Über 600 Fälle gefährlicher und schwerer Körperverletzung verzeichnet die Kriminalstatistik des Landeskriminalamts an bayerischen Schulen vergangenes Jahr. Das heißt, bei der Gewalt waren Waffen, waffenähnliche Gegenstände oder Reizgas im Spiel. Dazu kommen 2000 Fälle gewöhnlicher Körperverletzung. In beiden Fallgruppen ist die Tendenz steigend. Fast ein Viertel der angezeigten Schüler ist unter 14 Jahre alt, die meisten Taten ereignen sich im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Doch die Kriminalstatistik gibt nur einen Ausschnitt der Problematik wieder. Viele Fälle werden gar nicht angezeigt, sei es, um die betroffenen Jugendlichen oder den Ruf der Schule zu schützen.
Dass die Zahl der Körperverletzungen an Schulen um zehn Prozent, die der gefährlichen Körperverletzungen gar um 20 Prozent gestiegen sind, sieht Kultusminister Bernd Sibler jedoch auch als Zeichen eines veränderten Anzeigeverhaltens an den Schulen und damit einer erhöhten Sensibilität geschuldet.
Sibler spricht von „niedrigem Nieveau“
Insgesamt sei die Gewalt an bayerischen Schulen nach Beobachtungen des Kultusministeriums auf einem niedrigen Niveau. „Gewalt an unseren Schulen in Bayern dulden wir in keinster Weise, bei jedem Fall, gleich welcher Art, gilt null Toleranz“, sagt der CSU-Politiker. Die Schulen begegneten möglichen Übergriffen mit Präventionsarbeit, pädagogischen und Ordnungsmaßnahmen bis hin zur Anzeige bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Zur Prävention gehörten auch Programme zur Stärkung der Persönlichkeit der Schüler. „Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind heute mehr noch als in früheren Jahren auch als Vorbilder gefragt“, sagt der CSU-Minister. Am heutigen Freitag will Sibler bei einem „runden Tisch Gewalt in der Schule“ über die Weiterentwicklung der Gewaltprävention informieren.
Doch bei den Lehrern reagiert man eher skeptisch, dass das CSU-geführte Ministerium kurz vor der Landtagswahl fast im Zweiwochentakt neue Maßnahmen zu dem Streitthema vorstellt. „Wir fordern endlich mehr Transparenz bei dem Thema“, sagt die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands BLLV, Simone Fleischmann. Denn die Polizeistatistik reiche wegen der Dunkelziffer nicht angezeigter Fälle nicht aus.
Lehrer fordern Schul-Statistiken
Fleischmann fordert, dass jede Schule eine Statistik führen solle, die dann landesweit zusammengeführt werde. „Wir haben selber über Forsa eine Umfrage gemacht, die teils erschreckende Ergebnisse gebracht, was die körperliche und psychische Gewalt angeht, aber auch die Cybergewalt im Internet gegen Lehrerinnen und Lehrer, die auf Seiten von Schülern, aber auch Eltern ausgeht“, berichtet sie.
Jeder fünfte Lehrer an bayerischen Schulen gab dabei an, selbst schon einmal Opfer körperlicher oder psychischer Gewalt geworden zu sein. Vier Prozent erklärten, dass sie während ihrer Arbeit schon einmal körperlich angegriffen worden seien. Bedrohungen, Beleidigungen, Beschimpfungen oder Mobbing gehe dabei in vielen Fällen nicht nur von den Schülern, sondern auch von den Eltern aus.
„Wir hatten den Eindruck, dass das Ministerium unseren Zahlen nicht glaubt“, sagt Fleischmann. Eine Petition zur Erhebung eigener Schulgewaltstatistiken habe die CSU im Landtag aber abgelehnt.