Mit dem Verein „Frauen für Frauen“ aus Erlenbach am Main im Landkreis Miltenberg erhält ein weithin vorbildliches Projekt von und für Migrantinnen aus Unterfranken den diesjährigen Bayerischen Integrationspreis. Seit 2013 gibt es die Organisation, 54 Mitglieder gehören ihr im Augenblick an. Das Angebot reicht vom „Mittwochsfrühstück“ über einen „Sprechkurs“ bis hin zur Aktion „Meine Oma lernt Deutsch“. Außerdem werden ehrenamtliche Dolmetscher vermittelt.
Fünf Frauen engagieren sich im Vorstand. Vier davon haben einen Migrationshintergrund. Vorsitzende ist Nilüfer Aktürk aus Klingenberg. Die 42-Jährige stammt von türkischen Eltern ab, ist allerdings in Deutschland geboren. In Freudenberg verbrachte sie ihre Kindheit. „Meine Eltern waren sehr offene Menschen“, erzählt sie: „Wir hatten sowohl mit deutschen als auch mit türkischen Nachbarn Kontakt.“ Gesprochen wurde fast nur Deutsch. Zu jener Zeit, sagt Aktürk, habe sie sich voll und ganz integriert gefühlt.
Türken blieben unter sich
1984 gingen ihre Eltern heim in die Türkei. Dort lebte Nilüfer Aktürk 13 Jahre lang. 1997 kam sie zurück nach Klingenberg, weil sie einen türkischen Mann heiratete, der dort lebt. „Was ich bei meiner Rückkehr sah, fand ich schockierend“, erinnert sie sich. Ihre Landsleute lasen plötzlich türkische Zeitungen, schauten türkisches Fernsehen und waren weitgehend unter sich: „Das war wie eine kleine Türkei.“ Dass sich die Menschen gegenüber der deutschen Bevölkerung so stark abkapselten, gefiel Nilüfer Aktürk gar nicht.
Der Verein „Frauen für Frauen“ ging aus einem dreijährigen Projekt für Migranten in Erlenbach am Main hervor: „Als das Projekt endete, wollten wir Frauen unbedingt weitermachen.“ Erlenbachs Bürgermeister Michael Berninger brachte die Migrantinnen auf die Idee, einen eigenen Verein zu gründen. Die griffen den Vorschlag gerne auf: „Das war für uns alle eine interessante Sache.“
Den Vereinsvorsitz zu übernehmen, bedeutete für Aktürk ein kleines Abenteuer. Wie ein deutscher Verein funktioniert, wie man eine Satzung schreibt und welche rechtlichen Aspekte zu beachten sind – all das war für die Türkin neu. In ihrem Herkunftsland, sagt sie, habe sie mit Vereinen nichts zu tun gehabt.
Schule für die Mütter
Nilüfer Aktürk wuchs in ihre neue Aufgabe hinein. Unter ihrer Ägide weitete sich das Angebot sukzessive aus. Im Mai startete eine neue Initiative, in der sie sich neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Vorstandsfrau nun auch hauptamtlich engagiert. „Mother School“ nennt sich das Pilotprojekt zur Gewaltprävention, das hauptsächlich vom Freistaat finanziert wird. Die Idee stammt von „Frauen ohne Grenzen“. Die wollen dadurch Mütter für die Gefahr der Radikalisierung ihrer jugendlichen Kinder sensibilisieren. Ab 2012 wurde „Mother School“ in Pakistan, Indien, Nigeria, Tadschikistan und Indonesien etabliert.
Dass der Freistaat mit dem diesjährigen Integrationspreis den Fokus auf die Integrationsleistung von Frauen richtet, findet Nilüfer Aktürk sehr gut. „Wir Frauen müssen sowieso mehr kämpfen als Männer“, meint sie. Frauen mit Migrationshintergrund, nicht zuletzt Türkinnen, hätten es noch einmal schwerer: „Was an unseren Rollenbildern liegt.“
Wer die Integration vorantreiben wolle, müsse bei Frauen ansetzen: „Denn wir sind es, die hauptsächlich die Kinder erziehen.“ Nilüfer Aktürk erinnert an einen in der Türkei bekannten Ausspruch, der da lautet: „Wenn man eine Frau bildet, bildet man das ganze Volk.“ Hauptziel ihres eigenen Vereins sei es darum, Frauen zu bilden, sie in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken und ihnen Mut zu machen für die nächsten Integrationsschritte.
Für den Bayerischen Integrationspreis hatte sich der Verein schon mehrmals beworben. Doch bisher passte das Thema nie. Als Aktürk hörte, dass es diesmal dezidiert um „Frauen“ gehen würde, beschloss sie, noch einmal eine Bewerbung loszuschicken. Diesmal klappte es.
Das Preisgeld von 2500 Euro kann der Verein gut brauchen: „Denn es ist nicht einfach, unsere Angebote zu finanzieren.“ Neben vielen Ehrenamtlichen engagieren sich inzwischen sechs Hauptamtliche für die Organisation. Zwei Mitarbeiterinnen sind zum Beispiel für das Projekt „Starke Mütter – Starke Kinder“ verantwortlich. Das zielt darauf ab, die Bildungschancen der Frauen und Kinder zu erhöhen und die Erziehungskompetenz der Mütter zu steigern. Financier ist in erster Linie der Freistaat: „Doch zehn Prozent der Mittel müssen wir selbst erwirtschaften.“
Positive Beispiele aufzeigen
Der Bayerische Integrationspreis wird seit 2012 jährlich vergeben. Der Preis will aufzeigen, dass es in Bayern viele positive Beispiele gelungener Integration gibt. Vergeben wird die Auszeichnung gemeinsam vom Bayerischen Landtag, dem Sozial- und Integrationsministerium sowie der Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung. Die Preisverleihung findet am 20. Juni in München statt.