Es geht um Nürnberger Lebkuchen, Lübecker Marzipan, Aachener Printen, Dresdner Christstollen und auch um die berühmte Wurst, genauer gesagt die Bratwurst. Und damit in den exponierten Städten und Regionen sozusagen um alles oder zumindest um sehr viel. Sollen die Hersteller solcher regionalen Spezialitäten künftig die Herkunft der Hauptzutat angeben, wenn diese nicht aus dem gleichen Land wie die Spezialität stammt?
Bei den Unternehmen trifft der entsprechende Vorstoß aus Brüssel auf Widerstand. Eine solche Regelung sei in der Praxis "nicht beziehungsweise nur schwer umsetzbar" und entwerte die beliebten Produkte, teilten der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) und der Schutzverband Nürnberger Bratwürste diese Woche mit. Carsten Bernoth, Chef des BDSI, nannte die Pläne "vollkommen praxisfern". Doch die zuständigen Europaabgeordneten versuchen zu beruhigen. Eine Einigung sei "noch weit entfernt", sagte die EU-Parlamentarierin Marlene Mortler (CSU) auf Anfrage.
Bisher sind bestimmte Köstlichkeiten von der Regelung ausgenommen
Derzeit laufen die sogenannten Trilogverhandlungen zwischen Vertretern des Rats, also des Gremiums der 27 Mitgliedstaaten, des Europa-Parlaments und der EU-Kommission, wobei erst im Oktober die nächsten Sitzungen angesetzt sind. Vonseiten des Hohen Hauses Europas hieß es nun, dass der ursprüngliche Parlamentsvorschlag bereits entschärft wurde. Man nehme die Bedenken ernst und versuche in Gesprächen mit den Betrieben, die besondere regionale Spezialitäten herstellen, sowie mit den beteiligten Abgeordneten "zufriedenstellende Lösungen" zu finden, sagte Mortler. "Abgerechnet wird am Schluss, die Verhandlungen haben erst begonnen." In Deutschland haben nach BDSI-Angaben mehr als 80 Produkte den Status der geschützten geografischen Angabe. Jene Köstlichkeiten sind aus der seit gut drei Jahren geltenden EU-Regelung ausgenommen, wonach Herkunftsangaben die Hauptzutat und nicht den letzten Verarbeitungsschritt betreffen müssen.
Tatsächlich heißt es in der aktuellen Version der parlamentarischen Verordnungsposition, dass das Ursprungsland einer primären Zutat, sollte es nicht mit jenem der geografischen Angabe übereinstimmen, anzugeben ist, wenn auch nicht in spezifischer Form. Es würde demnach ausreichen, wenn auf der Packung vermerkt würde, dass das Mehl in den Schwäbischen Spätzle oder der für die Nürnberger Lebkuchen verwendete Zimt aus einem EU-Mitgliedsland oder eben aus einem Drittstaat stammt. Den Herstellern der traditionellen Köstlichkeiten gehen solche Ideen zu weit. Die Forderungen würden "zu einem unvorstellbaren bürokratischen Aufwand und enormen Kosten für die betroffenen Unternehmen führen und auch Verbrauchern keinen Mehrwert bieten", kritisierte Bernoth.
Spanische Tomatensoße - mit Tomaten aus der Türkei
Bei Lebensmitteln, die nicht besonders geschützt sind, gilt seit dem 1. April 2020 die Pflicht zur Kennzeichnung. Damit wollte die EU die Praxis verhindern, dass auf Salami-Packungen die italienische Flagge prangt, obwohl das Schweinefleisch in Wirklichkeit aus Großbritannien importiert wurde, oder dass die "Spanische Tomatensauce" beworben wird und die Tomaten in der Türkei gereift sind. Mehr Transparenz für die Verbraucher sollte geschaffen werden, die beim Einkauf zunehmend auf Regionalität und Nachhaltigkeit achten.
Wird auf der Packung eines Lebensmittels also durch bildliche Elemente oder den Text eine Herkunft angedeutet, beispielsweise durch die Aufschrift "Pizza made in Italy", stammt dessen Hauptzutat jedoch aus einem anderen Land oder einer anderen Region, muss auf dem Etikett seitdem verpflichtend deren Ursprung angegeben werden. Ob dies bald auch für Spezialitäten gilt, die den Status der geschützten geografischen Angabe genießen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.