Die Bars und Restaurants im Ausgehviertel um die Rue de Tivoli in Marseille waren noch gut besucht, als dort in der Nacht von Samstag auf den Ostersonntag plötzlich ein sehr lauter, dumpfer Knall ertönte. Es habe sich angehört „wie beim Einschlag einer Bombe“, sagten Zeugen später über diesen Moment um 00:46 Uhr. Kurz darauf brach das vierstöckige Gebäude mit der Hausnummer 17 zusammen.
„Eine riesige gelbliche Rauchwolke stieg auf, Steinchen flogen durch die Luft und Menschen liefen auf der Straße herum, darunter ein Papa, der sein Kind suchte“, berichtete Marie-Pierre, die in der Nähe des eingestürzten Hauses im Zentrum der südfranzösischen Hafenstadt wohnt. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass es Opfer dieses furchtbaren Dramas gibt“, sagte Bürgermeister Benoît Payan am Sonntagmorgen. Er sollte Recht behalten.
Die französischen Behörden melden bislang vier Todesopfer
Bis Montagnachmittag wurden vier Leichen unter den Trümmern geborgen, die noch identifiziert werden mussten, später kommt eine fünfte dazu. Es werde weiter gesucht, solange auch nur die geringste Hoffnung bestehe, Überlebende zu finden, versicherte der Rathauschef. Mehr als 100 Feuerwehrleute beteiligten sich an den Bergungsarbeiten. Ein weiter schwelendes Feuer unter dem Geröll erschwerte diese erheblich. Berge von Schutt lagen auf der Straße vor dem zerstörten Haus.
Es sei schwierig, exakt festzustellen, wer sich zum Zeitpunkt des Einsturzes im Inneren befand, so Payan. Die ermittelnde Staatsanwältin Dominique Laurens sprach von acht Bewohnern, die nicht auf Anrufe ihrer Angehörigen antworteten und deshalb als vermisst galten. „Es handelt es sich um ältere Personen und ein junges Paar um die 30“, sagte Laurens. „Unseren Informationen zufolge befinden sich unter den Vermissten keine Kinder oder Minderjährigen.“
Ursache für den Einsturz in Marseille laut Staatsanwaltschaft noch unklar
Auch mehrere Menschen aus umliegenden Gebäuden wurden verletzt, doch laut Innenminister Gérald Darmanin schwebte keiner von ihnen in Lebensgefahr. Am Sonntagmorgen stürzte noch ein Teil eines Nachbarhauses zusammen, doch die Rettungskräfte hatten schon zuvor alle Bewohner in Sicherheit gebracht. In mehreren Häusern hatte die heftige Explosion Fensterscheiben zerstört. Insgesamt wurden mehr als 200 Personen aus Gebäuden in der Gegend evakuiert, damit festgestellt werden kann, ob diese von der Schockwelle beeinträchtigt wurden. Bei einer nahegelegenen Bäckerei gingen seit dem Unglück Spenden ein, um den Betroffenen ein Frühstück anzubieten. Anwohner brachten zudem Kleidung. „Um vier Uhr morgens habe ich junge Leute in Socken und im Jogginganzug auf der Straße gesehen, die nichts mehr hatten“, sagte einer von denen, die helfen wollten.
Die Ursache für das Unglück ist noch unklar. Staatsanwältin Laurens sagte, zu den Spuren, die verfolgt werden, gehöre eine mögliche Gasexplosion. Mehrere Zeugen hatten von einem starken Gas-Geruch berichtet.
Die Katastrophe erinnert an einen Vorfall aus 2018
In Marseille ruft der Vorfall bittere Erinnerungen an den Einsturz zweier Gebäude in einem heruntergekommenen Viertel der Stadt im November 2018 wach. Grund für die Katastrophe war deren miserabler Zustand. Acht Menschen verloren damals ihr Leben. „Doch heute sind wir in einer vollkommen anderen Situation“, beschwichtigte Benoît Payan. Staatspräsident Emmanuel Macron dankte Feuerwehrleuten und Hilfskräften für ihren Einsatz. „Ich denke an die betroffenen Menschen und ihre Nahestehenden“, so Macron.