Frau Zimmermann, welche Aufgaben hat man als Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin?
Diana Zimmermann: Oh, wie viel Zeit haben Sie denn?
Ausreichend…
Zimmermann: Also: Zunächst einmal bin ich verantwortlich für die rund 20 bundespolitischen Korrespondentinnen und Korrespondenten in Berlin. Zudem teile ich mir die Moderation der Sendung „Berlin direkt“ und die politischen Schalten in die Abendsendungen mit meiner Stellvertreterin Shakuntala Banerjee. Mit der Sendezentrale in Mainz stehe ich in enger Absprache sowohl zum aktuellen Informationsprogramm als etwa auch zum Strategieprozess des ZDF. Daneben gibt es jede Menge repräsentativer Aufgaben, viele Hintergrundgespräche. Und natürlich gehe ich in den Bundestag und zu politischen Veranstaltungen. Zugleich bin ich nominell Repräsentantin des gesamten Hauptstadtstudios – ich erspare Ihnen Details. Die Kunst besteht darin, die organisatorischen Aufgaben mit den inhaltlichen zusammenzubringen.
Das klingt nach keinem Nine-to-five-Job. Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag aus?
Zimmermann: Ich wache früh auf und schaue, was die Nachrichtenlage hergibt. Dann trinke ich einen Kaffee und radle zur S-Bahn Richtung Studio. Um zehn Uhr ist Teamsitzung, dann folgen Personalgespräche und Organisatorisches. Ab zwölf Uhr ist die Schalte, in der das aktuelle Programm besprochen wird. Dann folgen weitere organisatorische Aufgaben, bevor ich mich in die tagespolitische Lage einarbeite. Um 17 und 19 Uhr stehen Live-Gespräche in die "heute"-Nachrichtensendungen an oder ich erledige das, was vom Tage übrig blieb. Wenn das "heute journal" keine Schalte mehr benötigt, habe ich ab 19.30 Uhr Dienstschluss – es sei denn, es gibt noch Veranstaltungen. Daheim schaue ich dann in der Mediathek die Abendsendungen.
Das bedeutet Stress, oder?
Zimmermann: Das ist wahr, aber es ist auch sehr aufregend, keine Minute langweilig.
Derzeit werden die Nachrichten dominiert von gewaltsamen Konflikten und Haushaltslöchern. Viele Zuschauer klagen, dass Nachrichtensendungen zu negativ seien. Was sagen Sie?
Zimmermann: Darüber diskutieren wir viel, denn es ist ein Problem, wenn dadurch die "Nachrichtenmüdigkeit" zunimmt. Es ist alarmierend, dass sich schon heute 30 Prozent der Bevölkerung gar nicht mehr mit Nachrichten beschäftigen wollen. In unseren aktuellen Magazinen präsentieren wir eine Mischung aus schweren und leichteren Informationen. Und auch in den Nachrichtensendungen bemühen sich die Redaktionen darum, wenigstens ein leichteres Stück pro Ausgabe anbieten zu können. Aber die Nachrichtenlage ist nun einmal wie sie ist. Doch vielleicht müssen wir noch mehr Perspektiven aufzeigen. Klar ist aber: Rein positiver Journalismus funktioniert bei uns nicht. Und wir wollen auch nicht eine Situation wie in China, wo ich früher als Korrespondentin gearbeitet habe. Da wird in den Nachrichtensendungen erst dann über Ereignisse und Sachverhalte berichtet, wenn sie von der Kommunistischen Partei positiv gelöst wurden.
Gerade in politisch rechten Kreisen sind ARD und ZDF als "Staatsmedien" verpönt und werden scharf angegriffen. Wie spiegelt sich das in Ihrem Alltag wider?
Zimmermann: Das beschäftigt uns, aber wir haben gute Argumente dagegen. Und insgesamt ist das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Sender hoch, auch wenn die absoluten Zuschauerzahlen im linearen Fernsehen abnehmen. Angesichts der unübersichtlichen Nachrichtenlage und der vielen Fake News in den sozialen Netzwerken wird täglich deutlich, wie wichtig die Aufgabe ist, gut recherchierte Informationen bereitzustellen. Der Vorwurf "Staatsmedien" kann da nur von Leuten kommen, die nicht wissen, was das ist. Über China hatten wir ja gerade schon gesprochen.
Stichwort Peking: Wie frei kann man da als Deutsche journalistisch arbeiten?
Zimmermann: Wir konnten schon arbeiten, das geht auch in China, und auch, wenn die Behörden das zu verhindern versuchen. Als ich dort gearbeitet habe, gab es rund um die Olympischen Spiele durchaus eine Phase, in der journalistisch viel möglich war. Das hat seitdem wieder abgenommen. Und inzwischen ist es schwierig. Mit Kollegen habe ich gerade eine Doku über China, Taiwan und Deutschland gedreht und da wurde deutlich, wie viel schwieriger das Arbeiten für die Kolleginnen in China derzeit ist. Früher etwa waren die ausländischen Journalisten für Chinesen Anlaufstellen – in der Hoffnung, dass Berichte Konsequenzen haben, was sie auch zuweilen hatten. Inzwischen herrscht in China Angst davor, überhaupt nur mit Ausländern zu sprechen, weil die Regierung das schon als Hinweis auf Verrat betrachtet.
Sie selbst sprechen Mandarin. Wie stark hilft einem das bei der Arbeit in der Volksrepublik?
Zimmermann: Das hilft sehr und macht in China großen Spaß. Ich habe Mandarin schon als Teenager in der Volkshochschule zu lernen versucht. Ich fand die Vorstellung so faszinierend, dass man die meistgesprochene Sprache der Welt beherrscht. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man China gesehen haben, um unsere Welt zu verstehen.
In Ihrem neuen Job wird es möglicherweise noch stressiger als zuvor. Was sind Ihre Gegenmaßnahmen?
Zimmermann (denkt lange nach): Ich arbeite wirklich gerne. Das ist ein großartiger Job, der eine ständige Herausforderung ist. Ich entspanne mich, indem ich viel Fahrrad fahre, um Seen spaziere und so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie oder Freunden verbringe.
Aber sie haben aus dem Fernen Osten keine speziellen Entspannungstechniken mit nach Hause gebracht?
Zimmermann: Doch, tatsächlich. Ich versuche mich manchmal in Qi Gong. Ich hatte mir vor Antritt der neuen Stelle fest vorgenommen, es regelmäßig zu praktizieren, aber das klappt nicht.