Eine hübsche Geschichte rund um Hollands Königin Maxima erklärt so manches über den CSU-Politiker und bayerischen Justizminister Winfried Bausback: Mitte April kommt das aus allen bunten Blättern bekannte niederländische Königspaar Maxima und Willem-Alexander nach Bayern. Dabei wollen die Königs auch den von den Nürnberger Prozessen berühmten Schwurgerichtssaal 600 im Nürnberger Justizpalast besuchen.
Hausherr ist dort der bayerische Justizminister – eigentlich. Weshalb Winfried Bausback nach den ursprünglichen Plänen auch die königliche Führung übernehmen sollte. Doch in Nürnberg ist auch Markus Söder zu Hause. Der Finanzminister, der nur äußerst ungern einen kameratauglichen Termin auslässt, soll deshalb sofort sehr großes Interesse an der Königinnen-Begleitung gezeigt haben – zumal er dem Vernehmen nach ein großer Fan der attraktiven Maxima ist. Ergebnis: Statt Bausback wird nun Markus Söder den Reiseführer geben.
Darauf angesprochen dementiert Bausback die Geschichte nicht. Nur so viel: Er sei von Söder „nicht rausgedrängt“ worden. Alles in Ordnung. Kein Streit. Kein Ärger. Bausback fährt stattdessen zu einem Frankenwein-Termin nach Berlin. Dort trifft er immerhin eine echte Weinkönigin.
Nein, übertriebene Eitelkeit kann man dem Aschaffenburger Bausback sicher nicht nachsagen. „Unprätentiös und sachlich“ fällt einem Kabinettskollegen stattdessen als erste Charakterisierung des Justizministers ein. In der Münchner Ministerrunde könne er aber auch „Showeinlagen und Selbstdarstellungswut a la Söder manchmal recht überraschend mit Ironie und Sarkasmus begegnen“, berichtet der Insider.
Trotzdem haftet dem derzeit für sein Ministeramt freigestellten Rechtsprofessor wohl nicht ganz zu Unrecht der Ruf des eher verkopften Akademikers in Horst Seehofers mitunter recht hemdsärmeliger Minister-Truppe an. Manche Pressekonferenz neigt bei Bausback schon mal zur juristischen Mini-Vorlesung auszuarten. Daran kann auch das Bemühen des Ministers nichts ändern, komplizierte juristische Sachverhalte möglichst einfach und doch korrekt erklären zu wollen.
„Im Kabinett lohnt es sich aber immer, Winfried Bausback zuzuhören“, findet ein anderer Kabinettskollege, der keinen Hehl daraus macht, dass dies nicht für alle Staatsminister gilt. Und mit einem kleinen Seitenhieb auf Regierungschef Horst Seehofer fügt der erfahrene Landespolitiker an: „Auch schwierige Sachen erklärt Bausback so gut, dass es sogar Erfahrungsjuristen gleich verstehen.“
Mit seiner sachlichen Art hat es Bausback geschafft, sich trotz juristisch wie politisch schwieriger Themen – von den Gurlitt-Bildern über die Mollath-Aufarbeitung im Maßregelvollzug bis hin zur angedrohten bayerischen Verfassungsklage gegen die eigene Bundesregierung – auch jenseits von Bayern und über die Parteigrenzen hinweg einen sehr guten Ruf aufzubauen. Das erst vor wenigen Monaten eingeführte nationale Anti-Dopinggesetz etwa trägt deutlich seine Handschrift.
„Die Menschen wollen Engagement. Scheingefechte wollen sie dagegen nicht“, sagt Bausback selbst, wenn man ihn nach einer Erklärung dafür fragt. Die schwierigen Themen habe er sich nicht selbst aussuchen können. Er habe aber immer nach einer fairen und sachorientierten Lösung gesucht. Und allen Unkenrufen zum Trotz habe das Sachargument in der deutschen Politik nach wie vor sehr gute Durchsetzungschancen, glaubt Bausback. Manchmal brauche man dafür nur einen langen Atem: „Aber man sagt mir schon auch eine gewisse Starrköpfigkeit nach.“
Zum Minister-Job selbst kam Bausback 2013 fast wie die Jungfrau zum Kinde: Niemand im Landtag hatte ihn nach der Landtagswahl auf dem Zettel – bis sich Horst Seehofer zunächst bei erfahrenen CSU-Kollegen diskret erkundigte, wie dieser zurückhaltende Rechtsprofessor aus Unterfranken denn so sei. „Ich hatte absolut keine Vorstellungen vom Ministeramt, weil ich nicht erwartet hatte, ins Kabinett zu kommen“, sagt Bausback im Blick zurück. Nach dem Start sei es dann aber sofort „von Null auf Hundert“ gegangen: Nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt musste er etwa für die CSU in den Berliner Koalitionsverhandlungen den Bereich Rechtspolitik vertreten.
„Ich musste mir in Berlin sogar neue Hemden kaufen, weil die Verhandlungen so lange gedauert haben“, sagt er amüsiert.
