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Lesetipp
Ein Leben ohne Kinder: Warum sich manche bewusst dazu entscheiden
Nicht für alle ist ein Leben mit Nachwuchs die Wunschvorstellung. Frauen erzählen, warum sie sich gegen Kinder entschieden haben und wie ihr Umfeld reagiert.
Niedrige Kinderlosigkeit in Sachsen-Anhalt.jpeg       -  Nicht für jede und jeden entspricht ein Leben mit Kindern der Wunschvorstellung.
Foto: Matthias Hiekel, dpa | Nicht für jede und jeden entspricht ein Leben mit Kindern der Wunschvorstellung.
Laura Gastl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:52 Uhr

Ein Leben mit Kindern, das traditionelle Familienbild – noch immer scheint das die Norm zu sein, doch nicht für jeden und jede ist das auch der Wunsch. Die Menschen, die sich bewusst dazu entscheiden, keine Kinder zu bekommen, haben ganz unterschiedliche Gründe. Sie wollen Freiheit und Unabhängigkeit genießen oder haben Angst, dem Elternsein nicht gewachsen zu sein. Sie fürchten die Kosten angesichts steigender Preise oder leben in homosexuellen Beziehungen, in diesem Fall ist eine Adoption erschwert und künstliche Befruchtung teuer. Drei Frauen erzählen ausführlich, warum sie ein Leben ohne Kinder gewählt haben und welche Reaktionen sie darauf erfahren:

Lara, 30, aus dem Landkreis Augsburg: "Alles, was ich an Liebe habe, soll meinem Mann zuteilwerden – er ist mir das Wichtigste."

Lara und ihr Mann sind ohne Kinder rundum glücklich. Weil sie anonym bleiben wollen, haben wir an dieser Stelle ein Symbolbild platziert.falseMohssen Assanimoghaddam, dpafalse

Als "bewusst kinderfrei" bezeichne ich mich noch gar nicht so lange, es war eher ein Prozess, der sich über eine längere Zeit gezogen hat.

Mit meinem Mann bin ich seit 15 Jahren zusammen – wir sind damals relativ jung in die Beziehung gestartet und für uns war klar, dass irgendwann Kinder unser Glück ergänzen sollten. Davor gab es aber noch einige Punkte, die es zu "meistern" galt. Abschluss, Studium, Hochzeit – man kennt es.

Nach unserer standesamtlichen Hochzeit 2018 – ich befand mich noch im Studium – hatte ich zwei Jahre unglaublich großes "Babyfieber". Man wurde von allen Seiten gefragt, wann es denn so weit sei und klar, irgendwie gehörte es dazu. Das befeuerte mich regelrecht in meinem Wunsch. Ich setzte vorsorglich die Hormone ab, trat Babygruppen bei und befand mich plötzlich in einer Blase, in der es um nichts anderes als Nachwuchs ging. Nur mein Mann hielt dagegen, was mich damals sehr frustrierte und letzten Endes dazu führte, dass ich mich bewusst von dem Thema distanzierte.

Anfang letzten Jahres kam mir der Gedanke, dass ich nun ja nicht jünger würde und die äußeren Umstände passender nicht sein könnten. Wir standen jetzt beide mit beiden Beinen im Leben, hatten ein gutes Einkommen, viel Platz und eine glückliche Partnerschaft. Ein solides Fundament also. Tatsächlich "der perfekte Zeitpunkt", wenn man mich fragen würde.

Allerdings hatten mein Mann und ich uns in der Zwischenzeit auch ein tolles Leben aufgebaut, weswegen es mir wichtig war, das ganze Kinderthema so gründlich wie möglich zu durchleuchten. Schließlich sind Kinder eine Entscheidung, die man, sobald sie getroffen ist, nicht mehr rückgängig machen kann.

Also habe ich angefangen, mich auf sozialen Plattformen umzuschauen, mich mit Müttern und Nichtmüttern auszutauschen und viele, viele Bücher zu lesen. Mir war es wichtig, in beide Richtungen informiert zu sein, denn wie überall im Leben gibt es auch hier Pro und Contra.

