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Augsburg
Schauspieler Devid Striesow: „Statussymbole sind mir ziemlich egal“
Devid Striesow feiert als Schauspieler sehr große Erfolge. Jetzt hat er einen ganz speziellen Waschbären aus dem Marvel-Universum eingesprochen. Woran er aktuell arbeitet.
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Foto: Soeren Stache, dpa | Schauspieler Devid Striesow macht viel Theater und Lesungen. Aber auch als Podcaster ist er aktiv.
Josef Karg
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:26 Uhr

Herr Striesow, man kennt Sie aus Film und Fernsehen. Nicht ganz so bekannt sind Sie als Podcaster, obwohl Sie seit Jahren an Hörspielen und Hörbüchern mitwirken. In der deutschen Audible-Serie „Marvel’s Wastelanders: Star-Lord“ sind Sie nun in einer Hauptrolle zu hören. Wie kamen Sie denn zu dem Job?

Devid Striesow: Ganz einfach. Es gab die Anfrage, ob ich die Rolle des Superhelden Rocket Racoon, also des Waschbären, sprechen wolle. Für mich war das eine tolle Herausforderung. 

Wieso das?

Striesow: Es war der mir fremdeste Charakter, den ich nur über die Stimme in meinem Leben transportiert habe. Darum hat es auch ein bisschen Vorbereitung gebraucht, um sich da so richtig reinzufinden und ein Bild im Kopf vom Waschbären entstehen zu lassen, auf das man dann auch sicher zurückgreifen kann. 

Wie lange brauchten Sie dazu?

Striesow: Das habe ich im Studio geprobt, und es dauert schon ein wenig, bis man einen in die Jahre gekommenen Waschbären als Superheld draufhat. Der ist eben 30 Jahre älter in der neuen Serie, hat vielleicht einen kleinen Bauch und muss gediegener als früher rüberkommen. Das Schwierige ist, dass es gelingt, jeden Tag wieder an die Stimmung und Tonalität des Vortages anzuschließen. 

Kannten Sie sich vor diesem Projekt im Marvel-Universum, in der Welt der Superhelden, eigentlich aus?

Striesow: Ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet. Aber durch meine Kinder komme ich damit durchaus in Berührung. Und ich habe auch eine Lieblingsfigur, den Black Panther. 

Fasziniert Sie diese Art von Geschichten?

Striesow: Das Faszinierende ist bei diesen Geschichten tatsächlich der Humor in den Dialogen. Da werfen wir die Bälle klasse hin und her. Mir hat das jedenfalls großen Spaß gemacht. Spannend ist auch, dass da zwei so alternde Superhelden zurück auf die Welt kommen. Dieses in die Jahre gekommene Paar zum Leben zu erwecken und diese fantastische und skurrile Welt nur mit der Stimme entstehen zu lassen, war eine wunderbare Aufgabe. 

Wären Sie als Kind auch gerne ein Superheld geworden?

Striesow (lacht): Als ich Kind war, gab es noch keine Superhelden. Ich komme aus dem Osten, da waren Superhelden sehr selten. Im Osten gab es nur einen Comic, der hieß Mosaik. Aber wenn ich heute klein wäre, würde ich mich sicher mit Superhelden identifizieren. Ich sehe das ja an meinen Kindern. Die sind große Spiderman-, Ironman-, Captain-America-Fans. Das spielen die alles im Kinderzimmer nach. 

Hörspiel ist ja eine ganz eigene Kategorie. Ist es für Sie reizvoller, mit Bild und Ton bei einem Film zu arbeiten oder alles mit Ton erzeugen zu müssen?

Striesow: Beides hat logischerweise seinen Reiz. Ich komme gerade aus einer weiteren Hörspielproduktion. Das macht schon Spaß, nur auf der Tonspur so viele Ebenen übereinander erzeugen zu können. Man legt da in einen Satz mehrere Ebenen rein. 

Darf man sich das vorstellen wie beim Fußballradioreporter und dem TV-Mann, der viel weniger spricht, weil er in den Köpfen ja keine Bilder mehr erzeugen muss?

Striesow: Es ist beim Hörspiel tatsächlich ja so, dass man in einen Satz die unterschiedlichsten Dinge legt. Beispielsweise bei dem Satz: Er ging den Berg hoch. Da muss mitschwingen, was die Figur ahnt, was sie erwartet, in welcher Stimmung sie ist. Das ist schon deutlich komplexer, als wenn jemand ein Spiel kommentiert. 

Sind Sie als Sprecher auch an der Bearbeitung der Texte beteiligt?

Striesow: Nein, ich bin an der Textfassung nicht beteiligt. Manchmal kann man bei Hörspielen zusammen mit der Regie kleine Änderungen vornehmen. Bei Wastlanders war alles perfekt zu sprechen. 

Machen Sie öfter solch ausgefallene Projekte?

Striesow: Kann ich so nicht sagen. Aber gerade habe ich beim SWR in Baden-Baden zwei Krimi-Hörspiele eingesprochen. Da habe ich einen Sheriff gespielt. Das war sehr, sehr schön. Man stößt dann im Studio teilweise auch auf viel ältere Kollegen. Wir hatten da einen 90-Jährigen dabei. Es ist sehr interessant, wie ältere Kolleginnen und Kollegen mit dem Text umgehen und wie genau sie ihre Figuren kreieren. So eine Studiosituation ist toll. 

