
Worum es an Pfingstengeht? Gott sendete nach Jesu Kreuzestod, Auferstehung und Himmelfahrt den Heiligen Geist zu den Jüngern Jesu aus. 50 Tage nach Ostern erschienen ihnen „Zungen wie von Feuer“, heißt es. Sie „begannen, in anderen Sprachen zu reden“ – um die Frohe Botschaft überall verkünden zu können: Christus ist wahrlich auferstanden, er ist der Sohn Gottes!
Für eine weltweit schnell wachsende christliche Bewegung ist das Pfingstereignis von zentraler Bedeutung: Die Pfingstbewegung fokussiert sich in ihrer Glaubenspraxis auf den Heiligen Geist, eine der drei Erscheinungsformen Gottes. Freikirchliche Pfingstgemeinden gibt es auch in Deutschland, eine davon steht gerade heftig in der Kritik – die hippe „Hillsong Church Germany“. Hauptvorwurf: Sie instrumentalisiere den Glauben und mache Profit im Namen des Herrn.
„Hillsong Church“ soll fragwürdigen Umgang mit Spenden gepflegt haben
Gegründet wurde die „Hillsong Church“ 1983 in Australien, in Deutschland ist sie unter anderem in München und Konstanz vertreten. Insbesondere der US-Ableger polarisiert. Gleichermaßen ist er überaus erfolgreich. Superstars wie Hailey und Justin Bieber, Selena Gomez, Bono oder Hugh Jackman sollen Gottesdienste besucht haben. Als bekannter deutschsprachiger Hillsong-Anhänger gilt der österreichische Fußballer David Alaba.
International wurde Hillsong bereits häufiger kritisiert, erzkonservativ, homophob und finanziell undurchsichtig zu agieren. In Deutschland ist Hillsong seit ein paar Wochen im Fokus einer breiteren Öffentlichkeit. Im Podcast „Toxic Church – Die Hillsong-Story“ wurde die Freikirche ab Ende März für angebliche Ausbeutung, Manipulation und seelischen Missbrauch kritisiert – sowie für „Pastoren mit Rolex am Handgelenk“, wie es in einer Pressemitteilung über den Podcast hieß. Den Angaben von dessen Machern zufolge hatte HillsongGermany im Jahr 2021 568 ehrenamtliche, 21 fest- und 18 in Teilzeit angestellte Mitarbeitende. Im Schnitt besuchten demnach 1300 Menschen 2021 ihre Sonntagsgottesdienste.
Freikirche dementiert Veruntreuung durch Pastor
Das Recherche-Netzwerk Correctiv veröffentlichte dann vor zwei Wochen einen Bericht über mutmaßlich durch Spenden finanzierte Luxusgeschenke für Führungskräfte. So soll der deutsche „Lead Pastor“ Freimut Haverkamp, der nach Hillsong-Angaben in Konstanz lebt, auf Kosten seiner Kirche in Luxushotels übernachtet haben und „über Jahre mutmaßlich sehr freizügig mit den Spenden umgegangen“ sein. Daraus ergebe sich die Frage, ob HillsongGermany die Trennung zwischen zweckmäßigen Ausgaben und Ausgaben für Privates womöglich nicht eingehalten habe.
Die Hillsong Church Germany wies die Vorwürfe der Veruntreuung von Spendengeldern inzwischen wiederholt strikt zurück. „Auch der Vorwurf, Pastoren würden auf Kosten der Kirchengelder ein Luxusleben führen, ist falsch“, hieß es in einer Stellungnahme. Viele der medial kolportierten Vorwürfe stünden in keinerlei Bezug zu HillsongGermany und den Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zudem könne man „nach bestem Wissen und Gewissen ausschließen, dass wir Menschen wissentlich unter Druck gesetzt oder manipuliert haben“. Zugleich räumte man ein, dass „sowohl in unserer globalen Kirche als auch bei uns vor Ort in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden“.
Hillsong Germany reagiert auf Anfrage unserer Redaktion
Auf Anfrage unserer Redaktion erklärte HillsongGermany jetzt: „Wo immer Menschen zusammenkommen, passieren auch Fehler.“ So habe es eine Zeit gegeben, als die deutsche Hillsong stark gewachsen sei. Im Rückblick auf diese Zeit wisse man nun, „dass wir es in dieser Zeit teilweise versäumt haben, darauf zu schauen, wie viel Einsatz für unsere Angestellten und ehrenamtlichen Mitarbeiter gesund ist“. Auch sei die Geschichte Hillsongs von einer sehr starken „Leiterkultur“ geprägt gewesen: „Auf berechtigte Kritik wurde da teilweise nicht so eingegangen, wie es wünschenswert oder auch notwendig gewesen wäre.“ Folglich habe man auch personelle Konsequenzen gezogen.
Die Vorwürfe beschäftigten auch schon den Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP). In ihm sind neben dem eingetragenen und damit steuerbegünstigten Verein HillsongGermany nach eigenen Angaben über 900 Gemeinden mit insgesamt fast 65.000 Mitgliedern organisiert. Auf Anfrage teilte der BFP mit, der Vorstand der Hillsong-Gemeinde sei zeitnah aufgefordert worden, schriftlich Stellung zu den erhobenen Vorwürfen zu beziehen. „Die umfangreiche Stellungnahme ergab aus Sicht des BFP-Vorstands keinen Anlass zu weiteren Überprüfungen.“ Man stehe deshalb nach wie vor zu seiner Mitgliedsgemeinde.
Experte schätzt Frömmigkeitspraktiken von Freikirchen ein
Pfingstgemeinden wie Hillsong wirken gerade durch ihr Erscheinungsbild attraktiv. „Die Darstellung des Glaubens und die Musik wirken meist zeitgemäß“, sagt der Theologe Haringke Fugmann, Landeskirchlicher Beauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für geistige und religiöse Strömungen der Gegenwart. Hillsong konnte bereits mehrere eigene Lieder in Charts verschiedener Länder platzieren, in Gottesdiensten ist Popmusik Teil einer „Worship“ genannten Lobpreis- und Anbetungskultur. Zentral in den Gottesdiensten steht der Geist Gottes, führt Fugmann aus: „Man glaubt, dass sich der Heilige Geist in Frömmigkeitspraktiken wie etwa der Zungenrede, in Heilungen oder Visionen äußere.“ Mit Zungenrede ist das Aneinanderreihen von Silben gemeint, das zustande kommen soll, wenn der Heilige Geist die Betenden erfüllt.
Diese Praktiken seien in vielen pfingstlichen Gemeinden zu beobachten, so der Experte. Im Kontrast dazu seien die propagierten Moralvorstellungen nach Fugmann oft konservativ, etwa mit Blick auf sogenannte praktizierte Homosexualität. „In Pfingstgemeinden wird die Bibel teils wörtlich ausgelegt.“ Hillsong schreibt auf seiner deutschen Internetseite – auf Englisch – unter dem Punkt ‚Our Statement of Beliefs‘ (Unser Glaubensbekenntnis) dazu: Man glaube, dass die Bibel Gottes Wort ist und dass es richtig, maßgeblich und auf das tägliche Leben übertragbar sei.