Und was soll ich sagen? Mit der Zeit entwickelte sich in mir das Gefühl, dass ich selbst gar keine Kinder wollte, sondern lediglich glaubte, welche haben zu wollen, weil es nun mal das war, was die Gesellschaft einem immer wieder vorgibt. Kinder zu haben scheint der goldene Standard zu sein, hinterfragt wird dieses Modell kaum, und kinderfreie Vorbilder gibt es wenige.

Je mehr ich mich mit dem Thema befasst habe, desto weniger Gründe gab es für mich, die ein neues Leben rechtfertigen würden. Da wären die Kosten, die ein Kind mit sich bringen würde, die Zeit, die Nerven, die investiert werden müssten. Die grenzenlose Freiheit, die gegen Fremdbestimmung eingetauscht werden würde. Der Klimawandel, die schwindenden Ressourcen, die uns jetzt schon Probleme bereiten. Aber tatsächlich ist es auch meine unendlich erfüllende Beziehung, die ich weder verändern noch gefährden möchte.

Meine Familie akzeptiert meine Entscheidung. Gerade die vielen Gespräche mit meiner Schwester, die selbst Mutter ist, waren für mich während der Entscheidungsfindung sehr, sehr wertvoll. Sie hat nichts beschönigt und war immer sehr ehrlich zu mir – ich glaube, das fehlt im öffentlichen Diskurs um Mutterschaft oft ein wenig. Bei der Familie meines Mannes habe ich das Gefühl, dass sie die Hoffnung auf Enkel unsererseits nicht aufgibt.

Alles, was ich an Liebe habe, soll meinem Mann zuteilwerden – er ist mir das Wichtigste. Es gibt für uns keinen Grund, unsere Beziehung mit einem Kind vermeintlich zu "krönen", denn das, was wir haben, ist bereits vollkommen.

Carina, 32 Jahre: "Ich habe mich sterilisieren lassen."

Mein Partner und ich haben uns vor circa 1,5 Jahren dazu entschieden, keine Kinder zu bekommen, und ich habe mich deshalb sterilisieren lassen. Ich hatte erst einmal Angst, dass der Arzt mir diesen Wunsch verweigern würde, da ich kinderlos und Anfang 30 war. Jedoch fragte er lediglich, ob ich mir sicher und ob mir bewusst sei, dass sich das nicht rückgängig machen lasse. Anschließend erklärte er mir den Eingriff und beantwortete alle Fragen. Ich war erleichtert, ich musste mich weder erklären noch hat er versucht, es mir auszureden oder gar verweigert.

Warum ich mich hab sterilisieren lassen und nicht mein Partner? Zum einen war ihm eine Operation nicht geheuer, ich bin da gelassener. Zum anderen war mir wichtig, dass ich auch im Falle einer Trennung keine Kinder haben werde. Die Kosten für die Sterilisation haben wir uns trotzdem geteilt. Sie lagen bei etwa 1300 Euro und mussten gesamt im Voraus bezahlt werden. 

Wir haben uns dafür entschieden, da wir beide mit psychischen Erkrankungen belastet sind und wir nicht wollten, dass ein Kind damit aufwachsen muss und sich nicht auf uns verlassen kann. Oder die Zuwendung nicht bekommt, die es benötigt, weil wir sie in manchen Momenten aufgrund unserer eigenen Verfassung nicht gewährleisten können. 

Ich versuche, sehr offen mit unserer Entscheidung umzugehen und zu sensibilisieren. Unangenehme Sprüche habe ich nicht erhalten, manchmal sind die Menschen irritiert, aber alle nehmen es einfach an oder hin, und mehr möchte ich gar nicht. Bisher habe ich es aber hauptsächlich im Familien- und Freundeskreis erzählt, wenn es zur Sprache kam. Ich fühle mich oft in der Position, mich erklären zu müssen, warum wir uns dazu entschieden haben, da es eben für einen Großteil der Gesellschaft untypisch ist. 

Steffi, 24 Jahre, aus Lechhausen: "Ich möchte mich nicht in dieses traditionelle Familienbild drängen lassen."