Es ist noch nicht allzu lange her, da waren Sie in Los Angeles, wo der Film „Im Westen nichts Neues“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Sie spielten darin einen deutschen General. Sind Sie inzwischen wieder am Boden der Realität angekommen?

Striesow: Der große Reigen begann ja schon mit der großen Anerkennung des Films im Vorfeld der Oscars. Mich hat das wahnsinnig gefreut – für alle, die daran beteiligt waren. Als es dann zu den spektakulären neun Nominierungen kam, war das schon ein unbeschreibliches Gefühl. Auch die vier Oscars, das ging ja auch durchs Netz, da sind alle ausgerastet. 

Wie haben Sie selbst gefeiert?

Striesow: Nicht so richtig. Ich war ja nicht in L. A. dabei. 

Sie haben daheim einen Schaumwein geöffnet?

Striesow: Nein, ich konnte die Verleihung ja nicht einmal live anschauen, weil ich am nächsten Tag Theaterprobe hatte. Aber ich habe mich am nächsten Tag frühmorgens sehr gefreut. 

Es ist bereits das zweite Mal, dass Sie in einem Oscar-prämierten Film mitwirken. Sie waren auch in dem österreichischen Werk „Die Fälscher“ dabei. Haben Sie ein Näschen für erfolgreiche Filme?

Striesow: Na, das liegt nicht an meinem Näschen. Ich bin endlos dankbar, dass ich eingeladen werde, bei solch tollen Produktionen mitzuspielen. 

Sie gelten als Workaholic und gehören zu den meistbeschäftigten Darstellern der Republik.

Striesow: Nein, nein, nein. Es stimmt zwar, dass ich viel Theater und Lesungen mache und auch hin und wieder einen Film drehe. Aber ich fühle mich keineswegs als Workaholic. Allerdings liebe ich meinen Beruf sehr. 

Was drehen Sie aktuell?

Striesow: Ich habe gerade eine Theaterarbeit abgeschlossen, die dann im Oktober am Hamburger Schauspielhaus Premiere haben wird: Ödipus nach Sophokles in der neuen Einrichtung nach Roland Schimmelpfennig, einem der meistgespielten deutschen Dramatiker. Da bin ich schon sehr gespannt darauf. 

Noch kurz zu Ihnen privat: Ihr Vorname fällt einem sofort auf. Ist Devid angelehnt an den biblischen David? Und wenn ja, warum e statt a?

Striesow: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber ich glaube, das ist ein eher atheistischer Grund: Meine Eltern wollten wahrscheinlich jede Bibelnähe vermeiden. Mehr weiß ich dazu nicht. Ich weiß nur, dass es diese Schreibweise in Russland teilweise auch gibt. Als Kind hat das mit dem Devid bei mir übrigens nicht geklappt. Da haben mich alle David genannt.

Dass Sie Schauspieler geworden sind, war offenbar zunächst nicht vorgesehen. Sie haben noch in der DDR eine Goldschmiedeausbildung begonnen, später Musik studiert und haben erst dann die Schauspielschule besucht. Wann wussten Sie, dass Bühne und Film Ihr Leben sind?

Striesow: Ich habe gar keine Goldschmiedeausbildung gemacht. Ich hatte nur einen Lehrvertrag, der trat aber nie in Kraft, weil durch die Wende der Betrieb pleiteging. Ich musste dann erst mal Abitur machen, was vorher gar nicht auf der Agenda stand. Dann habe ich ein bisschen Musik studiert, musste dann aber zur Armee. Deswegen habe ich meinen Gitarrenlehrer verloren, weil der dann zu teuer war. Und ich habe überlegt, was man noch so machen kann, wenn man auf eine Bühne will. So bin ich zur Schauspielerei gekommen. Das Wichtigste damals aber war: Ich wollte von Rostock weg nach Berlin. Das hat auch funktioniert.

Machen Sie noch Musik?

Striesow: Ab und zu spiele ich bei Inszenierungen im Theater Geige. Auch mit meiner alten Band treffe ich mich noch manchmal, und wir spielen dann noch die alten Sachen. Ansonsten greife ich als Familienmusikant zu gegebenen Anlässen zur Geige.

Sie haben in Interviews gesagt, dass Sie noch immer stark von Ihrer ostdeutschen Herkunft geprägt sind. Wie macht sich das noch immer bemerkbar?

Striesow: Also ich denke noch oft an die Zeit vor der Wende. Manches Mal fühle ich mich daran erinnert. So bin ich noch immer vorsichtig bei der Auswahl an Konsumgütern. Da bin ich immer noch von den Angeboten im Waschmittelregal überfordert. Ich weiß noch, wie ich nach der Wende das erste Mal in Basel vor der Käsetheke stand. Da dachte ich, gleich aus den Schuhen zu fallen und musste den Laden verlassen, um Luft zu holen. Ich kann auch gut mit Verzicht umgehen. Mir macht ein weniger Konsumieren bis heute mehr Spaß. 

Kann man daraus ableiten, dass Ihnen die klassischen westlichen Statussymbole wie Autos oder Handys ziemlich egal sind?

Striesow: In der Tat. Statussymbole sind mir tatsächlich ziemlich egal. 

Und wovon träumen Sie?

Striesow: Jedenfalls von nichts Materiellem. Die Welt ist ja gerade in Teilen so ziemlich in Aufruhr. Ich träume davon, dass sich das wieder legt.

 
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