Frau Schudt, sind Sie heute schon gejoggt?
Anna Schudt: Ja, in der Tat. Ich war heute schon fleißig.
Und wie lange sind Sie gelaufen?
Schudt: (lacht) Na ja, ich gehe, wenn ich kann, um 7.30 Uhr mit meinen Kindern aus dem Haus. Da laufe ich meine Runde am Rhein entlang – so in etwa eine halbe bis Dreiviertelstunde. Dann bin ich gerüstet für den Tag.
Also waren Sie genau die richtige Besetzung für den Film „Laufen“, in dem eine Frau nach dem Suizidtod ihres Mannes mit Bewegungssport beginnt, um wieder ins Leben zurückzufinden.
Schudt: Ehrlich gesagt, habe ich das Laufen erst aus dem Film mitgenommen. Vorher war ich Gelegenheitsjoggerin, aber ich habe das nie richtig gerne gemacht. Und jetzt musste ich feststellen, dass Laufen erst Spaß macht, wenn man es kontinuierlich betreibt. Auch jetzt merke ich, dass ich nach Pausen immer wieder Zeit brauche, um in den Rhythmus zu kommen. Da muss man Geduld haben, deshalb versuche ich inzwischen, das Laufen in mein Leben so zu integrieren, dass es einen Verlauf hat und nicht nur ein spontanes Erlebnis ist.
Im Film werden Sie als Juliane von Ihrer Freundin gedrängt, die Trauer und die Schuldgefühle durch Laufen hinter sich zu lassen. Wie haben Sie sich in die Rolle der Witwe eingefunden?
Schudt: Es war natürlich eine Herausforderung, das Innerseelische dieser Frau zu ergründen, wenn man so etwas selbst noch nicht erleben musste. Es geht um sehr komplexe und oft widersprüchliche Emotionen. Auch das ungewohnte Laufen zu trainieren, war eine Aufgabe. Zudem musste ich Cello spielen. Aber ich hatte einen Vorlauf von einem Jahr, um mich vorzubereiten. So konnte ich alles mit viel Ruhe angehen.
Zum Cello: Sie haben eine ganz ordentliche Fingerstellung und ein gutes Vibrato beim Spielen. Haben Sie das selbst gespielt oder mit Double?
Schudt: Tatsächlich habe ich früher ganz gut Cello gespielt. Aber ich hatte das Instrument 20 Jahre nicht mehr angefasst. Insofern war das die Gelegenheit, die Bratschistin der Buchvorlage in eine Cellistin umzuwandeln und wieder zu spielen. Ich habe angefangen, Unterricht zu nehmen, um mich akribisch diesem Instrument zu widmen. Im Prinzip war die Aufgabe für mich fünf Nummern zu groß, aber mein Ehrgeiz war es, so gut zu werden, dass ich kein Double brauche. Das ist mir gelungen.
Haben Sie persönlich schon mal so einen ähnlichen Fall der Trauer durchmachen müssen?
Schudt: Nein, glücklicherweise ist mir so etwas noch nie passiert.
Glauben Sie wirklich, dass man seinen Trauergefühlen am Ende einfach davonlaufen kann?
Schudt: Nein, aber man kann durch sie hindurchlaufen. Davonlaufen ginge gar nicht. Ich zolle da auch allen Trauernden tiefsten Respekt und Mitgefühl, sie müssen durch die Hölle – und wahrscheinlich nicht nur einmal. Das macht auch diese Figur. Was man tun kann, ist irgendwann aufstehen und Schritt für Schritt nach vorne gehen.
Was unternehmen Sie, wenn Sie als Anna Schudt Kopf und Seele freikriegen wollen?
Schudt: Laufen ist auch für mich ein gutes Mittel. Am liebsten gehe ich in die Berge oder ans Wasser. Natur ist ein Allheilmittel für mich. Dazu kommt Musik, die absolut lebenswichtig ist. Und ich muss weg vom Telefon und vom Internet und von allem, was mich sonst noch ablenkt, irgendwohin, wo sich die Gedanken beginnen, selbst zu denken.
Sodass alles aus sich selbst herauswächst?
Schudt: Ja, das passiert, wenn man so mit dem Körper beschäftigt ist, dass er sich anstrengen muss. Dann hört der Kopf auf, sich selber zu sabotieren und permanent die Sinnfrage zu stellen. Wenn ich zehn Stunden wandere, sind Dinge gedacht, die ich aktiv nicht hinkriege.
Kann man am Ende des Films als Erkenntnis sagen: ausatmen, die Füße voreinander setzen, Musik machen, Spaß und Sex haben, loslassen – ist das die Quintessenz des Lebens?
Schudt: Auf jeden Fall sind das alles wichtige Dinge für ein erfülltes Leben.
Apropos Trauer: Trauern Sie Ihrer freiwillig aufgegebenen Rolle im Dortmunder "Tatort" noch manchmal nach?
Schudt: Nein, denn hätte ich irgendeinen Zweifel an der Entscheidung gehabt, hätte ich es nicht gemacht. Deswegen erübrigt sich jegliches Nachtrauern. Ich habe schon während der Dreharbeiten des letzten Films getrauert, habe mich aber gründlich von allen verabschiedet. Auf zu neuen Ufern!