In fünf Minuten zum Wunschkind? Wenn Dr. Susann Neubauer, Diplom-Biologin, von ihrer Arbeit berichtet, klingt „Samen spenden“ zunächst einfach. Die Männer kommen zu einem vorgegebenen Termin und verschwinden für durchschnittlich fünf Minuten in den Gewinnungsraum. So haben die Mitarbeiter der Erlanger Samenbank den Raum humorvoll genannt, wo die Männer mit sich alleine beschäftigt sind.
Unscheinbar ist das kleine Gebäude auf der Dachterrasse der Erlanger Arcaden. Sofort steht man im Wartezimmer, das ebenso nüchtern wie in jeder Arztpraxis eingerichtet ist. Lange warten muss hier allerdings niemand. Die Samenspender kommen stets zu einem festen Termin und begegnen sich nicht – um die Anonymität zu wahren, wie Neubauer erklärt.
Zuvor haben sie in einem Gespräch (Anamnese) mit Dr. Andreas Hammel, dem ärztlichen Leiter der Samenbank, viel von sich preisgeben müssen: Haar- und Augenfarbe, Körpergröße, Blutgruppe und Rhesusfaktor, Gewicht, Körperbau, ethnische Herkunft, Schulabschluss, sowie den erlernten und ausgeübten Beruf. Des Weiteren wurden sie gefragt, ob sie einem Briefkontakt zum Spenderkind vor dem 18. Lebensjahr zustimmen und ihren Samen auch an lesbische Frauen weitergeben würden. Spricht nichts gegen den Bewerber, wird er zum Termin geladen.
Dann muss Mann ran: Sein Weg führt ihn in den Gewinnungsraum. Weinrote Wände, eine Palme und „Playboy“-Hefte – mehr Stimulation – abgesehen von der eigenen Fantasie vielleicht – bietet das Zimmer nicht. Die Papierunterlage auf dem Stuhl, ein klinisch weißes Waschbecken und ein Schrank mit Reinigungsutensilien dürften da eher kontraproduktiv wirken. Auf Videofilme wurde bewusst verzichtet. „Das würde nur unnötig Zeit verschwenden“, meint Neubauer, die jedoch weiß, dass sich manch einer bestimmte Filme aufs Handy geladen hat. „Unsere Lektüre ist ja auch sehr beschränkt. „Playboy“ kommt eben nicht wöchentlich heraus“, meint sie verständnisvoll.
„Männer, die zum ersten Mal zu uns kommen, brauchen natürlich länger und schrecken allein schon vor der Größe des Bechers zurück“, meint sie verschmitzt. Doch die Angst, diesen mit 100 Milliliter voll machen zu müssen, können die fünf Mitarbeiter der Samenbank schnell nehmen. „Wenn der Boden mit gut zwei Milliliter bedeckt ist, reicht das. Wenn es gut läuft sogar für drei Abgaben“, erklärt die Biololgin und fügt hinzu, dass es ein Reagenzglas allemal täte, „aber das wollen wir uns und der Putzfrau nicht antun“.
Dann heißt es schnell handeln: Das Ejakulat wird auf einer Wärmeplatte konstant bei 37,5 Grad gehalten und unter dem Mikroskop auf Anzahl der Spermien, ihre Beweglichkeit, Bakterien und vieles mehr hin untersucht. Ist soweit alles in Ordnung, wird es in kleinen Röhrchen mittels Stickstoff in zwei Phasen innerhalb von 64 Minuten auf 195,5 Grad heruntergekühlt. Anschließend geht es in sogenannten Dreiecksbehältern in eiskalte Tanks. Dort verbleiben die Proben für ein halbes Jahr in Quarantäne. Acht solcher Behälter stehen derzeit im Labor – gut gefüllt mit möglichen „Wunschkindern“. Bevor sie von dort schließlich ihr eigentliches Ziel erreichen, muss der Spender nochmals persönlich kommen und eine Blutprobe abgeben. Damit soll jegliche Manipulation ausgeschlossen werden. „Erst wenn auch dann alles, wie Infektions- oder Geschlechtskrankheiten, ausgeschlossen werden kann, wird die Spende freigegeben“, erklärt Neubauer. Die Qualität muss stimmen – und die ist nicht einfach zu gewinnen, da „nur etwa jeder zehnte Mann überhaupt infrage kommt“, so die Leiterin des Andrologielabors.
