Frau Schwabe, Sie arbeiten schon seit vielen Jahren als Hypnotiseurin. Dämmerschlaf, Trance, Tagtraum– wie kann man sich den Hypnose-Zustand vorstellen?
Silva Schwabe: Stellen Sie sich vor, Sie sind ganz vertieft in die Geschichte des Buches, das sie gerade lesen. Sie vergessen dabei vielleicht alles um sich herum. Oder sie schauen einen Kinofilm und tauchen ab in die Kinowelt. Wenn das Licht im Kino nach dem Film angeht, fühlt es sich an, wie aus einem Traum zu erwachen, richtig? Das ist ein Trancezustand. Und Trance ist Hypnose. Sie sind auf eine Sache fokussiert.
Das bedeutet, man bekommt alles mit?
Schwabe: Ja. Die Erwartungen, die viele Menschen an Hypnose haben, treten zu 95 Prozent nicht ein. Viele denken, dass man komplett weg ist und danach nichts mehr weiß, das passiert aber nicht.
Wie läuft eine Hypnose-Sitzung tatsächlich ab?
Schwabe: Eine Hypnotiseurin löst Blockaden, die auf unterbewusster Ebene entstehen. Durch die Hypnose erhält man einen besseren Zugriff auf Emotionen und Gefühle. Man kann auch Verhaltensweisen ändern, die sich konditioniert haben. Vor einer Hypnose-Sitzung führe ich immer erst ein Vorgespräch. Die Sitzung selbst beginne ich mit einer körperlichen Entspannungssequenz, mit einer Einleitung in die Trance, die ähnlich wie ein autogenes Training oder eine Fantasiereise ist, um den Geist des Klienten oder der Klientin auf das zu fokussieren, was ich sage, auf die Suggestionen.
Was ist damit gemeint?
Schwabe: Suggestionen sind Eingebungen, sozusagen die Programmiersprache der Hypnose. Bei einer Person, die mit dem Rauchen aufhören möchte, könnte das zum Beispiel der Satz sein: Anstatt zu rauchen, trinkst du viel lieber Wasser und atmest frische Luft.
Ziel ist es also, das Unterbewusstsein zu beeinflussen.
Schwabe: Ja, denn viele Probleme und Blockaden, die wir haben, entstehen im Unterbewusstsein. Wenn ein Kind ständig Bauchschmerzen hat, kann das an Mobbing oder Druck in der Schule liegen. Wenn jemand Probleme im Umgang mit seinen Mitmenschen hat, kommt das zu 99 Prozent aus der Kindheit. Und wenn eine Frau keine Lust mehr auf Sex hat, kann Stress im Alltag die Ursache sein oder eine toxische Beziehung in der Vergangenheit. Das Unterbewusstsein spricht durch unseren Körper. Ich möchte ergründen, woher die Probleme kommen, damit die Menschen sich nicht mehr hilflos fühlen und wissen, warum sie sich so verhalten.
Wie kamen Sie denn überhaupt auf die Idee, Hypnose auszuprobieren?
Schwabe: Früher hatte ich eine sehr heftige Spinnenphobie und mich gefragt: Was kann ich dagegen tun? Als ich gehört habe, dass Hypnose und NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) helfen könnten, habe ich gleich die Ausbildung begonnen und sofort Feuer gefangen. Zuvor habe ich als Logopädin gearbeitet, Kommunikation und die Arbeit mit Menschen waren schon immer meine Themen.
Sie sind nicht nur Hypnotiseurin, sondern auch Sexualcoach und nennen sich selbst „Die Orgasmusflüsterin“, was viele Medien gerne aufgreifen. Mit welchen Anliegen, die das Sexleben betreffen, kommen Frauen und Männer häufig zu Ihnen?
Schwabe: Die Männer kommen vor allem wegen Erektionsstörungen, auch schon im jungen Alter, weil sie zu früh zum Orgasmus kommen oder wegen Schüchternheit. Bei Frauen geht es oft um das Thema „Orgasm Gap“: Während Männer beim Sex meistens einen Orgasmus haben, ist es bei Frauen nicht so – da entsteht eine große Lücke. Ganz häufig kommen auch Menschen zu mir, die unter Narzissten leiden und deswegen Beziehungsprobleme haben. Bei jedem Sexualcoaching ist es mir wichtig, dass zuvor ein Arzt konsultiert wurde, um körperliche Ursachen für die Beschwerden auszuschließen.
Was hat Sie dazu motiviert, sich beruflich mit Sexualität zu beschäftigen?
Schwabe: Ich hatte selbst ein massives Problem: Ich hatte Schmerzen beim Sex, jede Berührung hat mir wehgetan. Nach einer Ärzte-Odyssee hatte ich irgendwann eine Diagnose: vulväres Vestibulitis-Syndrom. Das bedeutet, dass eine Hautstelle am Scheideneingang extrem empfindlich ist. Doch helfen konnte mir trotzdem niemand. Mein Frauenarzt sagte immer, das sei alles in meinem Kopf. So kam ich zu dem Thema, wobei mich Sexualität schon immer sehr fasziniert hat. Für mich ist das Sexualcoaching eine Herzensangelegenheit, weil mich diese Schmerzen damals enorm belastet haben. Meine damalige Beziehung ging verloren, ich hatte berufliche Probleme und habe an meiner Fraulichkeit gezweifelt. Heute habe ich keine Schmerzen mehr, weil ich diese Probleme mit meinen Techniken selbst überwunden habe.
Wie haben Sie es schließlich geschafft, das Problem zu lösen?
Schwabe: Das war ein Konglomerat aus ganz vielen Dingen. Unter anderem hatte es mit meiner Einstellung zu Sexualität zu tun, aber auch mit der meiner Familie. Ich bin sehr katholisch erzogen worden, über Sexualität wurde bei uns nicht gesprochen. Sehr viele Menschen sind so aufgewachsen, in vielen Familien ist das Schamlevel sehr hoch - auch bei jungen Menschen. Manche Klienten erzählen mir sogar davon, dass sie noch nie Zärtlichkeit zwischen ihren Eltern erlebt haben. Leider ist es oftmals noch so, dass Sexualität tabuisiert wird.
Zur Person: Silva Schwabe ist Hypnose-Expertin, Sexualcoach und Logopädin. Die 43-Jährige wuchs in Kaufbeuren auf und besuchte die Marien-Realschule. Mittlerweile wohnt sie in Ingolstadt, dort hat sie auch eine Praxis, empfängt Klienten aber auch in einem Praxisraum in Kaufbeuren.
