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Kommentar: Datenschutz für Fassaden? Es ist unsinnig, Häuser bei Street View pixeln zu lassen
Nach 13 Jahren fotografiert Google wieder Deutschlands Straßen für den Dienst Street View. Endlich! Dieses Mal darf keine Datenschutz-Panik das Projekt torpedieren.
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Foto: dpa | Die Google-Autos fahren wieder durch Deutschland.
Jakob Stadler
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:55 Uhr

Beim Online-Spiel "GeoGuessr" wird Nutzerinnen und Nutzern ein zufälliges Bild von Street View angezeigt, dem Google-Dienst, der 360-Grad-Fotos von Straßen weltweit bereitstellt. Dann gilt es, den Ort auf einer Weltkarte zu finden. Geübte Spielerinnen und Spieler kennen allerlei Anhaltspunkte: ländertypische Straßenschilder, Fahrbahnmarkierungen oder gar spezielle Strommasten. Und dann gibt es diesen Trick: Sind viele Gebäude verpixelt, ist es Deutschland.

Das liegt am speziellen Verhältnis zum Datenschutz hierzulande. 2010, als der Internetriese erstmals Fotos seiner Kameraautos aus den größten Städten des Landes veröffentlichte, gab es eine Protestwelle. Fast 250.000 Anträge auf Unkenntlichmachung gingen bei Google ein. Es ging um Gebäude-Fassaden, wohlgemerkt – Gesichter und Autokennzeichen werden ohnehin verpixelt. Der Konzern beschloss deshalb 2011, Street View in Deutschland nicht weiter auszubauen. Ländliche Gebiete wurden gar nicht erst fotografiert. Während sich Urlauber in den meisten Ländern der Erde vorab die Umgebung ihrer Hotels ansehen können, erfahren sie in Deutschland daher nur: Hier legt die Nachbarschaft offenbar großen Wert darauf, dass man ihre Fassaden nicht sehen kann.

Alles verpixelt: Probleme wie in Deutschland gab es für Google Street View in anderen Ländern nicht

Das kann sich jetzt ändern. Denn nach über einem Jahrzehnt aktualisiert Google die Aufnahmen. Teilweise wurden bereits neue Fotos hochgeladen, zudem sind seit Juni Google-Autos in ganz Deutschland unterwegs. Damit soll der große weiße Fleck auf der Street-View-Karte in Europas Mitte verschwinden. Es ist zu hoffen, dass dies nicht wieder durch Datenschutz-Panik torpediert wird.

Bisher bleibt eine Protestwelle der Größenordnung von 2010 aus– hoffentlich auch auf Dauer. Datenschutz wird, gerade wenn es um die Digitalisierung geht, oft als Totschlagargument verwendet. Projekte wie die Digitale Verwaltung, die E-Akte und das Elektronische Rezept werden verkompliziert, verschleppt, verhindert. Nun ist Datenschutz grundsätzlich sinnvoll. Doch wirklich konsistent ist die Haltung vieler nicht. Schließlich gibt jeder, der ein Smartphone nutzt, einem amerikanischen Konzern sensiblere Daten preis als Street-View-Fotos.

Fotos von Fassaden greifen nicht gerade tief in die Privatsphäre ein

Wie ein Haus von außen aussieht, greift nicht gerade tief in die Privatsphäre ein. Das Haus mit der Person, die dort wohnt, zusammenzubringen, kann ohnehin nur, wer die Adresse kennt. Und diejenigen können auch analog dorthin fahren, sich umschauen, sogar selbst Fotos machen. Warum sollten Fassaden, die in der analogen Welt jeder sehen kann, in der digitalen Welt privat bleiben?

Statt um echte Datenschutz-Sorge geht es eher um ein diffuses Angstgefühl. Bei der ersten Foto-Runde war das verständlich – der Dienst war neu, viele Menschen verunsichert, weil sie nicht wussten, was auf sie zukommt. Inzwischen ist Street View etabliert. Es hat sich gezeigt, dass die Sorgen unbegründet waren. Dass die Fotos, wie es manche 2010 befürchteten, zu Einbruchswellen geführt hätten, ist nicht bekannt. Und es gibt längst eine Reihe ähnlicher Produkte. Apples "Look Around" musste gegen keinen vergleichbaren Gegenwind ankämpfen.

Wer das Aussehen seines Hauses unbedingt geheim halten will, kann erneut einer Veröffentlichung widersprechen, auch wenn es unsinnig ist. Stattdessen könnte man auch gleich über eine ganz analoge Möglichkeit nachdenken. Denn hohe Hecken oder Zäune verhindern auch digitale Fotos.

 
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