Die Erlanger Samenbank unterzieht sich zudem regelmäßig strengen Kontrollen. Im März 2009 war die Einrichtung die erste in Deutschland, die nach strenger behördlicher Prüfung die Herstellungserlaubnis für Samenproben erhalten hat. Aktuell kann die Samenbank auf Spenden von 80 Männern zurückgreifen. Die Nachfrage sei jedoch weitaus größer – sowohl aus Deutschland als auch aus dem Ausland. „Es gibt längst nicht so viele Spender wie kinderlose Paare.“
Verschickt werden die Spenden übrigens in kleineren Tanks – eiskalt gekühlt. „Wenn nichts weiter passiert, ist das Sperma bestimmt 100 Jahre haltbar.“ Apropos passieren: Was geschieht mit den Proben, die nicht infrage kommen oder durch unglückliche Umstände kaputt gegangen sind? „Die werden ganz normal im Hausmüll entsorgt. Warum auch nicht, das ist ja kein toxischer Sondermüll.“ Allerdings werde penibel darauf geachtet, dass die beschrifteten Röhrchen zerschnitten werden, „damit niemand Unfug treibt“.
Eine lange Verweildauer habe das eingefrorene Sperma aber in der Regel sowieso nicht. Dafür sei die Nachfrage zu groß. „Aus unserer Gründungszeit von 2003 haben wir nichts mehr.“ Dies liegt auch daran, dass sich viele Paare nicht nur ein, sondern meistens mehrere Kinder wünschen – und die vorzugsweise von einem Spender. Sofern dies machbar ist, versucht sowohl die Samenbank als auch der Erzeuger diesen Wunsch zu erfüllen. Dies sei nicht immer selbstverständlich, schließlich nehmen viele der Spender lange Anfahrtswege auf sich. Als Aufwandsentschädigung erhalten sie 105 Euro pro Abgabe einer geeigneten Samenprobe. Dabei werden 35 Euro zeitnah ausgezahlt, weitere 70 Euro folgen als Sammelzahlung am Ende des Spendenzyklus mindestens sechs Monate nach Abgabe der letzten Samenprobe bei unauffälligen Blutwerten. Mit insgesamt 630 Euro wird also der Aufwand für einen Zyklus von sechs Abgaben insgesamt vergütet. Nicht gerade üppig für alle Mühen. Das ist jedoch nichts im Vergleich zum Leidensdruck der betroffenen Paare, die zumeist schon seit etlichen Jahren auf Nachwuchs warten und die Frauen deshalb etwas älter sind. Hinzu komme, dass der erste Versuch oftmals nicht von Erfolg gekrönt ist und die künstliche Befruchtung wiederholt werden muss.
„Gerade beim Geschwisterkind dauert es für die Frau meist zu lange, bis das ganze Prozedere abgeschlossen ist“, sagt Neubauer aus Erfahrung. Bestenfalls vergehe ein Dreivierteljahr, bis die nächste Abgabe des Wunscherzeugers stattfinden kann. So greifen viele Paare auf bereits freigegebene Spenden zurück, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Maximal gebe die Erlanger Samenbank fünf Spenden auf einmal ab. Kostenfaktor: 2000 Euro, pro Versuch also 400 Euro. Zum Teil übernehmen manche Krankenkassen die Kosten. Dies ist jedoch an zahlreiche Bedingungen geknüpft. Wichtigste Voraussetzung sei, so Neubauer, dass die Paare verheiratet sind und die Frau maximal 40 und der Mann nicht älter als 50 Jahre alt ist. Seit einer Reform im Jahr 2003 werden die Kosten für eine künstliche Befruchtung oder Insemination nur noch zu 50 Prozent und für maximal drei Versuche übernommen – eine anschließende Schwangerschaft ist dabei nicht garantiert. Eine Überlegung also, die man sich auch finanziell leisten können muss, gibt Neubauer zu bedenken. Und noch etwas sollten die Wunscheltern wissen: Stirbt der Samenspender beispielsweise durch einen Verkehrsunfall, wird sein komplettes Material sofort vernichtet. „Kein Kind von einem Toten“, stellt Neubauer klar.
