Frau Fröhlich, Ihr neues Buch, das Sie zusammen mit Ihrer Co-Autorin Constanze Kleis geschrieben haben, trägt den schönen Titel „Kopf hoch und den Mittelfinger höher“. Wie kam dieser Titel zustande?
Susanne Fröhlich: Es ist so, dass wir immer wieder beobachten, dass Frauen, die angeblich alles können, alles dürfen und alles machen, oft erschöpft und wenig entspannt sind. Das zeigen alle aktuellen Studien. Wir Frauen fühlen uns ein wenig so wie jemand, der alle Anstrengungen unternimmt, es allen schön und hübsch zu machen, und immer auf die überfällige Anerkennung und Entlastung wartet. Aber die kommt nicht.
Und dann?
Fröhlich: Dann mühen wir uns noch mehr, aber es kommt immer noch nichts. Wir denken nun, dass sich Frauen anders verhalten müssen. Es geht gar nicht darum, dass sich die Männer ändern müssen, überhaupt nicht. Wir Frauen sind selbst daran schuld, dass uns manche Dinge einfach nicht gelingen.
Sie schreiben, Frauen würden zu selten Grenzen setzen und vieles zu nah an sich heranlassen. Warum ist das so?
Fröhlich: Männer sagen einfach, wenn man sie fragt, ob sie die Tante Hannelore vom Bahnhof abholen könnten: Nein, geht nicht. Thema beendet. Wir Frauen würden das niemals sagen. Wenn man uns fragt, sagen wir: Würde ich wahnsinnig gerne machen, aber ich muss ja noch den Thorben zum Hockey fahren und dann die Muffins backen und eigentlich auch noch ins Tai-Chi. Und am Ende holen wir dann doch die Tante Hannelore ab. Wir rechtfertigen uns also für jedes Nein ewig lang. Wir haben immer Schuldgefühle. Darum stammen statistisch betrachtet auch 75 Prozent aller Entschuldigungen von Frauen.
Tatsächlich?
Fröhlich: Ja, wir machen zwar nicht mehr Fehler, aber wir fühlen uns permanent schuldig und für alles verantwortlich. So als wären wir von Hauptberuf Fee. Wenn man sich heute das Internet anschaut, hat man ja das Gefühl, im Märchen gelandet zu sein. Da sind Frauen, die uns ernsthaft erklären, dass ihre Morgenroutine aus 27 Punkten besteht. Wir vergleichen uns also mit Standards, die gar nicht echt sind.
Männer vergleichen sich ja auch, aber nur beim Thema Auto?
Fröhlich: Vielleicht. Aber wir Frauen können uns in dieser Hinsicht von Männern viel abschauen. Die sind viel positiver sich selbst gegenüber eingestellt. Die schauen das große Ganze an und machen sich keine Gedanken über ihren dicken Bauch oder die platten Füße. Frauen halten sich gerne mit ihren defizitären Bereichen auf. Wir vergleichen uns mit Models, deren Beruf es ist, gut auszusehen.
Womit hängt das zusammen? Mit der Sozialisation?
Fröhlich: Klar, man wird von klein auf gelobt, wenn man hübsch aussieht und nicht dafür, wie wagemutig oder schlau man ist. Aber daran alleine kann es nicht liegen. Wir selber investieren zu viel in Werte, die zu wenig zurückgeben. Die Währung Schönheit beispielsweise ist vergänglich. Man wird alt und das Material müde. Damit kann man auch gut leben, wenn man eine Mischkalkulation fährt und auch in sein Hirn investiert.
Warum wollen Frauen immer sympathisch erscheinen und Männer weniger? Weil Frauen keine Pissnelken sein wollen?
Fröhlich: Frauen wollen per se gefallen. Alle sollen uns nett und sympathisch finden. Schon deshalb werden wir ungerne laut. Wenn wir laut werden, dann sagt niemand: Die lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen, sondern dann heißt es: Die ist hysterisch! Und auch wenn eine Frau sagt sie sei ehrgeizig, wird das gleich mit einer schmallippigen Ziege verbunden.
Wie ist es eigentlich mit Ihnen selbst, können Sie Grenzen setzen?
Fröhlich: Ich bin gar nicht so schlecht darin, aber ich musste das auch lernen. Ich hatte auch sehr lange das Gefühl, dass ich das nicht dürfte. Auch ich wollte, dass mich jeder nett findet, ich wusste, dass ich vieles nicht bin, aber nett, dachte ich, bin ich. Ich fragte mich, warum sieht das der oder die nicht? Und an solchen Leuten habe ich mich abgearbeitet. Das habe ich inzwischen aufgegeben. Erstens bleibt mir nicht mehr so viel Lebenszeit und zweitens bin ich da auch wurstiger geworden. Ich habe festgestellt, weniger zu machen und klarer und eindeutiger zu sein, bringt echt viel. Zwar haben vor allem Frauen eine große Sehnsucht nach Harmonie. Und natürlich wird es nicht gerne gesehen, wenn man anderen Wünsche abschlägt oder etwas anders macht, als die anderen es wollen. Wenn man beispielsweise nicht die Arbeit der anderen miterledigt oder man nach einem harten Tag keine Lust mehr hat, noch zu kochen. Aber die andere Seite, egal ob es dann der Mann, der Chef oder das Kind ist, weiß dann Bescheid. Ich jedenfalls lasse mir nicht alles gefallen.
Können Frauen diese Klarheit lernen?
Fröhlich: Ich glaube, ja. In erster Linie geht es darum, es sich einfach zu trauen. Frauen sagen mir oft, ja du, du bist so schlagfertig. Dann antworte ich ihnen: Ich traue mich einfach. Wenn beispielsweise ein Mann vor mir auf den Frauenparkplatz fährt, dann stelle ich den und frage: Warten Sie hier auf Ihre Geschlechtsumwandlung? Dann kriege ich zwar manchmal auch etwas nicht sehr Schönes zurück, aber dann ist mir dann egal. Bei mir musste es jedenfalls raus.
Ein interessanter Aspekt ist auch das Thema Wut. Wütende Frauen, schreibt die US-Aktivistin Soroya Chemaly, seien hässliche Frauen. Warum ist das so?
Fröhlich: Wütend zu sein gilt als unweiblich. Denn Frauen sind nicht laut, nicht aggressiv. Sie sind lieb, sind geschmeidig und freundlich und umgänglich. Aber Wut zu unterdrücken macht auf Dauer krank. Wut ist ein starker Faktor in Bezug auf Veränderung. Ohne wütende Frauen hätten wir wahrscheinlich noch immer kein eigenes Wahlrecht, kein eigenes Konto, müssten unseren Mann fragen, ob wir den Führerschein machen dürfen. Man muss nur in den Iran gucken. Dort kann man sehen, was wütende Frauen bewirken können. Ohne Wut kommen wir nicht voran, weil es einfach nicht reicht, immer nur nett zu sein. Wut ist ab und zu ein gutes Ventil. Das heißt ja nicht, dass man den ganzen Tag rumschreien muss.
Zur Person: Susanne Fröhlich, 60, ist Autorin und Journalistin und lebt in der Nähe von Frankfurt am Main. Mit ihrem früheren Mann Gert Scobel hat sie zwei Kinder. Bekannt wurde sie unter anderem mit ihrem Buch „Moppel-Ich“.