Auch zwangen ihn Fälle wie Gurlitt oder Mollath schnell vor viele Fernsehkameras. Er habe dabei sofort lernen müssen, dass Äußerlichkeiten in der Politik oft mehr zählen als gute Sachargumente: „Vor meinem ersten TV-Interview etwa bin ich die Treppe hochgelaufen und war völlig außer Atem“, erzählt Bausback. Seine wohlüberlegten Worte hätten hinterher niemanden interessiert. Stattdessen sei er nur besorgt gefragt worden, ob es ihm denn nicht gut gehe im neuen Job – er habe so gehetzt gewirkt: „Seitdem fahre ich vor Interviews immer mit dem Lift.“
Bausbacks Bodenständigkeit wird vor allem an der Basis deutlich, wie neulich, wenn er in seiner Heimatstadt Aschaffenburg in der Privatschule Krauß den Schülern im Stile eines Geschichtslehrers Begriffe wie Demokratie und Rechtsstaat erklärt und die Teenager fragt: „Wieso brauchen wir Gefängnisse?“ Auch in dieser Aula bemüht sich der 50-Jährige um bildhafte Erklärungen, beschreibt das Leben hinter Gittern als „heftigen Eingriff ins Leben“ und seine Rolle als Vorgesetzter von rund 20 000 bayerischen Justizmitarbeitern „als Vorstandsvorsitzender eines großen Unternehmens“.
In einer Pause steht Peter Winter (CSU) aus Waldaschaff in einem Klassenraum. Winter (62) ist ein Mann, für den der Begriff Urgestein vielleicht ganz gut passt. Er ist im Landtag haushaltspolitischer Sprecher und für Bausback ein wichtiger Weggefährte. „Der Winnie“, sagt Winter, „ist ein Glücksfall für uns. Er weiß, wie die Justiz tickt und er ist jemand, der zuhören kann“. Wenig später treten sie gemeinsam vor die Schüler, jetzt geht es um die Flüchtlingspolitik.
Die nächsten Aufgaben warten. Auf der Fahrt nach Würzburg lässt der Berufspolitiker Bausback einen Blick auf den Menschen Winfried zu. Er erzählt, wie er 2012 die Niederlage im Kampf um das Aschaffenburger Rathaus „verkraften musste“ und warum das Ministeramt neben all der Freude am Gestalten auch „eine große Belastung ist“: Seine Söhne sind fünf, elf und 13 Jahre alt, und offen erzählt der Vater, dass sich das Familienleben „oft nach den Lücken im Terminkalender ausrichtet“. Monatlich hat Winfried Bausback zwischen 35 und 50 Termine, im vergangenen Jahr legte er 135 000 Kilometer mit dem Dienstwagen zurück. Neben seinen Aufgaben als Minister und Abgeordneter ist Bausback zudem als Schriftführer bei den Sitzungen des Bundesrats in Berlin anwesend, oft führt ihn der Weg zu Terminen auch nach Brüssel.
Da schmilzt freie Zeit wie Schnee in der Frühlingssonne. Aber es gibt Tage, die ihm heilig sind– Geburtstage, Weihnachten, Ostern gehören dazu. Die Familie organisiert seine Frau, eine Anwältin, die ihren Job derzeit ruhen lässt.
Sein Mandat im Aschaffenburger Stadtrat hat der frühere Schwimmer des SSKC Poseidon behalten, weil er die Nähe zur Basis schätzt. „Kommunalpolitik erdet“, sagt Bausback. Die Belastung blendet er aus: „So lange es geht, mache ich es.“ Auch in den neuen Medien wie Facebook ist er präsent, kommentiert und kritisiert politische Themen und wirbt für seine Positionen, für seine Arbeit, und lernt mit leichter Verwunderung die Mechanismen im Netz kennen. Seine politischen Postings ernten oft nur ein, zwei Dutzend Likes. Als er im Winter ein Bild eines schneebedeckten Bobbycars auf seine Seite stellt, „gab es weit über 100 Reaktionen“.
Würzburg ist erreicht. Der Fahrer seines Dienst-BMW parkt am Amtsgericht in der Ottostraße. Nach der Begrüßung durch Direktorin Helga Twardzik und einem informellen Gespräch mit den Spitzen der unterfränkischen Justiz in der Bibliothek des Hauses wird Bausback zu einem kleinen Rundgang eingeladen. Landgerichtspräsident Dietrich Geuder lobt den Minister für „seine Sachkunde“. Er sei ein Gewinn für die Justiz und einer, „der das Gespräch sucht und auch zuhört“. Richter Peter Wohlfahrt schätzt die Verlässlichkeit Bausbacks, und fast klingt es so, als erlebe er mit dem fränkischen Newcomer bislang kaum gekanntes politisches Handeln: „Er kümmert sich und er steht für das, was er sagt.“ Sind die Aussagen der Verantwortlichen vom Inhalt her gegenüber der Presse vielleicht sogar vorhersehbar, sie klingen bei Mitarbeitern unter dem Schutz der Anonymität nicht anders. Intern hat er zudem einen noch unter seiner Amtsvorgängerin Beate Merk mitunter recht aufgescheucht wirkenden Justizapparat wieder beruhigt – durch organisatorische Veränderungen, aber auch durch viele Gespräche und Vorort-Termine im ganzen Land.
