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Interview
"Enthüllungen offenbaren, dass Royals nicht besser sind als wir selbst"
Nun ist die Autobiografie von Prinz Harry auf dem Markt. Der Historiker Andrew Blick erklärt, wie der Königssohn die Monarchie entzaubert.
Susanne Ebner
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:31 Uhr

Mister Blick, Prinz HarrysAutobiografie„Spare“ (deutsch: „Reserve“) hat nicht nur in Großbritannien für viel Aufsehen gesorgt. Wie erklärt sich diese immense Aufregung?

Andrew Blick:Dass ein Royal eine Autobiografie selbst schreibt, gab es noch nie und somit ist dies tatsächlich ein außergewöhnliches Ereignis.

Außergewöhnlich ist auch, wie detailreich die Enthüllungen des Prinzen sind. Er verrät sehr viel über das Privatleben seiner Familie, berichtet über die Auseinandersetzungen mit seinem Bruder William, von seinem ersten Sex sowie seinem Drogenkonsum.

Blick: Für gewöhnlich ist die königliche Familie daran interessiert, familiäre Angelegenheiten privat zu klären. Indem die Menschen nicht genau wissen, was die Royals tun, erhält sich das Königshaus eine gewisse Magie. Während sich Politiker streiten und Posten in Westminster ständig neu besetzt werden, steht die königliche Familie gewissermaßen über den Dingen. Zurzeit sieht sich die britische Gesellschaft mit vielen Herausforderungen und Veränderungen konfrontiert. Großbritannien hat die EU verlassen. Die britische Regierung war und ist in allerlei Skandale verwickelt. Durch die Enthüllungen des Prinzen gerät nun auch noch jene wichtige Institution unter Druck, die eigentlich für Stabilität in der Gesellschaft sorgen soll.

Harry entzaubert also die Monarchie?

Blick: Ja, seine Enthüllungen offenbaren, dass die Royals eigentlich nicht besser sind als wir selbst. Und das ist in der Tat ein Problem. Wie ernst dieses Problem ist, muss sich allerdings noch zeigen. Schließlich haben sie ihre Ämter nicht inne, weil sie besonders gut dafür geeignet sind. Sie wurden in diese Rolle hineingeboren.

Gefährden die Enthüllungen die Regentschaft von König Charles III.?

Blick: Während der Übergang der Krone von Königin Elizabeth II. auf ihn recht reibungslos verlief, steht Charles III. nun vor der ersten echten Krise seiner Regentschaft. Gleichzeitig ist dies aber nicht der erste Skandal in der Geschichte des britischen Königshauses. Schon Prinzessin Margaret, die jüngere Schwester der verstorbenen Königin Elizabeth II., sorgte in den 60er Jahren durch ihren ausschweifenden Lebensstil für Schlagzeilen. Auch Bücher über Royals gab es schon. Anfang der 90er Jahre spielte Prinzessin Diana dem Journalisten Andrew Morton Informationen zu. Dieser schrieb auf dieser Grundlage eine Biografie. Die Monarchie hat sich als sehr strapazierfähig erwiesen.

Sie gehen also davon aus, dass die Monarchie auch diese Kriseüberlebt?

Blick: Ja, um die Monarchie abzuschaffen, bräuchte es außerdem etablierte Politiker, die dies fordern. Und davon sind wir weit entfernt. Damit will ich aber nicht sagen, dass die Institution für immer sicher ist. Schließlich wurde sie im 17. Jahrhundert schon einmal für kurze Zeit abgeschafft. Für einen derartigen Wandel sind dann aber eher langfristige gesellschaftliche Trends verantwortlich – weniger ein konkretes Ereignis wie dieses.

Bei der ganzen Aufmerksamkeit für Prinz Harrys Buch drängt sich eine Frage auf: Waren die Missbrauchsvorwürfe gegen Prinz Andrew, seine Freundschaft zu dem verurteilten und mittlerweile verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein nicht der viel größere Skandal?

Blick: Natürlich wissen wir nicht, was da tatsächlich passiert ist. Die Vorwürfe gegen ihn wurden jedoch von den Medien weniger intensiv beleuchtet. Das liegt auch daran, dass viele britische Zeitungen eher unkritisch über die Royals berichten. So thematisieren diese zwar Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, prinzipiell infrage gestellt wird die Monarchie nicht. Harry hatte ja ebenfalls Probleme angesprochen, die seiner Meinung nach diskutiert werden sollten – wie das Thema Misogynie, Frauenfeindlichkeit. Der Fokus der Medien liegt jedoch woanders.

Gerüchten zufolge will auch Herzogin Meghan eine Autobiografie veröffentlichen. Es scheint kein Ende des Dramas in Sicht.

Blick: Ich glaube, dass sich das Problem zwischen Prinz Harry und dem Rest der königlichen Familie auch in Zukunft nicht löst. Wahrscheinlicher ist, dass der Konflikt weiter anhält, allerdings auf einem niedrigeren Niveau. Denn so kann es natürlich auch nicht ewig weitergehen.

Der Palast hat sich bislang nicht zu den Anschuldigungen von Prinz Harry geäußert. Warum?

Blick: Ich denke, dass das die richtige Strategie ist. Wenn der Palast versuchen würde, die Anschuldigungen zu leugnen, würde er den Medien nur noch mehr Treibstoff liefern. Deshalb ist es in der Tat besser, nichts zu sagen.

Zur Person:Andrew Blick, 49, ist Historiker und Politikwissenschaftler. Er ist Leiter des "Centre for British Politics and Government" am King's College in London. 

 
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