Ob der Islam zu Deutschland gehört, wird in Talk-Shows und Feuilletons nun schon seit mehr als zehn Jahren hitzig diskutiert. Der Ertrag der Debatten ist meist dürftig – was nach Ansicht der beiden Unionspolitiker Winfried Bausback (CSU) und Carsten Linnemann (CDU) nicht nur an den politischen Schützengräben liegt, aus denen heraus gestritten wird.
Das Problem liege vielmehr darin, dass es „den Islam“ gar nicht gibt – eine einfache Antwort also gar nicht möglich sei. „Differenzierung“ sei in der Islam-Debatte deshalb nötig, findet der Unterfranke Bausback: Um einen „liberalen Islam“, der Integration möglich macht, zu fördern. Und gleichzeitig einem „politischen Islam“, der westlichen Lebensstil zum Feindbild erklärt, den Kampf anzusagen.
In dem gerade erschienenen Buch „Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland“ haben die beiden Politiker deshalb 15 Autoren zusammengebracht. Darunter sind bekannte Wissenschaftler wie der Islam-Experte Bassam Tibi oder der Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans, die kenntnisreich und nüchtern den Zustand des Islams weltweit und daraus entstehende Integrationshindernisse für Muslime in Europa beleuchten.
Kritik an Mesut Özils "Opferhaltung"
Die Autorin Necla Kelek hält ein flammendes Plädoyer gegen falsche Toleranz für das Kopftuch. Der streitbare Psychologe Ahmad Mansour fordert eine nationale Strategie gegen Radikalisierung. Und die Journalistin Düzen Tekkal verlangt von Migranten, ihre „Opferhaltung“ zu verlassen, um den „German Dream“ zu leben. Als Beispiel nennt sie den Fußballer Mesut Özil, der nicht wegen seiner Herkunft attackiert worden sei, sondern wegen seiner unkritischen Haltung zum türkischen Autokraten Erdogan.
Der Journalist Andreas Schnadwinkel schließlich kritisiert eine oft verkrampfte Islam-Berichterstattung deutscher Medien – etwa wenn es um eine klare Haltung gegen autoritäre Strömungen beim türkischen Islam-Verband Ditib geht.
„Nichts verschweigen, nichts schönreden, aber auch nichts schwarzmalen“ sei das Ziel des Buches, schreiben Bausback und Linnemann. Bausback, bis Oktober Justizminister in Bayern, sieht auch den Rechtsstaat gefordert, klare Kante zu zeigen: Einen „Kulturrabatt“ vor Gericht dürfe es nicht geben.
In einer acht Punkte umfassenden „Agenda“ fordern die Herausgeber schließlich klare politische Signale - vom Kopftuchverbot für Kinder über Transparenzregeln für Moscheen bis hin zur eindeutigen Parteinahme des Staats für liberale Muslime.
Nicht alle Erkenntnisse in dem Buch sind neu. Nur die wenigsten dürften ohne Widerspruch bleiben. Doch das Buch öffnet einen pragmatischen Blick auf ein allzu oft nur emotional diskutiertes Thema. Es ist deshalb ein lesenswertes Plädoyer gegen falsche Toleranz – und für mehr Selbstbewusstsein auf die eigene kulturelle Identität.
Carsten Linnemann/ Winfried Bausback (Hrsg.), Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland – Wie wir unsere freie Gesellschaft verteidigen, Herder-Verlag 2019, 288 Seiten