Es ist ein Leichtes, sich Cary Grant in diesem Dekor vorzustellen, wie er es sich auf einem der mit rotem Samt bezogenen Stühle bequem macht und an seinem Glas Whisky nippt. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, die kleinen roten Lampenschirme tauchen die Bar des Hotel „Raphaël“ stets in ein schummriges Licht. Die Wände sind mit dunklem Holz verkleidet und mit modernen Gemälden geschmückt. Diese verleihen der getragenen Stimmung Frische. In Sachen Stil ist dieser Ort der Inbegriff von Paris.
Robert de Niro benannte seinen Sohn nach dem Hotel
Lang ist die Liste der Stars, die wie Cary Grant in einer der Suiten des „Raphaël“ logierten: Audrey und Katharine Hepburn, Ingrid Bergman und Roberto Rossellini, Grace Kelly oder Serge Gainsbourg. Robert de Niro benannte sogar seinen Sohn nach dem Hotel, das einen Steinwurf vom Triumphbogen entfernt liegt. Noch immer kommen Berühmtheiten aus der Film- oder der Musikbranche, reisen aber oft unter Pseudonym an. Seit Jahrzehnten genießt das „Raphaël“ große Bekanntheit in Hollywood. Zugleich diente es immer wieder als Drehort. „Vielen Regisseuren gefällt, dass die Zimmer sehr klassisch, sehr Pariserisch sind“, sagt Véronique Beauvais-Crefcoeur, die Präsidentin der familiengeführten Baverez-Hotelgruppe.
Zu ihr gehören die letzten drei 5-Sterne-Hotels in Paris, die sich noch in französischer Hand befinden – die anderen 100 sind im Besitz von Firmen oder Geschäftsleuten aus China, Saudi-Arabien oder, wie im Fall des „Bristol“, einer Filiale der deutschen Oetker Hotel Management Company. Zur Baverez-Gruppe gehören neben dem „Raphaël“ das benachbarte „Majestic Hôtel-Spa“ und das „Regina“ in der Nähe des Louvre. Manchmal kommt es zu amüsanten Verquickungen. „In LucBessons Film ‚Nikita` läuft die Hauptfigur abends durch einen Flur des ‚Raphaël`, wacht am nächsten Morgen in einem Zimmer des ‚Regina“ mit Blick auf den Lido von Venedig auf und geht ins Badezimmer des ‚Raphaël‘“, erzählt Beauvais-Crefcoeur lachend. „Das ist die Magie des Kinos!“
Marken wie Yves Saint Laurent oder Gucci drehten kürzlich in ihren Hotels Filme für Werbekampagnen, Balmain und Miu Miu organisierten Modeschauen. Eine neue Serie über das Leben von Christian Dior mit Juliette Binoche in der Rolle der Coco Chanel entstand hier. Das „Raphaël“ mit seinen Art-Déco-Elementen, den Holzvertäfelungen und auffällig gemusterten Stoffbezügen vermittelt Pariser Eleganz. „Wer es bevorzugt, wenn alles modern, weiß und beige ist, wird sich hier weniger wohlfühlen“, sagt Beauvais-Crefcoeur. Die meisten Gäste kämen traditionell aus den USA und dem Mittleren Osten, seit der Corona-Pandemie allerdings mehr aus Frankreich und Europa, sagt die elegante 51-Jährige.
Die Hotelgruppe geht auf ihren Urgroßvater Constant Baverez zurück. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Léonard Tauber eröffnete er 1900 zur Weltausstellung in Paris das „Regina“, die beiden weiteren folgten 1908 und 1925. Zur Zeit der langen transatlantischen Reisen dienten die Hotels vor allem der Unterbringung reicher nord- und südamerikanischer Familien, die mit riesigem Gefolge kamen. Tauber und Baverez waren passionierte Kunstliebhaber mit eigenen Sammlungen. Originale daraus hängen in den Zimmern und Suiten.
Als Baverez im Jahr 1930 unerwartet starb, übernahm sein Sohn Paul widerwillig. Wie alle Pariser Luxushotels konfiszierten die deutschen Besatzer ab 1940 jene der Baverez-Familie. Offiziere der SS, der Gestapo und Wehrmacht richteten sich ein und organisierten ihre Aufgaben von hier aus. Unter ihnen befand sich Ernst Jünger, Schriftsteller und Hauptmann der Wehrmacht, verfasste hier seine „Pariser Tagebücher“, welche 1949 in sein Buch „Strahlungen“ eingingen.
Noch ist die Nachfolge im Familienunternehmen offen
Nach der Befreiung von Paris 1944 übernahm Paul Baverez wieder das Geschäft, das er gut 35 Jahre später an seine Tochter Françoise übergab. Sie wiederum kündigte 2010 ihrer Tochter Véronique an, in Rente zu gehen und sie als Nachfolgerin einzusetzen. Beauvais-Crefcoeur, die im „Majestic“ aufwuchs, arbeitete damals bereits als stellvertretende Generaldirektorin der Baverez-Gruppe und war junge Mutter. „Ich sagte zu ihr: Okay, du überlässt mir deine drei Babys – aber dann hilf mir bitte mit meinen drei Babys.“ Heute sind ihre Töchter volljährig und wollen in die Hotellerie-Branche gehen. Ob sie das Familienunternehmen später übernehmen, sei noch nicht ausgemacht, sagt die Chefin. Eines käme jedoch nicht infrage: Die Gruppe aufzuteilen oder zu verkaufen. An Angeboten fehlte es nie. „Aber wir haben eine Geschichte. Und die schreiben wir fort.“