Ich bin Mitte 20 und weiß schon jetzt, dass ich keine Kinder möchte. Ich habe einen festen Partner, den ich nicht eintauschen würde. Wir haben uns relativ am Anfang sehr offen über das Thema unterhalten und sind gemeinsam zu dem Entschluss gekommen.

Ich habe nicht immer gesagt, dass ich keine Kinder möchte. Aber in diesem Leben ist es sehr unwahrscheinlich, dass ich mich noch einmal umentscheide. Es ist mein Körper, und ich bestimmte, was damit geschieht.

Meine persönliche Entscheidung hat mehrere Gründe. Ich hatte, was meine Psyche angeht, in den letzten Jahren leider nicht so viel Glück. Was mich außerdem beklemmt, ist der Zustand unserer Erde und die Menschen, die darauf leben. Es geht nur noch um Geld, um Macht, nicht um Selbstverwirklichung, und ich möchte es keinem Kind antun, auf diese hasserfüllte und kriegsgefährdete Welt zu kommen.

Und an jeden, der sagt, es sei selbstsüchtig, sich gegen Kinder zu entscheiden: Ja! Ist es! Ich hatte viele Stolpersteine in meinem jungen Leben. Es ist mir nur schwer gelungen, es zu genießen, und das hole ich jetzt alles nach. Ich möchte mein Leben selbstbestimmt leben und mich nicht in dieses traditionelle Familienbild drängen lassen, nur weil es die Gesellschaft verlangt.

Meiner Familie habe ich von meiner Entscheidung erzählt. Natürlich war meine Mama erst einmal etwas traurig darüber, dass sie von mir keine Enkel zu erwarten hat, aber sie versteht meine Gründe zu 100 Prozent. Sie steht eigentlich bei jeder Entscheidung hinter mir, genauso wie ein paar andere Menschen, die ich zu meiner Familie und zu meinem Freundeskreis zähle. 

Julia, 28, und Kathrin, 32, aus Haunstetten: "Wir führen eine glückliche Ehe und benötigen kein Kind, um uns vollständig zu fühlen."

Relativ am Anfang unseres Kennenlernens, vor circa fünf Jahren, haben wir die Kinderfrage durchgesprochen und waren uns einig, dass wir beide keine Kinder möchten. Das war uns wichtig, da diese Frage unerlässlich ist für die Planung einer gemeinsamen Zukunft.

Wir schätzen unsere Unabhängigkeit und können uns nicht vorstellen, ein oder mehrere Kinder in die Zukunftsplanung einzubeziehen. Auch der „natürliche Wunsch“ ab einem gewissen Alter, von dem viele Menschen sprechen, ist nicht eingetroffen. Wir führen eine glückliche Ehe und benötigen kein Kind, um uns vollständig zu fühlen.

Das engste Umfeld reagiert entspannt und wenig überrascht. Schließlich kennen uns diese Leute sehr gut und haben vermutlich nichts anderes erwartet. Außenstehende dagegen reagieren oft gemischt. Der häufigste Satz lautet „Aber es gibt doch auch für euch Möglichkeiten“. Interessant daran finde ich, Kathrin, dass scheinbar die Frage, ob wir überhaupt Kinder wollen, völlig irrelevant ist. Und dass es nur darum geht, Wege aufzuzeigen, wie es möglich ist. Ich denke, dass dieser Satz niemals anmaßend oder böse gemeint ist. Trotzdem höre ich ihn nicht gerne, da er zum einen unterstellt, ich würde nicht wissen, dass zwei Frauen sehr wohl die Möglichkeit haben, Kinder zu bekommen – auf natürlichem Wege oder durch Adoption –, und zum anderen lässt er unsere Bedürfnisse völlig außen vor. 

Eine klassische Frage, die wohl alle Paare hören, wenn sie keine Kinder möchten, ist: „Warum?“ In diesem Moment tendiert man schnell dazu, sich zu rechtfertigen. Als wäre es schlecht, kinderlos sein zu wollen. Selbst, wenn die Frage gar nicht so gemeint war. An dieser Stelle ist es wichtig, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass jeder das Leben führen kann und soll, welches er oder sie möchte.

 
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