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HEROLDSBERG
Wie ein Biss in den Waldboden
Ein Mann steht im Walde: Bei Felix Schneider in Heroldsberg stehen das ganze Jahr Pilze auf der Speisekarte.
| Ein Mann steht im Walde: Bei Felix Schneider in Heroldsberg stehen das ganze Jahr Pilze auf der Speisekarte.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 21.12.2016 03:38 Uhr

Felix Schneider ist ein passionierter Koch und ein nachdenklicher Mensch. Essen muss für ihn einen Sinn haben. „Kochen ist für mich eine Verneigung vor der Natur und ihren Schätzen“, sagt der 31-Jährige. Eigentlich wollte er in der zehnten Klasse die Schule abbrechen und sofort Koch werden. Seine Eltern haben ihn aber davon abgehalten. Was in seinem Restaurant in Heroldsberg bei Nürnberg in den Kochtopf kommt, sammelt oder pflückt er zum großen Teil selbst. Kräuter und Gemüse baut er in seinem Garten an, die heimischen Bauern und Erzeuger kennt er alle persönlich, genau wie die Tiere.

Vollreif & vergehen heißt das Menü

Im Oktober 2015 eröffnete er das Gourmetrestaurant Sosein zusammen mit Jens Brockerhof und Johannes Müller. Sosein, dass bedeutet: „So sind wir, Franken, Bayern . . . Und auf der anderen Seite bedeutet es bei Johann Gottlieb Fichte das Wesen der Dinge, und das, fanden wir, entspricht genau dem, was wir tun.“ Genauso philosophisch wie er selbst, ist auch seine Küche. Drei winzig kleine Stücke von der Roten Bete, lange und behutsam getrocknet, mit Rose de Resht und Quittenblüte, sind der Prolog, der Gruß aus der Küche gewissermaßen und der Auftakt zum Menü „vollreif & vergehen“.

Auf der Suche nach dem passenden Ort sind die drei auf den Landgasthof „Schwarzer Adler“ in Heroldsberg gestoßen: ein altes Gebäude aus dem 16. Jahrhundert mit fränkischem Fachwerk und Sandstein. Außen rustikal, innen edel – und doch gemütlich. Dicke Mauern, niedrige Decken, dunkle große Tische und Designer-Stühle. „Unsere Devise lautet: Regionales ganz neu interpretiert“, erzählt Schneider. Mit seinem rötlichen Vollbart und der Schirmmütze wirkt er sehr jungenhaft. Um die Mittagszeit trifft er sich mit seinem Sous-Chef Thomas Prosiegl und dann geht es in den Wald: Pilze sammeln. Im Sosein kommen Pilze zu jeder Jahreszeit auf den Tisch.

Eine Reservierung ist unbedingt nötig

Für Felix Schneider ist Pilze sammeln wie Äpfel pflücken. Ins Körbchen kommen nicht nur Steinpilze oder Maronen, auch Semmel-Stoppepilz, Kuh- und Sandröhrling landen später in der Pilz-Consommé. „Das ist wie ein Biss in den Waldboden“, schwärmt Schneider. Pilze sind für ihn etwas Besonderes, denn „man kann sie so nicht kaufen“.

Das Sosein verfügt über 30 Sitzplätze. Eine Reservierung ist dringend nötig, denn hier wird auf höchstem Niveau gekocht, aber immer bodenständig. Das Menü mit sieben Gängen kostet 115 Euro – inklusive Wasser. Hinzu kommt noch die Getränkebegleitung: entweder mit Alkohol, oder ohne. Dabei geben sich Schneider und sein Team vor allem bei den nicht alkoholischen Getränken viel Mühe. Wein und Bier kennt jeder, doch wer hat schon Kürbis mit Rauchessig oder Pistazienmilch mit Dillblüte getrunken?

Im Sosein kommt auch frischer Fisch auf den Tisch.
Foto: Christopher Civitillo (2), Claudia Kneifel | Im Sosein kommt auch frischer Fisch auf den Tisch.