Dies ist ebenso geregelt, wie die Tatsache, dass alle Paare, die ein Kind aus der Spendersamenbehandlung geboren haben, eine notarielle Urkunde mit den Namen des Kindes, der Eltern und der Codierung des Spenders erhalten. Diese Urkunden und die Spenderdaten werden zugleich 100 Jahre bei einem Erlanger Notariat aufbewahrt. Damit ist sichergestellt, dass jedes Kind zu jedem Zeitpunkt seines Lebens die Identität seines Erzeugers erfragen kann. Das „Erlanger Notarmodell“ wurde sowohl von der Bayerischen Landesärztekammer als auch der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion vereinbar bewertet.
Das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass der Samenspender womöglich mit rechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Die Rechte rund um eine donogene Insemination (Sperma eines Dritten) und um künstliche Befruchtung allgemein sind in Deutschland im Embryonenschutzgesetz verankert. Hinzu kommen die Richtlinien der Bundesärztekammer, an die Ärzte durch ihre Berufsordnung zwingend gebunden sind. Demnach werden bestimmte Anforderungen an das Empfängerpaar gestellt, die denen einer Adoption ähnlich sind. „Die Anfechtung der Vaterschaft durch das Empfängerpaar ist rechtlich ausgeschlossen. Ein Anfechtungsrecht steht lediglich dem Kinde zu“, erklärt Hammel. Das Spenderkind kann aber nur dann Erb- und Unterhaltsansprüche an seinen Erzeuger stellen, wenn es zuvor auf eigene Initiative hin die gesetzliche Vaterschaft des männlichen Elternteils angefochten hat. „Ein solcher Fall ist mir aber nicht bekannt“, versichert der Reproduktionsmediziner.
Samenbank Erlangen
Die Erlanger Samenbank der ivf-Gesellschaft zur Förderung der Reproduktionsmedizin wurde 2003 von Dr. Andreas Hammel gegründet und ist die einzige in Nordbayern. Sie wird von Ärzten geleitet, die – wie das Laborteam – über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Gefrierkonservierung von menschlichen Keimzellen verfügen und gleichzeitig Experten für die Behandlung des unerfüllten Kinderwunsches sind.
Auf Transparenz und umfassende Aufklärung über rechtliche, medizinische und psychosoziale Aspekte von Samenspendern und Wunscheltern wird gleichermaßen großen Wert gelegt. Deshalb ist die Samenbank direkt an der Gemeinschaftspraxis für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Frauenärzte Dr. M. Hamori/Dr. R. Behrens/Dr. A. Hammel angegliedert. Voraussetzungen zur Samenspende: Nur Männer im Alter zwischen 20 und 50 Jahre können Spender werden wegen des höheren Risikos der Zeugung von Kindern mit auffälligem Erbgut bei höherem Lebensalter der Spender.
Diese müssen hohen Anforderungen gerecht werden – physisch, psychisch und sozial. Das Aussehen spielt keine Rolle. Sie dürfen an keinen ansteckenden Krankheiten leiden (z.B. HIV, Gelbsucht, Clamydien, Syphilis, Gonorrhö oder Cytomegalie) oder dauerhaft auf Medikamente angewiesen sein. Bei nahen Verwandten dürfen keine Erkrankungen mit einer vererblichen Komponente vorgekommen sein wie z.B.
• schwere Allergien
• familiäre Störungen des Fettstoffwechsels
• Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
• Angeborene Nierenerkrankungen mit Zystenbildung
• Krampfanfälle/Epilepsien
• Zuckerkrankheit/Diabetes mit erstem Auftreten schon im Kindes- oder Jugendalter
• Schweres Asthma
• Rheuma
• Schuppenflechte/Psoriasis
• Angeborene Herzfehler
• Psychische Erkrankungen, Psychosen
• Hoher Blutdruck mit Auftreten schon im Kindes- oder Jugendalter
Wer als Spender der Erlanger Samenbank ausgewählt wird, darf nicht bei einer weiteren Samenbank als Spender registriert sein.
Kontakt: Dr. Andreas Hammel, Nägelsbachstraße 12, 91052 Erlangen, Montag bis Freitag 9-16 Uhr, Tel. (0 91 31) 89 84 11;
E-Mail: info@erlanger-samenbank.de