Bausback wird in das neue Kinderzimmer des Amtsgerichts geführt, wo die Befragungen von Buben und Mädchen stattfinden, und in das Schiffsbauregister, interessiert fragt er nach und lächelt mit, wenn Würzburgs Grüß-Gott-Bürgermeister Adolf Bauer seine Fröhlichkeit verbreitet. Am Ende des Termins im Amtsgericht warten auf den Minister die Mitarbeiter mit Kaffee und selbst gebackenen Kuchen. Bausback lobt den Standort Würzburg: „Danke für ihr großes Engagement.“
Dann geht es weiter nach Sommerhausen im Landkreis Würzburg. Artur Steinmann, der Präsident des Fränkischen Weinbauverbands, hat zu einem Austausch geladen. Lobbyarbeit. In der Stube mit Bildern von Veit Relin an der Wand geht es um die fränkische Weinwirtschaft, um Strukturen, um den Klimawandel, vor allem geht es um das transatlantische Freihandelsabkommen der europäischen Union mit den USA, kurz TTIP. Es fallen Worte wie Investitionsschutzmechanismen, Auslandsmärkte und Positionspapiere. Steinmann fürchtet, dass im Verkaufsregal bald aromatisierte Weine aus der halben Welt neben fränkischen Tropfen stehen. „Den gemachten Weinen fehlt die Seele“, sagt Steinmann, und Bausback sagt, dass TTIP auch Chancen für Bayern biete, er will das Abkommen „nicht scheitern lassen, sondern gestalten“.
Der Arbeitstag neigt sich dem Ende. Die Hälfte der Legislaturperiode ist vorbei, und die Frage nach einer Bilanz beantwortet Bausback ohne Überlegung: „Die Aufgabe ist spannend und macht mir nach wie vor ganz großen Spaß.“ Verbiegen lassen vom Ministerjob will sich Winfried Bausback jedenfalls nicht: „Ich genieße jeden Tag“, beteuert er. Spannende Rechtsfragen, die Mitwirkung an politischen Entscheidungen und ein gut funktionierendes Ministerium machten ihm die Arbeit leicht. „Und wir haben auch schon einige Erfolge erzielen können“, findet der Minister.
Der Quantensprung vom einfachen Landtagsabgeordneten zum Minister sei jedenfalls gewaltig gewesen. „Und es ist schon auch schwer, diese Rolle irgendwann wieder loszulassen“, räumt er ein. Zu Kopf steigen lassen will sich Winfried Bausback das Ministeramt aber nicht: „Vieles, was man in diesem Amt an Aufmerksamkeit erfährt, ist schließlich nur amtsbezogen, nicht personenbezogen“, sagt er nüchtern.
Man dürfe sich auch als Politiker selbst bloß nicht zu wichtig nehmen, findet Winfried Bausback. Wer so denkt, der kann für einen ehrgeizigen Parteifreund schon auch mal entspannt auf Königin Maxima verzichten.
Gliederung der Justiz in Bayern
Winfried Bausback ist als bayerischer Justizminister Vorgesetzter von rund 20 000 Mitarbeitern. Darunter sind rund 2200 Richter und 700 Staatsanwälte, etwa 2500 Rechtspfleger, 360 Bewährungs- und Gerichtshelfer, 700 Gerichtsvollzieher, 6400 Justizfachwirte und andere Arbeitnehmer sowie 1000 Justizwachtmeister und 5600 Mitarbeiter im Justizvollzug. Dem Staatsministerium der Justiz selbst gehören rund 200 Mitarbeiter an.
Zivil- und Strafgerichte: Sie sind für Zivil- und Strafverfahren sowie die freiwillige Gerichtsbarkeit (u.a. Nachlass, Betreuung) zuständig. In Bayern gibt es drei Oberlandesgerichte (München, Nürnberg, Bamberg), 22 Landgerichte (u.a. Aschaffenburg, Würzburg, Schweinfurt) und 73 Amtsgerichte (darunter die unterfränkischen Standorte Alzenau, Aschaffenburg, Bad Kissingen, Bad Neustadt, Gemünden, Haßfurt, Kitzingen, Obernburg, Schweinfurt, Würzburg).
Staatsanwaltschaften: Sie sind für Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zuständig. Es gibt drei Generalstaatsanwaltschaften in München, Nürnberg und Bamberg sowie 22 Staatsanwaltschaften.
Justizvollzug: Bayern verfügt über 36 Justizvollzugsanstalten (darunter Aschaffenburg, Schweinfurt, Würzburg) sowie sechs Jugendarrestanstalten. ach