Vor der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende ist nur eines sicher: Um alle Konflikte der Welt zu besprechen, reichen die drei Veranstaltungstage nicht aus. Zum weltweit wichtigsten Forum für sicherheitspolitische Themen haben sich rund 40 Staats- und Regierungschefs sowie mehr als 100 Minister angekündigt.
Erstmals wird der französische Präsident Emmanuel Macron erwartet. US-Präsident Donald Trump schickt Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister Mark Esper. Aus den USA werden aber auch Trump-Gegner kommen, etwa die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.
Ebenfalls dabei sind die Außenminister Russlands, Chinas und des Iran. Bei der Auftaktveranstaltung in Berlin hat Konferenzleiter Wolfgang Ischinger besorgniserregende Entwicklungen genannt, um die sich die Diskussionen drehen werden. Ischinger beklagte eine generelle „Krise des Westens“.
Die Grundpfeiler der transatlantischen Werte- und Sicherheitsgemeinschaft, von der liberalen Demokratie über die Menschenrechte bis zur Marktwirtschaft, geraten demnach zunehmend unter Druck. Autoritäre Gesellschaftsmodelle wie in Russland und China fordern den Westen von außen heraus. Militärisch werden Moskau und Peking immer stärker und nutzen ihre Macht in Konflikten.
So hält Russland weiter seine schützende Hand über den syrischen Diktator Assad. Die Gefahren für den Westen kommen aber auch von innen – etwa in Form von Rechtspopulisten.
Dass etwa in Hongkong Millionen von Menschen auf die Straße gehen, um ihre demokratischen Rechte einzufordern, ist für Ischinger deshalb ein Hoffnungsschimmer für das „Westliche Projekt“, das es neu zu denken gelte. „Wir haben mehr schlimme Krisen, mehr grauenhafte Vorgänge, als man sich vorstellen kann“, sagte Ischinger. In der Liste der gefährlichsten Konflikte des „Sicherheitsreports“ für das Jahr 2020 finden sich bekannte Dauer-Krisenherde wie Afghanistan, Jemen, die Kaschmir-Region, Venezuela und die Ukraine. Bisher weniger von der Weltöffentlichkeit beachtet sind die wachsenden Spannungen in Äthiopien und Burkina Faso. Der Großkonflikt im Persischen Golf mit den Hauptakteuren Israel, Iran und USA ist ebenso ungelöst wie der Streit zwischen Nordkorea und den USA. Direkt vor der europäischen Haustür schwelt der Libyen-Konflikt auch nach der Friedenskonferenz in Berlin weiter.
Kriegsgerät, das auf Künstlicher Intelligenz basiert, Kampfroboter, bewaffnete Drohnen – für Ischinger vollzieht sich im Moment ein Wandel in der Waffentechnik wie zur Zeit des Ersten Weltkriegs. In den Waffensystemen der Zukunft sieht Ischinger eine gewaltige Herausforderung. Gerade Europa sei unzureichend vorbereitet. Deutschland etwa müsse seine marode Bundeswehr ertüchtigen.
Gleichzeitig nehmen die nuklearen Risiken zu, warnt Ischinger. Und verweist auf gekündigte und nicht verlängerte Rüstungskontrollverträge. Neue Abrüstungsvereinbarungen zwischen Russland und den USA wären dringend nötig, seien aber nicht in Sicht. Durch die Aufkündigung des Iran-Atomabkommens durch die USA wachse die Unsicherheit zusätzlich. Auch mit den Atommächten Indien, Pakistan und Nordkorea verbindet Ischinger die Gefahr der nuklearen Eskalation.
Weil US-Präsident Trump die Nato immer wieder infrage stellt, muss sich Europa künftig stärker selbst um seine Sicherheit kümmern. Für Ischinger gilt dies selbst dann, wenn Trump Ende des Jahres abgewählt werden sollte. Ein starkes Europa müsse schneller zu gemeinsamen Positionen finden. Er fordert deshalb den Abschied vom Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen Union. Mit besonderer Spannung wird in München die Rede von Emmanuel Macron erwartet. Der französische Präsident hatte vor einigen Monaten die Nato als „hirntot“ bezeichnet, das westliche Bündnis jetzt aber als „wichtigsten Pfeiler der Sicherheit Europas“ gelobt.