Mallorca", schreiben die Ermittler in ihrem Untersuchungsbericht. Die Staatsanwaltschaft fordert für ihn 13 Jahre Haft. Dass Hanebuth, der auch in seiner deutschen Heimatstadt Hannover immer wieder mit Rotlichtgeschäften in Verbindung gebracht wurde, im Falle eines Schuldspruches tatsächlich so lange hinter Gitter muss, ist jedoch unwahrscheinlich. Hanebuth saß nach seiner Festnahme auf Mallorca im Sommer 2013 bereits zwei Jahre in Untersuchungshaft. Diese Zeit müsste ihm auf eine künftige Haftstrafe angerechnet werden. Und auch die lange Verzögerung bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Vorwürfe könnte sich in einem Strafrabatt niederschlagen.
Der Prozess findet nahezu zehn Jahre nach der "Operation Casablanca" statt, mit der die Polizei im Juli 2013 gegen die Hells Angels vorging. Damals wurden Hanebuth und 26 weitere Verdächtige festgenommen. Hanebuth lebte damals auf einer luxuriösen Finca im Inselinneren. Die Finca soll, den Ermittlungen zufolge, für 2,5 Millionen Euro über Strohmänner erworben worden sein. Der Name der Finca lautetet "Paraiso". Auf Deutsch: Paradies. Damals, als er seinen Wohnsitz von Hannover auf das paradiesische Mallorca verlegte, war Hanebuth offenbar so begeistert von der Insel, dass er sich den Namen des Eilandes in großen roten Buchstaben auf seinen linken Unterschenkel tätowieren ließ. Inzwischen ist seine Liebe zu Mallorca offenbar ziemlich abgekühlt. Auf der Insel habe er mittlerweile alle Zelte abgebrochen, sagte Hanebuth der Mallorca Zeitung kurz vor Prozessbeginn. Er sei in den vergangenen Jahren höchstens mal kurz auf der Insel gewesen – und zwar als normaler Tourist.