Irgendwann kommt der Moment, in dem sich Söhne von ihren Vätern emanzipieren. Im Fall von Pier Silvio Berlusconi geschah das vielleicht erst kurz vor dem Tod des viermaligen italienischen Ministerpräsidenten und Multimilliardärs im vergangenen Sommer. Schon seit 2015 leitet Pier Silvio den vom Vater gegründeten Medienkonzern Mediaset, heute unter dem Namen Media For Europe (MFE). Nie wagte sich der Junior so weit aus dem Fenster wie bei der Ankündigung, MFE werde die bekannte Fernsehmoderatorin Bianca Berlinguer vom Staatsfernsehen Rai abwerben. "Als ich das meinem Vater erzählte, zog er nur die Augenbraue hoch", erzählte der Sohn vor einigen Monaten.
Weniger Platz für Trash-TV, dafür mehr Inhalte
Dazu muss man wissen, dass Silvio Berlusconi bis zum Schluss ein überzeugter Anti-Kommunist war, Berlinguer die Tochter des letzten großen Kommunistenführers Enrico Berlinguer ist und gewiss nicht auf der politischen Linie Berlusconis liegt. Es gehörte also durchaus eine gewisse Chuzpe zu der Verpflichtung, die wegweisenden Charakter haben sollte. Pier Silvio Berlusconi, zusammen mit seiner älteren Schwester Marina Mehrheitseigner des Familienkonzern Fininvest, will MFE seriöser machen. TV-Trash soll bei den Berlusconi-Sendern immer weniger Platz haben.
Dazu kaufte der 54 Jahre alte Junior eine ganze Reihe Moderatorinnen und Moderatoren ein, die man zu Zeiten seines Vaters gewiss nicht bei Mediaset gesehen hätte. Es gibt nun auch kritische Stimmen bei Canale 5, Rete 4 und Italia 1 – und weniger Klatsch. Kehrt in der langen Zeit für ihre Stimmungsmache berüchtigten Berlusconi-Sendern eine neue Ernsthaftigkeit ein, Pier Silvio sei Dank?
Die Einschaltquoten überstiegen 2023 die des italienischen Staatsfernsehens
Der Tod des Vaters war gerade zwei Wochen vorbei, als Berlusconi Junior den neuen Ton ankündigte. "Weniger Exzesse, mehr Information", lautete seine Devise. Beinahe zeitgleich konnte der MFE-Chef feiern, dass Mediaset 2023 eine Durchschnitts-Einschaltquote von 37,7 Prozent erreicht hatte und damit erstmals das Staatsfernsehen übertraf. Dort setzt die Regierung einem parteiübergreifenden Ritual folgend eigene Gefolgsleute an Schlüsselstellen. Das Publikum goutiert das weniger.
Berlusconi Junior will Media For Europa dem Namen entsprechend zu einem europäischen Konzern umbauen. Die spanische Tochter Mediaset España ist komplett integriert. Stück für Stück hat MFE auch seine Beteiligung an Pro 7 Sat 1 in Deutschland auf bis zu 29 Prozent erhöht. Auch wegen des zweifelhaften Images der Mediaset-Sender kam es aber nie zu einer Kooperation. Gut möglich, dass die Image-Kur vor allem strategische Hintergründe hat. Ein Berlusconi weiß schließlich: Inszenierung ist alles.