Eine bewaffnete Gruppe aus Reichsbürgern und Querdenkern soll einen Staatsstreich geplant haben. Sie wollte den Reichstag stürmen und die Bundesregierung absetzen – doch ohne Erfolg. Am frühen Mittwochmorgen gab es eine bundesweite Razzia. Spezialkräfte der Polizei stürmten die Wohnungen der Beschuldigten und vollstreckten 25 Haftbefehle – vier davon in Bayern. Betroffen sind die Landkreise Forchheim, Schweinfurt, Ansbach und Bayreuth. Auch in Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen sowie in Österreich und Italien wurden Verdächtige festgenommen. 22 der Festgenommenen sollen Mitglieder einer terroristischen Vereinigung sein, zwei davon Rädelsführer. Drei weitere gelten als Unterstützer. Zudem gibt es 27 weitere Beschuldigte.
Etwa 3000 Beamte des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei und der Landeskriminalämter durchsuchten im Auftrag des Generalbundesanwalts zahlreiche Objekte in elf Bundesländern – darunter auch Bayern. Der Südwesten sei ein Schwerpunkt der Durchsuchungen, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Mittwochmorgen. BKA-Präsident Holger Münch nannte am Mittwochabend im ZDF-"heute journal" die Zahl von mittlerweile 54 Beschuldigten und sprach von mehr als 150 Durchsuchungen. Bei rund 50 Objekten seien auch Waffen festgestellt worden. Münch ging von weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen in den nächsten Tagen aus. Mittlerweile sollen sich 19 der 25 Verdächtigen bereits in U-Haft befinden. Planmäßig sollen auch an diesem Donnerstag noch Verdächtige den Richtern vorgeführt werden.
Bundesweite Razzia: Das hatte die Gruppe wohl vor
Die Bundesanwaltschaft wirft etwa 50 Frauen und Männern vor, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben, um die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen und einen Staat nach Vorbild des Deutschen Reichs von 1871 zu errichten. Die Gruppe soll geplant haben, das Reichstagsgebäude zu stürmen, durch Anschläge auf die Stromversorgung bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen und die Bundesregierung abzusetzen, um dann die Macht zu übernehmen. Es sollen bereits Personen für wichtige Ministerposten ausgesucht worden sein.
Ein "militärischer Arm" sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen "beseitigen", so die Bundesanwaltschaft. Der Vereinigung sei bewusst, dass es dabei zu Toten kommen werde. "Sie nimmt dieses Szenario aber als notwendigen Zwischenschritt zur Erreichung des von ihr angestrebten 'Systemwechsels auf allen Ebenen' zumindest billigend in Kauf."
Die Gruppe hätte insbesondere Angehörige der Bundeswehr und Polizei für den geplanten Staatsumsturz rekrutieren wollen. Bei mindestens vier Treffen in Baden-Württemberg im Sommer hätten mutmaßliche Mitglieder für die terroristische Vereinigung und ihre Ziele geworben. Im Herbst hätten Beschuldigte in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung gewinnen wollen. Angehörige des "militärischen Arms" hätten Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, "um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren".
Razzia: Bewaffnete Gruppe mit ehemaligen Soldaten
Die Gruppe gilt als besonders gefährlich. Zu ihr gehören ehemalige Soldaten der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee der DDR. Eine zentrale Figur der Gruppe ist nach Informationen von ARD-Hauptstadtstudio und SWRHeinrich R., Spross eines alteingesessenen Fürstenhauses aus dem heutigen Thüringen. Seit einigen Jahren vertritt er seine Reichsbürger-Thesen öffentlich.
Heinrich XIII. Prinz Reuß. soll an der Spitze des "Schattenkabinetts" gestanden sein. Der Unternehmer wurde in Frankfurt festgenommen. Für das Justizressort war offenbar die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann vorgesehen. Auch sie zählt zum Kreis der Beschuldigten.
Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft richten sich auch gegen einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Der aktive Soldat sei im Stab des KSK eingesetzt, sagte ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Es soll sich um einen Unteroffizier handeln. In der Bundeswehr war er bereits als Impfgegner aufgefallen und später aus der Truppe heraus gemeldet worden.
Faeser äußert sich nach bundesweiter Razzia
"Die Ermittlungen lassen in den Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch zu der bundesweiten Razzia. Der Rechtsstaat sei stark. "Wir wissen uns mit aller Härte gegen die Feinde der Demokratie zu wehren."
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bezeichnete die Razzia auf Twitter als "Anti-Terror-Einsatz". "Demokratie ist wehrhaft", verdeutlichte auch Buschmann.