
Was wäre der tollpatschige Kochgehilfe Linguini ohne die pfiffige Wanderratte Rémy, die ihm erst die verpatzte Suppe rettet, ihm dann an die Spitze eines Pariser Restaurants und schließlich zu dessen Aufschwung verhilft? Der Disney-Animationsfilm "Ratatouille" erzählt vom perfekten Zusammenspiel zwischen Mensch und Ratte. Beide kommen dadurch auf ihre Kosten. Hat sich also die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo von dieser herzergreifenden Geschichte inspirieren lassen, als sie eine neue Arbeitsgruppe ins Leben rief, die sich um ein besseres "Zusammenleben mit den Ratten" kümmern soll?
In Paris gibt es schätzungsweise dreimal so viele Ratten wie Bewohner
Auf 6,5 Millionen wird die Zahl der kleinen Nager in der französischen Hauptstadt geschätzt. Sie ist damit mehr als dreimal so hoch wie die Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner innerhalb der Stadtgrenzen. Einer internationalen Studie zufolge befindet sich Paris hinsichtlich der Anzahl von Ratten auf dem vierten Platz der Metropolen weltweit – hinter London, New York und der indischen Kleinstadt Deshnoke, in der ein Tempel tausende der Nagetiere beherbergt.
Das Rathaus von Paris sieht sich regelmäßig wegen einer angeblich unzureichenden Bekämpfung der Tiere Anfeindungen ausgesetzt. Besonders tut sich hierbei der konservative Bürgermeister des 17. Arrondissements im Nordwesten der Stadt, Geoffray Boulard, hervor. Durch sein Engagement gegen die Rattenplage hat er einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Vor mehreren Jahren zum Beispiel rief er eine Internetseite ins Leben, auf der Bürgerinnen und Bürger Ratten melden können, damit Fachleute gezielt dorthin geschickt werden. "Innerhalb von drei Jahren hat sich die Zahl der Meldungen verdreifacht", sagte er im vergangenen Herbst. Der Lokalpolitiker ist nun auch Wortführer all derer, die die jetzt bekannt gewordenen Pläne der Stadt als eine Art Kapitulation auffassen – während Tierschützer sie loben.
Liegenlassen von Essensresten fördert Vermehrung der Ratten
Auch mithilfe eines seit zwei Jahren laufenden Forschungsprojekts mehrerer Institutionen sollen Ratten sowie Gefahren, die von ihnen ausgehen, besser verstanden werden. Es gehe darum, "effizienter in der Bekämpfung der Ratten zu sein und zugleich dafür zu sorgen, dass sie nicht unerträglich für die Pariser sind", beschrieb die grüne Stadträtin Anne Souyris in reichlich schwammigen Worten die Zielsetzung. Unterstrichen wird zudem die Verantwortung der Menschen selbst an der Ausbreitung der Tiere. Die Stadt schaffe neue Müllbehälter und tödliche Fallen an, "wenn es unvermeidlich ist", so Souyris, setze aber vor allem auf Prävention und das Verteilen von Bußgeldern.
Denn das Liegenlassen von Verpackungen und Essensresten gehört zu den Hauptursachen der starken Vermehrung der Ratten, die nicht bloß nachts aus ihren Verstecken kommen, sondern oft auch tagsüber. Gerne lassen sie sich an von Touristen besuchten Orten wie um den Louvre oder um den Eiffelturm blicken. Dort finden sie besonders viel Futter.
Die Streiks der Müllabfuhr im Frühjahr vergrößerten das Rattenproblem
Bereits 2016, zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt, lancierte Bürgermeisterin Anne Hidalgo einen Rattenbekämpfungsplan mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro: Unter anderem werden seitdem offene Müllbeutel durch geschlossene Container ersetzt und es gibt gezielte Reinigungsaktionen. Als im Frühjahr die städtische Müllabfuhr vor dem Hintergrund des Widerstands gegen die Rentenreform der Regierung wochenlang streikte und sich riesige Berge von Müll an Straßenrändern und auf Gehwegen türmten, warnten Experten: Dadurch würden die Ratten bestens genährt und noch mehr angezogen. Die Stadt unter der Ägide der Sozialistin Hidalgo, einer Gegnerin der Reform, unterstützte die Streiks gleichwohl demonstrativ. Auch auf die Gefahr einer noch größeren Rattenplage hin.