Zur ersten Vorspeise – Tomate mit acht verschiedenen Kräutern gewürzt und Garnelenkopf – gibt es entweder unfiltrierten Silvaner oder Tomatensaft mit Karottenblüte. So avantgardistisch wie es ist, könnte das Sosein in Kopenhagen oder Berlin sein, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ kurz nach der Eröffnung. Andere Gastrokritiker vergleichen es mit dem „Noma“ in Kopenhagen, das mehrfach die Auszeichnung „Bestes Restaurant der Welt“ erhielt. Puristisch und sinnlich soll Essen sein, das hat Felix Schneider sicher mit „Noma“-Küchenchef René Redzepi gemein.

Das Menü beginnt im Sosein für alle Gäste gleichzeitig. Die Atmosphäre ist familiär und unkompliziert. Die drei Servicekräfte Dominik Altenkamp, Monique Steinke und Yusuf Yilmaz kündigen fröhlich den jeweiligen Gang an. „Wir gehen hier in allem ganz neue Wege“, erklärt Altenkamp. Ein eigener Gang ist das selbst gebackene Sauerteigbrot, mit 65-stündiger Teigreifung. „Wir kneten unser Brot nicht, wir falten es“, erklärt Patissier Stefan Frank, der es auch aufschneidet. Dazu wird Butter gereicht, die 20 Wochen im Kühlschrank gereift ist. Sie riecht ein bisschen ranzig. Aber man sollte sich vom Geruch nicht abschrecken lassen: Die Butter schmeckt wie ein leckerer Käse.

Auszeichnung mit einem Guide-Michelin-Stern

Gelernt hat Schneider im Gourmet-Restaurant Burg Wernberg im oberpfälzischen Landkreis Schwandorf beim Zwei-Sterne-Koch Thomas Kellermann. Später hat er im Aumer's La Vie in Nürnberg 2013 seinen ersten Stern miterkocht. Über die Auszeichnung mit einem Stern im neuen Guide Michelin 2017 freut er sich sehr: „Solche Auszeichnungen erhöhen natürlich die Bekanntheit. Menschen lesen über uns und kommen zu uns zum Essen.“

Dessertkunst vom Sternekoch
Foto: Claudia Kneifel | Dessertkunst vom Sternekoch

Zur Artischocke mit Sonnenblume gibt es als alkoholfreie Getränkebegleitung Waldwildapfelsaft mit einer Infusion aus selbst gesammelten Kräutern. Gewürzt wird das leckere Gebräu mit einem Hauch Kastanienhonig. „Wir konzentrieren uns auf das Allerbeste, was die Natur zu jeder Jahreszeit zu bieten hat“, sagt Schneider. Jedes Menü im Sosein sei eine kulinarische Abbildung von Ort und Zeit. An diesem Tag ist es Maishähnchen mit Paprika und Saibling. „Wir verarbeiten immer das ganze Tier, das ist unsere Philosophie“, erklärt er. „Auch beim Fisch nutzen wie die Innereien, um ihn zu würzen.“

Das Geschmacksgewitter folgt beim Dessert

Der Hauptgang – Wollschwein, Schlachtsoße, Endivie – ist auch optisch ein Höhepunkt. Er wird in einer dunklen Seifenschale aus schwerem Stein serviert. Das Wollschwein hat eine etwa einen Zentimeter dicke Fettschicht. Begleitet wird es von einer komplexen Schlachtsoße, ein dunkler, würziger Jus bestehend aus Leber und Blut.

Das Geschmacksgewitter folgt beim Dessert: Feigenblatteis und Topinambur. Hierzu reicht der Gourmetkoch grünen Multivitaminsaft aus Melonen, Äpfeln, Dill sowie Tannenspitzen. Zum Probieren und Kennenlernen des Menüs reisen die Gäste inzwischen nicht mehr nur aus der Umgebung an. „Wir haben ein gemischtes Publikum. Viele kommen aus Nürnberg. Inzwischen aber auch aus München oder Hamburg.“

Maishähnchen mit Paprika
Foto: Claudia Kneifel | Maishähnchen mit Paprika
 
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